3. Lern- und Handlungstheorien
3.1 Allgemein
Die Akzeptanz und Nachhaltigkeit von Theorien hängt u.a. davon ab, ob sich Inhalte mit Erwartungen decken werden. So wollten die Menschen weder mit Tieren gleichgesetzt werden noch sich als von außen manipulierbar fühlen. Nach Pöppel (2008) hat der Mensch Sehnsucht nach Einfachem und kann den Blick für das Ganze verlieren. Nach Büning (2012) wird der Ruf nach Einfachem stets lauter, je komplizierter die Welt erscheint. Senge (1996) hat das systemische und gemeinsame Denken von Mitarbeitern in Dialogen statt pro-contra-Diskussionen für Veränderungsprozesse in den Vordergrund gestellt, um das Ganze bzw. den Zusammenhang verstehen zu können. In Diskussionen kommt nach Güldenberg (1999) ein argumentativer Wettbewerb in Gang, indem einzelne Meinungen aus der Menge, um neues Wissen zu erzeugen, verpasst werden.
3.2 Warum gibt es Lerntheorien?
Der Mensch hat seit Ewigkeiten den Wunsch Wissens- sowie Fertigkeitenerwerb zu erleichtern und unerwünschtes Verhalten zu verändern. Selg (1978) schreibt, dass Lernprinzipien instrumental in der Erziehung und Entwicklung von Kindern dringend gebraucht werden. Damit diese Instrumente nicht missbraucht werden, befürwortet er die kontroverse offene Diskussion von Lerntheorien, die so als Kontrollinstanz beobachtet, welche Wirkung die Theorien haben und ggf. ein Einschreiten herausfordern.
Aktuell bzw. Feldtransfer:
- Informelles und implizites Lernen verstehen, akzeptieren und für Nutzung erschließen.
- Organisationales Lernen bringt Individuum und Gesellschaft über Wirtschaft zusammen.
- Verhaltens-Therapieverfahren: mit Verstärkern.
- Suche von Lernmechanismen in der Erziehung und Pädagogik.
- Selbstwirksamkeit nach Bandura als Theorie in der Gesundheitspsychologie (Bodenmann, Perrez & Schär, 2011).
- In der Werbung wird gemäß der Gestaltpsychologie mit Vorder- und Hintergrundmechanismen stimuliert (Bodenmann, Perrez & Schär, 2011).
- Lohnsysteme als Verstärker in Unternehmen (Staehle, 1991).
- Neurotransmitter-Medikation für psychische Prozesse.
- Klassisch Konditionieren (KK)
- Adrenalin wird mit einem Brausebonbon wiederholend gepaart bis das Bonbon alleine dieselbe Wirkung zeigt. Das Ziel ist, Medikamente v.a. bei Autoimmunerkrankungen und gegen Abstoßungen nach Organtransplantationen zur Immunsuppression durch das Bonbon ohne Nebenwirkungen ersetzen zu können. (1. Meier et al., 2002, zitiert nach Bodenmann, Perrez & Schär, 2011; 2. Exton, Gierse, Goebel, Meier & Schedlowski, 2002).
- Die Sympathie ist über die KK erklärbar: Wird man von einem fremden Gegenüber angelächelt, wird die Person mit sozialer Zuwendung gekoppelt. Die Person, die ursprünglich ein neutraler Stimulus war, wird zu einem positiv konditioniertem Stimulus. Auch ein neutrales Schulfach kann attraktiv werden, wenn die Lehrkraft den Unterricht spannend gestaltet. Die positiven Emotionen der Lehrkraft koppeln sich mit dem Schulfach, so dass das Schulfach alleine positive Gefühle auslöst und einen Anstieg der Motivation bewirkt. (Bodenmann, Perrez & Schär, 2011).
- Biofeedback, indem innere Vorgänge wahrnehmbar gemacht werden und somit willkürlich regulierbar sind (Bower & Hilgard, 1983).
3.3 Auswahl von Merkmalen zu einzelnen Theorien
Ausgearbeitet wurden Kerne und Besonderheiten, aus denen wichtige Merkmale in die End-Auswahlen zu „Was ist Lernen?“ übertragen wurden.
3.3.1 Klassisch Konditionieren (KK)
Überwiegend nach Wells (1976): Pawlow differenzierte die neutralen Reize als „psychische Reizung“, da die Sinne nicht direkt gereizt werden, aber dennoch zu einer Erregung der Drüsen führen. Psychische Reize sind Reize der Distanz wie Geräusche in der Umgebung, Größe, Farbe, Sprache, während physiologische Reize durch das Futter im Maul des Hundes über chemische Eigenschaften und Strukturen empfunden werden und zu Speichelreaktionen als Reflex führen. Die psychischen Reize wirken als Signale, um auf zu erwartende Bedrohungen hingewiesen werden zu können, ohne direkten Kontakt zu ihnen haben zu müssen und so das Überleben sichern. Damit der psychische Reiz (sensorische Signale 1. Ordnung) wirken kann, sind Bedingungen erforderlich wie Hunger als innere Bereitschaft (nach Thorndike: Trieb; später als Bedürfnis benannt; Heckhausen & Heckhausen, 2010; Thorndike, 1930/1970; Wells, 1976). Denn eine bloße Wiederholung von S-R reicht nicht (Thorndike 1930/1970).
