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Von Amsterdam nach Temisvar

AutorJohann Kaspar Steube
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl191 Seiten
ISBN9783849643485
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Johann Kaspar Steube war ein deutscher Schriftsteller und Sprachlehrer, der 1795 in Stedtfeld, einem Stadtteil Eisenachs verstorben ist. 'Von Amsterdam nach Temisvar', oder 'Wanderschaften und Schicksale von Johann Caspar S.' besteht aus eigenen Auszeichnungen, mit denen Steube seine Lebensgeschichte erzählt. Dieses Buch war ihm so wichtig, dass er es mit eigenen Mitteln finanzierte.

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Leseprobe

 


Das Kontumazwesen

 

Ein bloßer von der Szerna angehender und gerade vor der Kontumaz vorbei gegen das Dorf Schelnitza fortlaufender Zaun, welcher mit starken Palisaden befestigt und mit großen Dornfaschinen belegt ist, macht bei Schuppaneck die Grenze. Hinter der Kontumaz, welche in dem geendigten Türkenkriege ganz abgebrannt worden ist, da wo der Weg aus der Türkei kömmt, und dort die Unterredung genannt wird, ist dieser Zaun doppelt und bildet ein etwa sechs Quadratklaftern enthaltendes längliches Viereck, welches mit zwei Gattern versehen ist, davon das eine auf türkischem, das andere auf kaiserlichem Boden steht. Von dieser Unterredung ging etwa ein hundert Schritte langer Weg in das Kontumazgebäude, und es durften die Hineinfahrenden weder auf die eine noch andere Seite ausweichen. Sobald jemand vom türkischen Gebiete herüberkam, wurde er in das gleich an den äußern Palisaden befindliche Zimmer geführt, wo er visitieret und sodann in das Innere der Kontumaz gebracht wurde. Dieses große Kontumazgebäude bestund in sehr vielen Abteilungen oder Zimmern, welche alle parterre lagen und wo immer eins von dem andern durch besondere Palisaden unterschieden war und wenigstens eine Klafter voneinander abstunden, damit, wenn ja ein Exponierter seine Hand durch irgendeine Öffnung hindurchsteckte, er die des andern, der ein gleiches tun möchte, nicht erreichen und solchergestalt durch Berührung die Pest weder bekommen noch sie einem andern mitteilen konnte. Zwischen diesen Abteilungen befanden sich wieder breite Gänge und Plätze, wo die Exponierten spazierengehen konnten, doch mußten sie sich hüten, im Fall sie die Kontumazzeit bald überstanden hatten, sich mit den Neuankommenden zu vermengen; denn in diesem Falle, der freilich wegen der Einrichtung nicht wohl möglich war, mußten sie ihre Kontumaz von neuem anfangen. Mitten in diesem Gebäude befanden sich große Schoppen, unter welche die aus der Türkei kommenden Kaufmannsgüter gebracht und von dem Warenbeschauer visitiert wurden. Waren nun diese, wie es sehr oft geschah, ganz voll, so mußten die Wagen so lange auf dem türkischen Gebiete stehenbleiben, bis es Platz darinnen gab, und es sah deswegen bei der Unterredung oft aus, als wenn Jahrmarkt da gehalten werden sollte. Nicht allein alle aus der Türkei kommende Personen, wes Standes sie auch immer sein mögen, sondern auch jeder, der das türkische Gebiete nur im mindesten berührt, müssen sich den strengen Kontumazgesetzen unterwerfen, ja es darf einer nur den Zaun da, wo er einfach ist, berühren, so muß er (es versteht sich, wenn es ein Reinigungsknecht gewahr wird) sogleich Kontumaz machen; und das nämliche geschieht, wenn jemand einen Exponierten anrührt, sollte es auch nur mit dem Rockzipfel sein. Unter einem Exponierten versteht man jeden, der entweder in der Kontumaz ist, um sie selbst zu halten, oder auf irgendeine Art mit diesen in Verbindung steht, als da sind: der Kontumazfeldscher, der Warenbeschauer und alle Reinigungsknechte. Letztere sind nicht allein dazu bestimmt, den Kontumazmachenden an die Hand zu gehen, sondern auch diejenigen Dinge, so keine Kontumaz machen, an der Unterredung zu reinigen.

 

Was die Lebensmittel betrifft, so erhielten sie selbige auf folgende Weise: Neben dem Kontumazgebäude war ein Wirtshaus so angebaut, daß es einige Schuhe von denen das Kontumazgebäude umgebenden Palisaden entfernt war. Der Wirt, welcher dort Arendator genannt wird, hatte einen im Falsen laufenden Tisch, welcher bis in die äußern Palisaden reichte; wollte nun jemand etwas haben, so schob der Wirt den Tisch, auf welchem Schalen mit Essig standen, hinüber; hier legten solche das Geld in den Essig und sagten zugleich, was sie haben wollten, welches er ihnen so hinüberschob. Auf diese Art konnten sie alle Bedürfnisse erhalten, ohne die Kontumaz zu verlassen. Trifft es sich, daß jemand in eine Kontumaz kommt, ohne die Mittel zu haben, sich die 21 Tage selbst zu beköstigen, so muß ihn die Kontumazdirektion verpflegen, welche Verpflegung freilich zuweilen ziemlich mager ausfällt.

