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Analyse volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt

AutorIsmail Budak
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl48 Seiten
ISBN9783958207486
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Nachdem im Herbst 2005 mit der Türkei offizielle Verhandlungen für eine EU-Vollmitgliedschaft aufgenommen wurden, gewann die öffentliche Diskussion in der EU um dieses Thema deutlich an Schwung. Im Fokus dieser Debatte stehen besonders die politischen, rechtlichen und kulturellen Aspekte des geplanten EU-Beitritts, die teilweise auch durch die jüngsten Ereignisse in der Türkei in den Vordergrund rückten. Als Nebeneffekt der überwiegend auf politisch-rechtlicher Ebene geführten Debatten sind die ökonomischen Aspekte des EU-Beitrittskandidaten, denen eine zentrale Bedeutung in den Beitrittsverhandlungen eingeräumt wird, in den Hintergrund gerückt. Aus diesem Grund konzentriert sich die Arbeit auf die Analyse ausgewählter, für eine Vollmitgliedschaft in der EU relevanter volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Türkei, wobei die politischen, rechtlichen und kulturellen Gegebenheiten ausgeschlossen werden. Das Ziel der Arbeit besteht darin, die EU-Beitrittsreife der Türkei auf Basis von ökonomischen Faktoren zu beurteilen.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.1.2, Beschäftigung und Arbeitsmarkt: Im Hinblick auf eine mögliche EU-Aufnahme der Türkei, sind die Beschäftigung und der Arbeitsmarkt wichtige Merkmale. So befürchten Kritiker, dass es zu einer EU-weiten Massenzuwanderung von unqualifizierten Arbeitskräften kommt, wenn die Türkei der EU beitritt. Um diese Behauptung der Kritiker ökonomisch zu untermauern bzw. zu widerlegen, werden daher im Folgenden die Beschäftigung und die Leistungsfähigkeit des Arbeitsmarktes in der Türkei untersucht. In diesem Zusammenhang ist die Erwerbsquote in der Türkei mit 50,8% im Jahr 2013 vergleichsweise gering. Das liegt hauptsächlich an der geringen Erwerbsquote der Frauen in Höhe von 30,8% im Jahr 2013. Es gibt allerdings deutliche Unterschiede zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. So beträgt die Erwerbsquote im ländlichen Bereich bei Frauen 37% (2013) und bei Männern 71,2% im selben Jahr. Die Hauptbeschäftigung in den ländlichen Gebieten stellt die Landwirtschaft dar, die etwa 25% aller Erwerbstätigen vereint und nur 9% zum BIP beiträgt. Dieses strukturelle Problem ist darauf zurückzuführen, dass der Agrarsektor von kleinen Familienunternehmen mit geringer Produktivität geprägt ist, die vorzugsweise unbezahlte Familienmitglieder zur Verrichtung der Arbeit einsetzen. Aus diesem Grund ist auch die Arbeitslosenquote im ländlichen Bereich mit 5,5% (2013) geringer als der Landesdurchschnitt in Höhe von 9,2% (2013). Da die Erwerbsquote der Frauen in städtischen Gebieten lediglich 26,1% beträgt und damit deutlich geringer ausfällt als im landwirtschaftlichen Bereich, ist dies ein Indikator dafür, dass sich viele Frauen dem Erwerbsleben entziehen, sofern sie aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit ausscheiden. Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Erwerbsquote ist das Bildungsniveau. So steigt die Erwerbsquote sowohl im städtischen als auch im landwirtschaftlichen Bereich mit zunehmendem Bildungsniveau deutlich an. Allerdings ist der durchschnittliche Bildungsgrad der in der Landwirtschaft Beschäftigten sehr gering, weshalb diese außerhalb der Landwirtschaft begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten haben. Dadurch, dass aus dem landwirtschaftlichen Sektor immer mehr unqualifizierte Arbeitskräfte freigesetzt werden, stimmen Anforderungsprofil und Fähigkeitsprofil häufig nicht mehr überein, wodurch es zu einem Wachstum des informellen Sektors kommt. Dies hat negative Auswirkungen auf die Produktivität, Einkommensverteilung und den allgemeinen Lebensstandard der Menschen, weshalb die Reduktion der informellen Beschäftigung eines der wichtigsten Herausforderungen für die türkische Wirtschaftspolitik darstellt. Zu diesem Zweck werden neben den unzureichenden Qualifikationen großer Bevölkerungsteile weitere Ursachen beleuchtet und Lösungsvorschläge ausgearbeitet. Ein wichtiger Grund für die Bildung des informellen Sektors ist der einheitliche Mindestlohn der Türkei in Höhe von 67% des Durchschnittseinkommens, der sich als hohe Arbeitskosten für viele Arbeitgeber in der Türkei niederschlägt. Dies wirkt sich insbesondere auf den türkischen Niedriglohnsektor aus, indem seitens der Arbeitgeber aus Kostengründen die Schwarzarbeit der formalen Beschäftigung vorgezogen wird. Dies wird besonders in den weniger entwickelten, ländlichen Regionen praktiziert. Daher könnte eine Differenzierung des Mindestlohns nach Regionen und Altersgruppe dazu beitragen, die Schwarzarbeit zu reduzieren. Daneben spielen strenge Regeln hinsichtlich Abfindungszahlungen ebenfalls eine große Rolle, die besonders kleine und mittelständische Unternehmen finanziell stark belasten können. Da die Voraussetzung für eine Abfindungszahlung die Kündigung durch den Arbeitgeber erfordert und die Abfindungssumme von der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters abhängt, haben Beschäftigte mit einem unbefristeten Vertrag in der Regel wenig Anreiz den Arbeitgeber zu wechseln. Dies verhindert zum einen mögliche Produktivitätssteigerungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, die durch den Wechsel von Mitarbeitern aus unproduktiven Bereichen in produktive Sektoren hätten entstehen können. Zum anderen können sich Arbeitgeber nur mit verhältnismäßig hohen Kosten von Mitarbeitern trennen. Um daher das Risiko hoher Abfindungszahlungen zu umgehen, haben Arbeitgeber einen Anreiz, einen Teil ihrer Mitarbeiter auf Basis von Schwarzarbeit zu beschäftigen. Dem sollte durch eine flexiblere Ausgestaltung von unbefristeten Arbeitsverträgen und damit zusammenhängend einer Liberalisierung der Bestimmungen zur Abfindungszahlungen, entgegen gewirkt werden.
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