Die Erde dreht sich bekanntlich einmal im Jahr um die Sonne. Von uns aus gesehen, scheint es aber so zu sein, dass die Sonne eine kreisförmige Bahn um die Erde beschreibt. Der Astrologie wird vielfach vorgeworfen, sie ignoriere diesen grundlegenden Unterschied. In Wirklichkeit ist er für die astrologischen Horoskopdeutungen jedoch nicht von Bedeutung.
Diesen in den Himmel projizierten Kreis nennt man »Ekliptik«. Die Ekliptik wird in zwölf gleich große Abschnitte gegliedert, denen die Namen der zwölf Stern- bzw. Tierkreiszeichen zugeordnet sind. Zwischen dem 21. Januar und dem 19. Februar durchläuft die Sonne gerade den Abschnitt Wassermann, weswegen dieses Tierkreiszeichen auch das »Sonnenzeichen« genannt wird.
Beginnen wir jetzt mit der Betrachtung des Sonnen- oder Tierkreiszeichens, dem dieser Band gewidmet ist, um zunächst einmal herauszufinden, was denn nun »typisch Wassermann« ist.
Wie wird man ein Wassermann?
Kinder des Himmels
Wer Anfang September um Mitternacht in südlicher Richtung in den Himmel schaut, erblickt zwischen dem weitgedehnten Sternbild Fische und dem Dreieck des Steinbocks ein Gewirr von Sternen. Versucht er mit Hilfe seiner Vorstellungskraft, einzelne Lichtpunkte zu einer Linie zu verbinden, kann er mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten spielen: Er erkennt eine oder zwei zackige Wellenlinien oder eine züngelnde Schlange, die am fernen Horizont vom Himmel herab die Erde berührt.
Mit diesem freien Spiel der Phantasie befindet sich der nächtliche Betrachter bereits mitten im Energiefeld des Wassermanns, das dem Menschen die Freiheit schenkt, sein Leben selbst zu gestalten.
Kinder ihrer Jahreszeit
Im Januar und Februar lastet der Winter am härtesten über der nördlichen Erde. Kleinere Bäche und seichte Seen gefrieren manchmal bis auf den Grund hinunter. Der Schnee kann sich meterhoch türmen, und eiskalte Stürme begraben ganze Landstriche unter weißer Last. Selbst die Luft ist schneidend kalt wie Eis.
Dann, ganz plötzlich, manchmal innerhalb einer einzigen Nacht, schlägt das Wetter um, und Tauwetter fällt über das Land. Das Eis zerspringt, und die Schneewasser tosen ins Tal. Die Pflanzen und Samen spüren das wärmere Licht: Tief in ihrem Innersten regt sich neues Leben. Die Natur erwacht aus ihrer Erstarrung. Wurzeln ziehen Wasser aus der Erde, das sich die Äste und Zweige hinauf himmelwärts bewegt, bis es am Ende der Wassermannzeit die äußersten Spitzen erreicht. Bei einigen früheren Gewächsen schwellen jetzt schon die Knospen deutlich an.
Auch die Tiere riechen den Frühling, obwohl er noch Wochen entfernt ist: Manche beenden ihren Winterschlaf und nutzen die Schneeschmelze, um im aufgeweichten Boden nach Nahrung zu suchen und ihre Vorratskammern aufzufüllen. An einem besonders warmen und sonnigen Tag beginnen die ersten Vögel mit ihrer Balz.
Kinder der Kultur
Genau wie in der Natur erwachen auch in den Menschen im Januar und Februar wieder neue Energien. Der Bauer muss die Bäume beschneiden, bevor das himmelwärts schießende Wasser die Äste und Zweige erreicht. Der Volksmund sagt, dass es nach Lichtmess am 2. Februar die Bäume schmerzt, wenn man sie schneidet. Außerdem muss Dung auf den Schnee gestreut werden, damit er mit der Schmelze unter den Boden kommt.
Überall feiert man das sich ausbreitende Licht der Sonne. Nördlich des Polarkreises steht sie jetzt wenigstens für ein paar Stunden über dem Horizont. Aber auch weiter südlich ist die feuchtkalte Jahreszeit vorüber, und an geschützten Stellen zeigt sich das erste Grün. In der wechselhaften Witterung – einmal klirrender Frost und Schnee, dann wieder ein plötzlicher Wärmeeinbruch – sahen die Naturvölker einen Kampf zwischen Winter und Frühling, den einmal die dunkle und dann wieder die helle Seite gewann. Für die einfache Seele verdichtete sich dieses Ringen in einen Kampf zwischen guten und bösen Geistern. Symbolisch ist das Geschehen im Fasching bzw. Karneval eingefangen, dem wichtigsten Brauch dieser Zeit.
Wenn während der Basler Fastnacht morgens Ratschenknallen, Hörnerblasen, Glockenläuten und Feuerwerk erschallen, dann gilt dieser ohrenbetäubende Lärm der Vertreibung der Wintergeister. Auch in vielen anderen Gegenden gibt es Umzüge und Umtriebe, in denen die Fratze des Bösen ihren letzten Auftritt haben darf, bevor sie – genau wie der Winter – acht bis zehn Monate zu verschwinden hat. Im Volksmund heißt es, dass man beim Faschingstreiben die von der Kälte erstarrten Glieder schütteln soll; man würde dadurch den Winter auch aus dem steifen Körper vertreiben.
