Plötzenfang
Mit der Match- oder Kopfrute – das Angeljahr beginnt für mich mit einer Herausforderung
„Eisig schneidet der Ostwind in die Haut. Klirrend singt er in den mit Eistropfen überzogenen Baumwipfeln eine kalte Symphonie. Die Mahlzeit ruht bis zur Angelpause unter einem Maulbeerbaum und wird uns glänzend schmecken, wenn wir unsere durchgefrorenen Glieder am Feuer wärmen!“
So, oder so ähnlich, hätte es vermutlich geklungen, wenn der gute alte Walton über die Fangaussichten im Januar berichtet hätte. Die Fingerspitzen fühle auch ich schon nach wenigen Minuten nicht mehr, daran hat sich in 350 Jahren nichts geändert, die zwischen Isaac und mir liegen, denn ich packe gerade mein feines Gerät an einem kleinen Stadtkanal aus, werfe zwischen jedem Arbeitsgang einige Pinkies an den anvisierten Angelplatz, die langsam zum Grund rieseln. Dabei schweifen meine Gedanken zurück an die Anfänge, denn das, was ich heute tue, war für mich nicht immer selbstverständlich.
Ein langer Kescherstiel hilft unwegsame Uferzonen zu überbrücken.
Als Kind brachte man mir bei, der Januar sei nicht die Zeit fürs Angeln. Angelmagazine sahen das ähnlich und unterbreiteten auf ihren Seiten Reisemöglichkeiten, um im sonnigen Süden auf Exoten zu fischen. Vorschläge, die Rollen zu ölen, Kunstköder zu basteln oder Futterstrategien für den Sommer auszuhecken, füllten den Rest der Zeitschrift.
Was mir durch diese frühe Fehlprägung alles verlorenging, sollte mir erst viel später klar werden. Verpasst habe ich durch die landesübliche Winterpause nicht nur steif gefrorene Hände, zu Eisblöcken gewordene Rutenringe und zugefrorene Kanäle in fantastischer Kulisse, sondern vor allem gewichtige Fische, ganz zu schweigen von der traumhaften Färbung, die alle Flossenträger im Winter aufweisen. Halbherzige Versuche, dem Angelentzug mit der Stipprute Herr zu werden, ging ich falsch an und sie schlugen deshalb meist fehl. Nicht selten fischte ich genauso, wie ich es auch im Sommer tat. Das hatte einen Teufelskreis zur Folge, denn Misserfolge bestätigten mich im alten Vorurteil, der Winter sei schlecht fürs Angeln.
Eines Tages stellte ich fest, dass man im Winter durchaus erfolgreich sein kann, und das war eigentlich nur ein komischer Zufall. Ich konnte es mal wieder nicht abwarten und schnappte mir meine alte Shakespeare Matchrute. Die Sonne strahlte diffus und nur knapp über dem Horizont vom eisblauen Himmel, das Quecksilber zeigte kaum ein Grad an und wüst ausgefranstes Randeis säumte die Ufer. Maden hatte ich mit viel Glück erstanden, denn auch die Gerätehändler passten sich der allgemeinen Auffassung an, im Winter herrsche Flaute.
Da Gerätehändler im Winter oft keine Lebendköder mehr führen, kann man gegen Ende der alten Saison Vorsorge treiben. Pinkies sind „Minimaden“ und passen nicht nur besser ins vorsichtige Winterfischmaul, sie halten sich gekühlt deutlich länger als Maden. Bei etwa vier Grad Kühlschranktemperatur überstehen sie nicht selten mehrere Monate, ohne sich zu verpuppen. Ans Wasser nimmt man sie leicht angewärmt mit, damit sie ein wenig in Bewegung kommen. Ein Kühlakku speichert auch Hitze recht gut. Kurz aufgekocht und in einer Wärmebox mitgenommen, hält er die Krabbler zuverlässig warm.
Mehr als frische Luft wollte ich eigentlich gar nicht, aber die traumhaften Rotaugen, die ich dann fing, stellten alles in den Schatten, was ich bis dahin erlebt hatte. Nein, ich rede nicht von kapitalen Zweipfündern, sondern von der unglaublichen Schönheit der eiskalten Fische. Eine Plötze nach der anderen wanderte ans Ufer, und da die Fische auch noch eine perfekte Größe fürs Hechtangeln hatten, beschloss ich einige zu entnehmen und als Köderfische zu verwenden. Einige große Fische im Pfundsbereich durften wieder schwimmen und der erste Fisch eines neuen Kalenderjahres sowieso. So handhabte ich das schon damals.
Im Winter füttere ich meist nur mit lose eingeworfenen Maden.
Doch ganz so leicht, wie es hier klingt, machten es mir die Winterrotaugen keineswegs. Zunächst blieben die Bisse – wie immer und wie erwartet – völlig aus. An den zwei Maden am viel zu großen 12er Haken zeigte kein Friedfisch Interesse. Von Zeit zu Zeit registrierte ich vorsichtige Anfasser, die man kaum als Bisse bezeichnen konnte. Ich wechselte auf einen 18er Haken und bestückte ihn statt mit zwei Maden nur noch mit einem Pinkie. Doch immer noch lagen mehr als zehn Minuten zwischen den Zupfern. Eins passte nämlich immer noch nicht hundertprozentig. Die Angeltiefe. Die Köder mussten unbedingt fünf Zentimeter über Grund schweben. Weder auf Grund aufliegend, noch zehn Zentimeter darüber bekam ich einen verwertbaren Biss. Erst als alles stimmte, stellte sich der Fangerfolg zögernd ein. Ein Lotblei ist dabei eine große Hilfe. Es wird einfach in den Haken eingehängt und mit einer Korkeinlage fixiert.
