Das Mondwissen in der Vergangenheit
Es ist schon merkwürdig. Da übt der Mensch eine Kunst aus – jahrtausendelang, so selbstverständlich, wie die Fische mit dem Wasser leben, und so wertvoll, wirksam und erfolgreich wie nur irgendeine Fähigkeit, die der Mensch beherrscht, um sein Überleben zu sichern und sein Leben zu gestalten.
Und da – fast über Nacht, im Laufe weniger Jahre gerät diese Kunst in Vergessenheit!
Es ist, als ob die Vögel über Nacht das Fliegen verlernt und sich obendrein entschieden hätten, die Kunst des Fliegens für altväterlichen Aberglauben zu erklären. Wie wenn der Adler zum Habicht sagt: »Fliegen? Ja, das wäre schön. Aber zu Fuß ist es sicherer …«
Die Rede ist von der Kunst, die Dinge zum richtigen Zeitpunkt zu tun. Vom alten Wissen um den Einfluss der Natur- und Mondrhythmen, auf das wir seit wenigen Jahrzehnten verzichten, mit schlimmen Folgen für Mensch und Natur.
Und nicht von einem exotischen Wissen irgendwo in einem tibetischen Hochtal ist die Rede – nein, weltweit, von Alaska bis Feuerland, von den Philippinen bis nach Neuseeland. Bauern, Gärtner, Heilkundige, Handwerker, Holzhändler – überall lebten sie »nach dem Mond« wie der moderne Mensch mit dem Fernsehen. Nicht im Traum wären sie auf die Idee gekommen, nicht zuerst nach dem Mondstand zu schauen, bevor sie ernteten, heilten, bauten.
Wenn Sie das ganze Ausmaß des Verzichts auf dieses Wissen in wenigen Sätzen erfassen wollen, dann müssen Sie sich den Menschen unserer Zeit nur als einen jungen Mann vorstellen, der, obwohl kerngesund und ohne jede Behinderung, tagein, tagaus auf Krücken geht. Bis die Muskeln seiner Beine so schwach geworden sind, dass er sich nur allzu gerne einen Rollstuhl verkaufen lässt, weil er »bequemer« ist.
Und warum tut er das? Weil ein Krückenhersteller eine schlaue Werbeagentur gefunden hat, die dem jungen Mann erfolgreich dieses törichte Verhalten eingeredet hat. Sie würden es nicht glauben, wie viele Krückenhersteller es heute gibt, die wiederum ganz eng mit Rollstuhlherstellern zusammenarbeiten …
Ebenso gedankenlos wirkte auf unsere Vorfahren und Zeitgenossen, die mit der »Kunst des richtigen Zeitpunkts« aufgewachsen sind, das Verhalten der Menschen unserer Zeit, die zu willkürlich gewählten Zeitpunkten die Felder bearbeiten und ernten, die Wäsche waschen, die Zähne behandeln lassen – und natürlich ihre Haare schneiden und Körperpflege betreiben.
Die genaue Beobachtung der Natur, der Tier- und Pflanzenwelt und das Leben in Harmonie mit ihr hatten viele unserer Vorfahren zu Meistern des richtigen Zeitpunkts gemacht.
Weil die heilkundigen Frauen und Männer früherer Zeiten nicht auf chemische Produkte und Haltbarmacher zurückgreifen konnten, waren sie beim Herstellen und Anrühren ihrer Heil- und Pflegemittel auf den richtigen Zeitpunkt angewiesen.
Wenn das Überleben ganzer Völker von guten Ernten abhing und gleichzeitig die Gifte und künstlichen Dünger der modernen Industrie, Gott sei Dank, nicht zur Verfügung standen, dann blieb den Landwirten aller früheren Jahrhunderte nichts anderes übrig, als ihrer Kunst auch die Kunst der Wahl des richtigen Zeitpunkts hinzuzufügen und besonders dem Mondlauf Aufmerksamkeit zu schenken.
Phänomene kann man nicht begründen –
und dass wir sie nicht begründen können,
liegt nicht an den Phänomenen, sondern an uns.
Hippokrates
Direkte persönliche Erfahrung hatte unsere Vorfahren zur Erkenntnis geführt,
- dass zahllose alltägliche und weniger alltägliche Handlungen von Naturrhythmen beeinflusst werden – vom Holzschlagen über Kochen, Essen, Brotbacken, Milchverarbeitung, Haareschneiden, Gartenarbeit, Düngen, Waschen bis zur Anwendung von Heilmitteln, Operationen und vieles mehr;
- dass Pflanzen und ihre Teile von Tag zu Tag unterschiedlichen Kräften ausgesetzt sind, deren Kenntnis ausschlaggebend für erfolgreichen Anbau, Pflege und Ernte der Früchte ist, dass Kräuter, zu bestimmten Zeiten gesammelt, ungleich wirksamer sind als zu anderen, und dass Nahrungsmittel aus diesen Pflanzen zu unterschiedlichen Zeiten vom Körper unterschiedlich vertragen werden;
- dass Operationen und Medikamentengaben, an bestimmten Tagen durchgeführt, hilfreich sind, an anderen Tagen nutzlos oder gar schädlich – oft unabhängig von Dosis und Qualität der Medikamente, von aller Kunst des Arztes;
- dass zahlreiche weitere Geschehnisse in der Natur – Ebbe und Flut, Geburten, das Wetter, der Zyklus der Frauen und vieles mehr – in Beziehung zur Mondwanderung stehen;
- dass sich wild lebende Tiere in ihrem Tun nach dem Mondstand richten, dass Vögel beispielsweise das Nistmaterial immer zu bestimmten Zeiten sammeln, so dass die Nester nach einem Regen rasch abtrocknen und nicht brüchig werden.