 

Nicht alle Briefe kommen durch den gewöhnlichen Weg in die Kontumaz; denn kommt einer von einem andern als dem Kontumazwege herüber, so nimmt die erste Post, wo er abgegeben wird, einen langen, vorne aufgespaltenen Stock, worauf der Brief in den Spalt gesteckt und von dem Soldaten bis zur zweiten Post so vor sich hin getragen wird; nun gibt er seinem Kameraden entweder den Stock samt dem Briefe, oder dieser nimmt einen ähnlichen und klammert den Brief in die Spalte, und dieses geht so von Wachthaus zu Wachthaus bis in die erste Kontumaz, wo er entweder durch Essig gezogen oder mit Pestkraut beräuchert wird. Von den exponierten Personen darf außer dem Feldscher, Warenbeschauer und den Reinigungsknechten niemand aus der Kontumaz herausgehen, und die Freiheit der erstem besteht bloß darinne, daß sie sich auf einige Schritte von dem Gebäude entfernen dürfen. Es ist ein wahrer Spaß, in Gesellschaft einer solchen exponierten Person zu sein, denn man darf ihnen nie so nahe kommen, daß sich die Kleider berühren können, weil in diesem Falle die Person, deren Kleid ein Exponierter berührt, sogleich Kontumaz machen muß; man sieht daher, daß sich ein solcher Exponierter immer zurückzieht, wenn ihm jemand zu nahe kommt, weil er voraussetzen muß, daß ihn die sich nähernde Person nicht kennt. Bei meinem Aufenthalte befand sich ein sehr geschickter Feldscher namens Jäger darinnen, der, weil er lahm war und nur mit Mühe gehen konnte, allemal drohte, wenn ihm jemand zu nahe kam, stehenzubleiben und durch die Berührung zu machen, daß man in die Kontumaz müsse. Wenn ein Exponierter einem Nichtexponierten eine Prise Tabak geben will, so setzt er die Dose hin und tritt einen Schritt zurück, worauf sich der andere nähert, um sie zu nehmen, doch muß sich dieser hüten, die Dose zu berühren, denn dieses würde gleich verursachen, daß er Kontumaz machen müßte. Ohngeachtet dieser strengen Gesetze trifft das Sprüchwort »Keine Regel ohne Ausnahme« auch hier ein. Ich weiß selbst einen solchen Fall der Ausnahme. Nämlich eine Tante des Kontumazdirektors hatte einst einen Reinigungsknecht im Vorbeigehen berührt, als diese nun in die Kontumaz sollte, widersetzte sie sich mit ganzer Macht, worauf sich der Direktor seiner Gerechtsame, des Pestmantels, bediente, unter welchen sie sich setzen und durch Pestkraut beräuchern lassen mußte. Doch betrifft diese Ausnahme nur die, welche eine exponierte Person angerühret, nicht aber solche, die das türkische Gebiet betreten haben. Das Personale der Kontumaz besteht in einem Direktor, Arendator, zwei Feldscher, zwei Warenbeschauer und achtzehn bis zwanzig Reinigungsknechte. Von diesen sind der Direktor und Arendator niemals exponiert, sondern können überall herumgehen, müssen sich aber demohngeachtet ebensowohl in acht nehmen, eine exponierte Person anzurühren. Was den Feldscher anbetrifft, so wechselt dieser dergestalt ab, daß er ein halb Jahr in und das andere halbe Jahr außer der Kontumaz zubringt. Nach Verlauf dieser Frist muß der herauswollende ebensowohl seine Kontumaz machen, worauf er von dem andern abgelöst wird. Dieser und der Warenbeschauer, die als exponiert betrachtet werden, pflegen ihre Zeit mehrenteils mit der Jagd und Spazierengehen in dem türkischen Gebiete zuzubringen; wollen sie aber auf kaiserlicher Seite herumgehen, so müssen sie sich, wie schon gesagt, sehr in acht nehmen, daß sie durch Berührung niemanden in Ungelegenheit und in die Kontumaz bringen.

 

Da die Einrichtung derer weiter rechts liegenden Kontumazgebäude zu Uipalanka, Kubin, Pancsowa und Semlin die nämliche ist, als die zu Schuppaneck war, so brauche ich sie nicht besonders zu erwähnen.

 

 

 

Fünfundzwanzigstes Kapitel


 


Handel mit den Türken

 

Da auf unserer Seite der sechs Stunden von hier gelegene Ort Mehadia der nächste ist, wo wir etwas von Lebensmitteln erhalten konnten, Orsowa aber nur eine halbe Stunde von hier entfernt liegt, so bekamen wir deren sehr viel von türkischer Seite. Wenn schon gehandeltes Kaufmannsgut herüberkommt, so wird solches, wie schon gedacht, sogleich in die Kontumaz gebracht und daselbst visitieret, wo es 21 Tage liegenbleibt und dann erst nach erhaltenem Paß des Kontumazdirektors weiterversendet werden darf. Will man aber bei der Unterredung selbst etwas kaufen, so legt es der Türk in schon erwähntes Viereck nieder und tritt dann auf seine Seite zurück; hierauf geht der Käufer hin und besieht es, doch ohne es anrühren zu dürfen; nach dem Besehen tritt er auf seine Seite zurück. Nun legt sich der Türk auf den jenseitigen und der Christ auf den diesseitigen Zaun, fordern und bieten so lange, bis sie des Handels einig werden. Sind es Dinge, die Kontumaz machen müssen, so werden sie hineingebracht, und nach verflossenen 21 Tagen erhält man es wieder; sind es aber Sachen, die davon frei sind, als Wein, Milch, Essig, Obst und dergleichen, so läßt man solche auf der Erde liegen, ruft sodann einen Reinigungsknecht, um sie zu reinigen. Diese Reinigung besteht darinne, daß sie eine mit Essig angefüllte Schale nehmen und von demselben etwas drüber her spritzen. Ohngeachtet ich mehrmals gesehen habe, daß sie ihren Essig aus der Szerna geschöpft haben, so darf doch niemand vor dieser Reinigung das mindeste davon nehmen oder anrühren. Nun zählt man das Geld für die erkauften Waren entweder im Wege hin oder wirft es dem Türken,...

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