Große Distanzen
An ihrem Gewässer stehen die Rotaugen weiter draußen, weil es am Ufer zu flach ist? Dann kommt die Matchrute schnell an ihre Grenzen, denn die Bisserkennung wird zu ungenau. Jetzt greife ich zur Feederrute in der „Lightversion“. Die nennt sich Pickerrute. Diese Ruten sind kürzer, meist um die 2,5 Meter, und weicher als Feederruten und dabei sehr handlich. Einen 15-Gramm-Futterkorb kann man damit noch ausbringen (Details zum Feederfutter im nächsten Kapitel). Das Vorfach ist etwa 30–50 Zentimeter lang. Der Haken sollte die Größe 16 nicht überschreiten.
Auf meiner innerlichen Festplatte speicherte ich ab, dass man im Winter extrem genau arbeiten muss, denn die Fische sind nicht gewillt, unnötig viel Energie in die Futtersuche zu investieren. Ein einfaches Aufrichten ihrer Körper würde genügen, um die Nahrung zu schnappen, die nur knapp über ihnen pendelt. Doch selbst das ist den Rotaugen manchmal schon zu viel Aufwand, und der Erfolg bleibt aus.
Noch kalt im Jahr – niedriger Wasserstand – die Rotaugen stehen weit draußen.
Die wichtigste Regel in der kalten Zeit lautet: Nie überfüttern! Im Winter nehmen die Fische deutlich weniger Nahrung auf, als in allen anderen Jahreszeiten. Wer jetzt zu viel einwirft, wird keinen Biss verzeichnen können, weil die Fische satt sind, bevor sie den Köder finden. Das Lockfutter kann man als gute Fertigmischung beim Händler kaufen, aber meist erfordert es einige Verfeinerungen, um es wintertauglich zu machen. Zunächst ist es von großer Bedeutung, die Farbe des Futters der des Gewässergrundes in etwa anzupassen. Warum auch immer, Friedfische mögen es im Winter nicht auffällig. Manchmal wird behauptet, das liege daran, dass sie von Räubern über dem hellen Futter schneller als Beute erkannt werden. Das kann man nicht ausschließen, bleibt aber Spekulation. Farbstoffe in Braun und Grün sollte man unbedingt dabei haben, damit kann man seinem Futter die erforderliche Unauffälligkeit verleihen. Von aufsteigenden Bestandteilen, wie Kokosflocken oder Cornflakes, rate ich dringend ab, das scheucht im Winter mehr als zu locken.
Eiskalter Rotaugenansitz im Januar
Wie sich der Lockteppich zusammensetzt, ist zu einem nicht unerheblichen Teil Philosophie des Anglers. Einige Zutaten sollten im Winter aber nicht fehlen. Die wichtigste ist Hanf. Statt als großen Anteil des Futters betrachtet man ihn besser wie ein Gewürz auf dem Steak. Sobald man ihn nämlich überdosiert, vergrämt man die Fische. Maximal zehn Prozent setze ich dem Futter zu. Hanf verwende ich sehr gerne in Form von Walzhanf. Das ist platt gedrückter Hanf, der sein öliges Aroma hervorragend ans Wasser abgibt, sich glänzend locker und „fluffig“ unter die Mischung bringen lässt, ohne zu verkleben. Die große Menge an fettreicher Energie, die Hanf liefert und in öligen Fahnen ans Wasser abgibt, spüren die Fische sofort. Ähnlich wie Hechte, die im Winter Heringe aus dem gleichen Grund lieben. Zum anderen sollte das Futter wenig Lebendanteil in Form von Maden oder Pinkies enthalten, denn das soll als unser Köder die Besonderheit bleiben. Kleine Appetithappen davon werfe ich sparsam ein, um eine regelmäßige Futterquelle zu erzeugen, die wenig Energieaufwand erfordert.
Feine Posen und Haken sind im Januar von großer Bedeutung.
Egal wie kalt es ist, Plötzen können im Winter durchaus munter werden, wenn es hin und wieder fünf bis zehn Maden regnet. Bestandteile wie Mais, Maismehl oder Bisquitmehl haben im Januar nichts im Futter zu suchen, weil sie stark sättigend wirken. Das klebrige Bisquitmehl hat zudem den Nachteil, dass es heftig bindet und klumpt. Das Futter muss leicht und körnig bleiben, möglichst leichte Wölkchen bildend die sich auffällig verbreiten, aber nicht sättigen. Dass strenge Düfte im Winter besser fangen als süße, wird oft behauptet, ich kann das so nicht bestätigen. Wohlgemerkt, ich spreche vom Stillwasser. Im Fluss ist es sehr viel schwerer, die Fische zu finden, hier kann eine bindende, streng duftende Mischung nötig sein. Man sollte am Fluss auch unbedingt großzügiger füttern, weil die Fische durch die ständige Strömung immer in Bewegung sind und infolge dessen auch fressen müssen, um Energie für diese kräftezehrende Anstrengung zu haben. Dafür geht man aber besser mit der...