- Unter „Wie …“ statt das Merkmal „Meist parallel extrinsische und intrinsische motivationale Faktoren.“ nun „Meist parallel extrinsische und intrinsische motivationale Faktoren als Bereitschaft und/oder als Verstärker. Die Erwartung einer verstärkenden Konsequenz erhöht die Bereitschaft.“ (siehe auch Operante Konditionierung/OK).
Die Menschen unterscheiden sich von den Tieren, da sie über die Sprache als 2. Ordnung von Signalen verfügen: Schon ein Wort z.B. „warm“ kann dieselbe Reaktion auslösen wie die Wärme selbst, sogar das Reale überlagern und eine warme Reaktion auslösen, obwohl man mit Kälte konfrontiert wurde (nach Experimenten von Bykow, 1953, 1. zitiert nach Wells, 1976; 2. Bykow, 1953).
- Kern: Behavioristisch ist tatsächliches Verhalten im Feld als Gegebenes zu beobachten, um die vorausgehenden Bedingungen auf Reaktionen beziehen zu können (Selg 1978). → Ergänzung: Unter „Wann … “ um „Die Schlüsse sollen von mehreren Beobachtern konform nachvollziehbar sein“ (Watson 1930/1984).
- Kern: → Ergänzung: Unter „Wann …“ das Merkmal „Gewohnheitsbildung …“ um „Ersatz eines Reizes (UCS) durch einen anderen Reiz (NS → CS) unter bestimmter Intensität, um dieselbe Reaktion auszulösen = S-S-Verbindung wird wiederholt“ (ursprünglich nach Pawlow: angeborener Reflex wird zum bedingten Reflex konditioniert). Die Gewohnheit wird instabil, wenn die Konditionierung nicht wiederholt wird (Watson 1930/1984).
- Jegliche S-R-Verbindung kann Lernen erklären (Guthrie). Eine vergangene S-R-Verbindung (assoziativ durch zeitliche und räumliche Nähe) zieht beim 2. Auftreten des S die R aus Gewohnheit nach sich (Guthrie zitiert nach: Bower & Hilgard, 1983; Petermann, Petermann & Winkel, 2006; Selg, 1978; Zumkley-Münkel, 1976). → Unter „Wann …“ werden einmalige und wiederholte Erfahrungen voneinander getrennt. Findet sich in den Merkmalen „einmalige Erfahrungen“ und in der „Gewohnheitsbildung durch S-R-Wiederholung“ wieder.
- Zusätzlich war das Ziel von Watson (1930/1984) über gezielte Reizsetzung ein bestimmtes Verhalten bei Menschen zu kontrollieren - mechanische S-R-Verbindungen aufzubauen (vgl. auch Edelmann & Wittmann, 1978/2000; Wells, 1976). Z.B. geschieht dies durch Gehaltserhöhung (Staehle, 1991; Watson, 1930/1984), um Leistungsverhalten zu beeinflussen, was beobachtbar wäre. → Wiederzufinden unter „Wie …“ im Merkmal „Meist parallel extrinsische und intrinsische motivationale Faktoren ...“. Die Grenze der Vorhersage spiegelt sich im Wort „kann“ von „…kann gelernt werden …“ und unter „Wann …“ im Merkmal „Gewohnheitsprozesse … 2.“ wider.
- Zusätzlich wollte Watson zu bekannten Reizen gesichert eine Vorhersage von Reaktionen übertragend auf den Menschen treffen (Edelmann & Wittmann, 1978/2000; Watson 1930/1984). → Siehe hierzu unter „Wann …“ unter dem Merkmal „Gewohnheitsprozesse … 2.“. Auf S muss nicht automatisch die erwartete R erfolgen.
- Ursprünglich nach Pawlow: Zusammenhänge müssen von Tieren nicht erkannt werden (Schulte, 2005), da man biologische/angeborene Reflexe durch einen willentlich gewählten bisher neutralen Reiz, statt des kausal natürlichen Reizes, auslöste (biologischer Reflex = automatische Prozesse ohne Lernen nach Petermann, Petermann & Winkel, 2006).
- Im Alltag: Nach Edelmann und Wittmann (1978/2000) finden sich im Alltag oft bewusstseinsunabhängig Verknüpfungen von zwei zeitlich gepaarten Reizen, während der eine den anderen ersetzen kann. Z.B. nimmt bei einem Banküberfall der Zeuge Gerüche (NS) wahr, die später als Hinweisreiz/Signal (CS) ein selbiges Unwohlsein (CR) (Geruch wird assoziiert/ verbunden mit Unwohlsein) wie beim Banküberfall (Unwohlsein beim Banküberfall als UCR) bedingt auslösen. Solche im Alltag gelernten Angstreaktionen schwächen sich kaum ab (entgegen SS-Lerntheorien, wenn die Paarung zweier Reize nicht wiederholt wird). Dto. Watsons Experiment mit Albert und der Ratte.
- Bedingte Reflexe verbinden sich mit angeborenen, unbedingten Reflexen und bilden verschmolzene Reflexe zu einer...