Noch ein anderer Brauch gehört fest zum Karneval: Es ist das Spiel mit Verkleidungen, Masken und Rollentausch, das bereits die Römer kannten. In bestimmten Garnisonen wurde einmal im Jahr ein einfacher Soldat durch Los zum Kaiser bestimmt. Für dreißig Tage durfte sich der Auserwählte jeden Wunsch erfüllen. Dann allerdings fand seine phantastische Karriere ein jähes Ende; er musste sich selbst die Kehle durchschneiden. Das Gleiche, allerdings ohne das schreckliche Finale, geschieht heute, wenn der »Weiberrat« die Stadt regiert oder wenn Faschingsprinz und -prinzessin während der Karnevalszeit symbolisch die Regierungsgeschäfte übernehmen.
Der Fasching schafft eine Ausnahmesituation. Plötzlich ist erlaubt, was das ganze Jahr über verboten oder zumindest verpönt ist: Männer ziehen »Weiberkleider« an, und Frauen treten als galante Männer auf. Man duzt sich mit den Vorgesetzten, und erotische Tabus scheinen aus der Weit geschafft. Als könnte der Mensch im Karneval aus Klischees, Gewohnheiten und Zwängen einfach ausbrechen, als wolle er wenigstens für eine bestimmte Zeit etwas völlig anderes erleben und unternehmen als das ganze übrige Jahr.
Zwischen Wirklichkeit und Mythos
Der Wassermann ist nach Zwillingen und Jungfrau das dritte menschliche Symbol der westlichen Astrologie. Allerdings erahnt man nicht wie bei den anderen beiden Zeichen, was damit gemeint ist. Ein Wassermann taucht höchstens in Märchen oder Fabeln auf. Meistens ist er ein Geist der Meere, der sich manchmal brüstend an der Wasseroberfläche zeigt und den Seefahrern und Fischern einen gewaltigen Schrecken einjagt.
Erst wenn man andere Benennungen des elften Zeichens erwähnt, wird deutlich, wer mit dem Wassermann wirklich gemeint ist: Man bezeichnet das Sternbild auch als »Wasserträger«. In ärmeren südlichen Ländern, in denen Wasser rar und kostbar ist, sieht man ihn zum Teil auch heute noch wie zu Urzeiten mit lautem Rufen sein Wasser feilbieten. Natürlich trifft man ihn auch auf den Feldern, wo er mit seinen Krügen die Saat bewässert. In den heißen Ländern war und ist er ein sehr armer, aber zugleich wichtiger und angesehener Arbeiter. Darstellungen von ihm findet man schon in Grabkammern der Pharaonen. In Ägypten hat man einen göttlichen Wassermann auch für das An- und Abschwellen des Nils verantwortlich gemacht: Der große Fluss der Ägypter steigt periodisch zur Regenzeit weit über seine Ufer hinaus und brachte damit dem ganzen Land Fruchtbarkeit. Um sich auf dieses gewaltige Anschwellen des Flusses rechtzeitig einzustellen, studierten die Gelehrten Ägyptens den Zusammenhang der Jahreszeiten mit dem Lauf der Gestirne. Ganz sicher war dies eine der Geburtsstunden der Astronomie und Astrologie.
Es gibt noch ein Geheimnis um den Namen »Wassermann«, das sich allerdings nur dem wirklich zu erschließen vermag, der sprichwörtlich in die Wüste geht. Dort begegnet man dem Gott der Winde auf Schritt und Tritt. Er hinterlässt nämlich seine Spuren in Form unendlicher Sandwellen, die dem Meer sehr ähnlich sind, nicht nur in der Form, sondern auch darin, dass sie immerfort wandern: Hier also trifft man den eigentlichen »Wassermann«, den großen Windgott und Wellenmacher. Auf ihn verweist auch das Symbol des Wassermannzeichens, eine doppelte Wellenlinie.
Wie Wasser und doch Wind
Neun von zehn Menschen denken bei Wassermann an »Wasser«. Es stimmt zwar, dass die zwölf »Stern«- bzw. Tierkreiszeichen in vier Elemente unterteilt werden, nämlich in Feuer-, Erd-, Wasser- und Luftzeichen, aber der Wassermann gehört zum Luft- und nicht zum Wasserelement. Aus dem »kosmischen Krug« fließt viel eher »Lebensenergie« oder der »Odem der Schöpfung«. Doch sogar von Wassermännern selbst habe ich schon häufig diese irrtümliche Zuordnung vernommen. »Ich bin ein Wasserzeichen, darum lebe ich gern am Wasser …«, so stellte sich mir vor einiger Zeit ein Vertreter besagten Zeichens vor.
Einmal davon abgesehen, dass der Name ja nun wirklich den Bezug zum Wasser nahelegt, sagt dieser »Irrtum« tatsächlich etwas über das Wesen der Menschen aus, die im Zeichen des Wassermanns geboren sind: Sie sind nicht das, was man denkt, bzw. sie sind anders, als sie sich selbst einschätzen. Und in irgendein Klischee wollen sie schon einmal überhaupt nicht gehören … Das klingt nach außergewöhnlichen Menschen – und genau das sind sie! Jetzt befinden wir uns auf der richtigen Spur.
Ich kenne viele Wassermänner. Das liegt vor allem daran, dass sie gern zum Astrologen gehen. Unter ihnen waren Künstler, Taxifahrer, Aussteiger, Menschen mit außergewöhnlichen Berufen wie Hellseher oder Dufttherapeuten, solche mit abgebrochenen Berufsausbildungen und sonstige Außenseiter. Aber ich kann mich an fast keinen Wassermann erinnern, der ein »durchschnittliches« Leben bzw. einen konventionellen Beruf gehabt hätte. Gut, es...