Einleitung und Überblick - Das Spiel der Träume
„Es ist wahrscheinlich, dass das Unwahrscheinliche geschieht.“
Aristoteles
"Ein Mensch hat Kopfschmerzen und schluckt eine vom Arzt verschriebene Tablette. Nach einer halben Stunde Wirkzeit verschwinden die Kopfschmerzen.
Die Tablette enthielt keinen Arzneistoff. Es war ein Placebo. Auf körperlicher Ebene gibt es keinen Grund für die Heilung. Die Kopfschmerzen sind trotzdem fort.
Ist das ein Wunder?
Ein Hypnotiseur unterweist einen Probanden zu frieren. Der Raum ist 23 Grad warm. Der Hypnotisierte beginnt zu zittern. Seine Kiefermuskulatur spannt sich an. Die Haare an den Armen stehen ihm zu Berge. Ihm ist körperlich kalt.
Ist das ein Wunder?
Angenommen, ein Bekannter von Ihnen fährt mit einem Auto in eine Massenkarambolage. 20 Menschen verletzen sich hierbei. Ihm geschieht nichts. Wie durch ein Wunder kommt er ohne einen Kratzer aus seinem Auto.
Als er nach Hause kommt und seiner Familie die Geschichte erzählt, glaubt diese an ein Wunder.
Ist es ein Wunder?
Wenn ja, was ist mit den Angehörigen der 20 zu Schaden gekommenen Menschen? Diese würden wohl kaum von einem Wunder sprechen.
Ihr Körper funktioniert zurzeit.
Ein Kind kommt auf die Welt.
Ein Pferd fliegt durch die Luft.
Sind das Wunder?
Oder ist das alles zutiefst logisch und wir erkennen nur die dahinter wirkenden Naturgesetze nicht? Sind Wunder dann nur das alles, was wir nicht erklären können?
Und was sollen dann alltägliche Wunder sein?
Entweder etwas ist alltäglich oder es ist ein Wunder, aber alltägliche Wunder – das widerspricht sich doch. Oder?
Wie wir in diesem Buch sehen, ist es kein Widerspruch.
Wunder sind alltäglich um uns herum. Und es gibt verschiedene Arten. In diesem Buch sollen sie etwas ans Licht gebracht werden.
Ich habe verschiedene Geschehnisse, für die ich den Überbegriff „Wunder“ auswählte, gesammelt.
Da sind also erstens einmal die Serien oder Reihen. Gleichartige Ereignisse, sich plötzlich und wie von Geisterhand ohne erkennbaren Grund häufend. Der Volksmund sagt beispielsweise: „Gleich und gleich gesellen sich gerne!“ Sich mehrende Gleichartigkeiten führen oft zur Außergewöhnlichkeit.
Diese Gleichheiten können in Zahlenform, mit Namen und Bezeichnungen oder Ereignissen auftreten. Manchmal begegnen sie uns auch als (sich wiederholendes) Muster oder Form, für dessen Harmonie wir keinen rationalen Grund erkennen können.
Es sind dies zumeist jene Begebenheiten, die aus einer beobachtenden Perspektive, einer Art „Über-Ich“ festgestellt werden, so als seien wir eine Art allwissender, über den Dingen schwebender Beobachter. Meist bemerken wir sie nicht, weil uns einfach die Informationen fehlen. Diese Ereignisse sind oft kurios oder seltsam, wie das folgende Beispiel:
„Ein Mann namens George D. Bryson mietet sich in einem Hotel in Louisville, Kentucky ein, und bekommt das Zimmer 307. Darin angekommen findet er einen Brief, adressiert an George D. Bryson, Zimmer 307. Verstört fragt er an der Rezeption, wie das geschehen könnte. Niemand wisse, wo er sich befinde, und erst recht hätte doch niemand vorher seine Zimmernummer kennen können. Dabei stellt sich heraus, dass der eigentliche Adressat des gefundenen Briefes, ein anderer George D. Bryson ist. Er hatte vorher dieses Zimmer gemietet und war gerade abgefahren, wobei er den Brief offensichtlich vergessen hatte.“
Dies ist ein sich um den Nachnamen drehendes serielles Ereignis.
Serien wurden Anfang des letzten Jahrhunderts als Naturgesetz öfter untersucht.
Die meisten Vollblut-Mathematiker oder Statistiker wird die Geschichte der Herren Bryson bei der Anwendung ihrer Kunst offiziell tatsächlich nicht unbedingt verwundern. Sie finden dieses Wunder dann auch höchst alltäglich, ja banal und werden es trivialisieren. Die Argumentation geht in den meisten Fällen zusammenfassend und verkürzt in etwa so:
„Es mag wie ein Wunder klingen, wenn einer Person solch ein Zufall wie Herrn Bryson geschieht. Aber das Geschehen ist anders zu bewerten und aus einer anderen Dimension heraus zu betrachten. Auf der ganzen Welt gesehen ist die Chance irgendwo ein Hotelzimmer anzumieten, in dem irgendein Namensvetter vorher darinnen war und dies vielleicht noch über einen Beobachtungszeitraum von – sagen wir - 50 Jahren sogar besonders hoch. Irgendwo muss so was irgendwann mit irgendwem ja geschehen!“
Nun, bei dieser Argumentation ist wirklich nichts mehr unmöglich. Es wird also bei der Banalisierung dieser Ereignisse nichts anderes getan, als die Bezugsgrößen so lange zu erweitern und aufzuweichen, bis in diesem konkreten Fall unter „gewissen weiteren Annahmen“ ein solches Ereignis auf 60% Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit berechnet wird. Allein die Zahl suggeriert Exaktheit, wo rechnerische Beliebigkeit dominiert.