Zusammengefasst: Unsere Vorfahren lebten nach der Erkenntnis, dass der Erfolg eines Vorhabens nicht nur vom Vorhandensein der nötigen Fähigkeiten und Hilfsmittel abhängt, sondern entscheidend auch vom Zeitpunkt des Handelns. Und dass dieser günstige Zeitpunkt weitgehend von der Mondphase und vom Stand des Mondes im Tierkreis abhängt. Diese Erkenntnis war – wie wir heute aus zahlreichen Zuschriften und Kalendern aus allen Teilen der Welt wissen – verbreitet und lebendig von Alaska bis nach Australien, von Japan bis Feuerland. Trotz der weiten Verbreitung ist das Wissen überall eingeschlafen.
Aber Sie müssen wahrscheinlich nicht weit reisen, um Zeugnisse der segensreichen Wirkkraft der Mondrhythmen kennenzulernen. Wer mit offenen Augen das Land bereist, entdeckt so manche Merkwürdigkeit: Einerseits über 600 Jahre alte Bauernhäuser und Stadel, die Wind und Wetter, Feuer und Eis ohne Holzschutzmittel überdauert haben, während andererseits manche in bester Absicht ohne giftige Mittel errichteten Bio-Holzhäuser aus jüngster Zeit schon nach wenigen Jahren teuer nachimprägniert werden müssen. Man spaziert vorbei an Zäunen aus rohem Holz, die seit vierzig und mehr Jahren bombenfest in der Erde stehen, während auf der anderen Seite des Weges völlig verrottete, mit Dampfdruck giftig imprägnierte Zaunpfosten vom Baumarkt, kaum älter als zehn Jahre, wie zerstörte Zahnstummel aus der Erde ragen. Das Geheimnis, das solche Merkwürdigkeiten erklärt? Die Arbeit wurde entweder zum richtigen oder zum falschen Zeitpunkt verrichtet, das Holz zur rechten oder zur falschen Zeit geschlagen, verarbeitet und verbaut. Peinlich genau hielten sich Waldbauern früher an die günstigsten Zeiten zum Holzschlagen, zum Beispiel an die Zeit zwischen dem 21.12. und dem 6.1. – die besten Holzschlagetage überhaupt. In Zeiten wie heute, wo umweltbewusster Waldbau und biologisches Hausbauen allmählich in den Vordergrund treten, leistet das Wissen um den richtigen Zeitpunkt des Holzschlagens endlich wieder den großen Beitrag, der ihm zukommt. Dies nur ein Beispiel von zahllosen, die zeigen, wie sehr uns die Wiederentdeckung der Mondrhythmen aus der gegenwärtigen Misere unseres Planeten heraushelfen kann.
Natürlich wollten unsere Vorfahren die Erfahrung der Gleichzeitigkeit von Mondlauf und Kräfteverteilung auf der Erde in ein System fassen, um die Anwendung und Weitergabe des Wissens zu ermöglichen und zu erleichtern. Man gab den beobachteten Naturrhythmen griffige, leicht verständliche Bezeichnungen und erfand ein anschauliches Schema, das immer und überall die Beschreibung der Kräfte und vor allem die Vorausschau auf die kommenden Einflüsse ermöglichte.
Sonne, Mond und Sterne stellte die Natur zur Verfügung, um das System allgemeingültig zu entwerfen und einen Kalender zu entwickeln.
Machte man die Erfahrung, dass ein bestimmter Kraftimpuls – etwa zum Ernten von Früchten – monatlich etwa zwei bis drei Tage währt und der Mond gleichzeitig die immer gleichen Sterne durchwandert, dann liegt es nahe, diese Sterne zu einem »Bild« zusammenzufassen und der Sternengruppe einen für die jeweilige Eigenart der Kraft typischen und einleuchtenden Namen zu geben.
Das Sternbild wird zur Ziffer auf dem Zifferblatt des Sternenhimmels – auf dem Tierkreis. Es verwandelt sich in ein Tierkreiszeichen.
Zwölf Kraftimpulse entdeckten unsere Vorfahren, mit jeweils unterschiedlicher Eigenart und Färbung. Den von der Sonne (im Laufe eines Jahres) und vom Mond (im Laufe eines Monats) während eines dieser Impulse durchwanderten Sternbildern gaben sie zwölf verschiedene Namen. Und so entstanden die zwölf Sternbilder des Tierkreises. Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische.
Jetzt war es möglich geworden, eine »Sternenuhr«, einen Mondkalender zu entwickeln. Mit seiner Hilfe konnte man ablesen, welche Einflüsse gerade herrschen, konnte berechnen, was die Zukunft an förderlichen und bremsenden Einflüssen für Vorhaben verschiedenster Art bringen würde.
Viele Kalender der Vergangenheit richteten sich nach dem Lauf des...