Ein Ereignis wie dieses war dann sozusagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Im Nachhinein gesehen. Natürlich. Sozusagen eine Art „banales Wunder“. Ich werde das Gefühl nicht los, manchmal soll höchst Verwunderliches wegerklärt werden.
Auf diese Weise wird auch ein rosarot gepunkteter Drachen, der mit einem blaugestreiften Elefanten um die Wette rennt…sehr banal.
Also, bei soviel Drachen und Elefanten und über Jahrmillionen Zeit, in der dieses Ereignis nur ein einziges Mal passieren muss, ist das sogar sehr wahrscheinlich.…
Dabei ist mittlerweile bekannt, wie außergewöhnlich und ungewöhnlich zugleich jedes einzelne Ereignis prinzipiell ist. Dieser kleine Satz ist im Grunde bereits das Surrogat, diesen Phänomenen rechnerisch nicht beikommen zu können.
Dann gibt es da zweitens noch diese typischen Geschichten von alten Schulfreunden, die um die Ecke biegen, sobald man an ihn oder sie dachte. Oder man denkt an eine Person, die sogleich anruft. Auch solche Geschichten habe ich gesammelt. Es handelt sich hierbei um so genannte Synchronizitäten oder Koinzidenzen. Es sind dies die durch C.G. Jung bereits untersuchten Phänomene. Innere und äußere Welt überschneiden sich überraschend. Dimensionen vereinigen sich. Einem Gedanken folgt ein entsprechendes Ereignis im so genannten „richtigen Leben“. Ein persönliches alltägliches Wunder sozusagen. Innere und äußere Welt kollidieren. Gedanken scheinen Realität zu biegen.
Ein Beispiel findet sich in der nachfolgenden Geschichte.
Vor ungefähr einer Woche erzählte mir ein Freund, er habe Folgendes geträumt. Es ist das Beispiel der geträumten falschen Handball-mannschaft.
Er sei in der Umkleidekabine einer Handballmannschaft gewesen. Zu seiner eigenen Verwunderung sei er Mitglied der Mannschaft, obwohl er sich voll darüber bewusst gewesen sei, überhaupt kein Handball spielen zu können. Trotzdem trug er das Trikot und jedem schien vollkommen klar zu sein, dass er in die Mannschaft gehöre. Dies wäre soweit alles erträglich gewesen, bis auf den Umstand, draußen eine voll gefüllte Halle zu wissen und direkt vor einem Spiel zu stehen. Mein Freund geriet in Stress. Es musste auffallen, wie ungelenk er war, er würde Schrittfehler produzieren und letztlich „auffliegen“. Deshalb beschloss er, sich still und heimlich zu verdrücken, was ihm auch gelang.
Eine Woche später und nicht im Traum schaltete er, der sonst im Auto nur CD’s hört, kurz vor einem Termin und während er wartete, mal eben kurz durch die Radiosender. Schon beim Zweiten blieb er hängen. Das Display zeigte „Bayern 2“ und irgendetwas in ihm fand es spannend, mal kurz in den bayerischen Rundfunk hinein zu hören, was er ja sonst nie tat. Nach einigen Sekunden bemerkte er, dass der Bericht irgendwie von Sport und Kino handelte. Und richtig, da wurde die Geschichte von Stanley und seinen Leuten erzählt. Sie schlagen sich auf Sri Lanka mit lausigen Jobs durchs Leben und stecken in Schulden. Da kommen sie auf die Idee, eine falsche Handballnationalmannschaft zu gründen und den zugehörigen Verband gleich dazu, um sich bei einem Wettbewerb in Europa anmelden zu können. Hintergrund der Aktion: An die begehrten Visa für Deutschland herankommen. So verfolgen sie ihren wahn-witzigen Plan und sind dabei sogar ziemlich erfolgreich. Sportlich natürlich nicht. Sie tun, was meinem Freund im Traum blühte. Sie treten als falsche Handballer im übergezogenen Nationaldress an und werden buchstäblich ohne nennenswerte Gegenwehr derart auseinander-genommen, dass Funktionäre Lunte riechen...
Nun gleicht sich das Hauptthema des Traumes und des Filmes. Es geht um falsche Handballspieler. Und als wolle jemand oder etwas ein wenig augenzwinkernd auf genau diese bestehende Verbindung hinweisen, heißt der Kinofilm auch noch „Spiel der Träume“. Tatsächlich ist die ganze Geschichte ein Spiel mit Träumen. Ein Spiel mit den Träumen meines Freundes. Kurios, nicht?
Nun, eine ganze Menge Menschen werden einwenden, das sei ganz amüsant, aber es gebe eben keine logische Verbindung zwischen dem Kinofilm und dem Traum. Das ist richtig. In den Denkschablonen von Logik und Kausalität gibt es das absolut nicht und eine gedachte Verbindung gilt landläufig noch immer als „wirr“…
Den Grund hierfür bildet das Dogma „rational“ genannter Weltsicht. Das Dogma der so genannten...