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Dies ist die Fortsetzung meines ersten Buches „Der Weg aus der Angst“, das von den interessierten Lesern sehr gut angenommen wurde. Dennoch erreichten mich immer wieder Fragen: „Wie geht denn jetzt der Weg aus der Angst?“ oder „Wie macht man denn Loslassen?“. Ich konnte diese Fragen nie beantworten, denn Loslassen kann man überhaupt nicht machen, es ist ein passiver Akt und kein aktiver.
Damit der Weg aus der Angst noch einfacher wird, habe ich nun in diesem Buch versucht, alles noch besser zu beschreiben, zu begründen und nachvollziehbarer zu machen in der Hoffnung, dass es noch ein Stück hilfreicher ist. Ich werde es auch mit Beispielen aus der Praxis hinterlegen, damit es lebendiger wird. Es ist nicht so schwer, wie man vielleicht glaubt, aber man muss vielleicht verstehen, warum etwas so ist, wie es ist, sonst versteht man den Sinn nicht und kein Mensch tut etwas, bei dem er den Sinn nicht versteht. Im Prinzip muss man einfach komplett umdenken. Ich hoffe, mich nicht allzu sehr zu wiederholen und es vor allem für jedermann verständlich zu beschreiben. Schreiben könnte man über den Weg aus der Angst viel, mindestens zehn Bände, so viel gäbe es zu erklären. Unsichtbare Dinge sind schwer zu beschreiben, vielleicht muss man das Buch mehrmals lesen, denn das eine oder andere scheint sich auf den ersten Blick zu widersprechen, aber je tiefer man in alles eintaucht, umso verständlicher wird es, hoffe ich zumindest. Wir alle leben auf mehreren Ebenen, die alle vollkommen unabhängig voneinander sind und sich dennoch überlagern und beeinflussen. Mit meinen Klienten erarbeite ich den Weg aus der Angst im erfahrbaren Leben, das geht in einem Buch nicht, denn erstens trennt ein Buch diese Ebenen und zweitens fasst es jeder anders auf. Aber einen Versuch ist es wert, wer wirklich versteht, kann sich selbst helfen.
In unserer heutigen Zeit ist es leider so, dass der Mensch zerpflückt wird in Einzelteile. Der Arzt kümmert sich um den Körper, der Therapeut um das Innenleben, die Psyche, also das Zusammenspiel von Körper, Gedanken und Gefühlen und die Religion kümmert sich um die Seele, die wir angeblich haben. Meiner Meinung nach kommt viel Elend genau daher, denn ich als Mensch bin ein vielschichtiges Wesen, das man nicht einfach zerpflücken kann in einzelne Bestandteile. Der Mensch ist ein Ganzes, das auch nur als Ganzes betrachtet werden kann. Man sucht, wenn man ein Problem hat, immer nach der Lösung und schwankt dann herum zwischen dem, was die Ärzte sagen, dem, was die Therapeuten sagen, dann gibt es ja auch noch andere Richtungen, viele verlieren sich in der Esoterik oder verstehen Spiritualität falsch oder klammern sich noch an andere Dinge. Dabei gibt es nur einen Menschen, dem Du glauben solltest – nämlich Dich selbst. Da Du Dich aber hilflos fühlst und unnormal mit Deiner Angst, hast Du das Vertrauen in Dich selbst verloren und daher suchst Du nicht bei Dir selbst nach der Lösung, sondern außerhalb von Dir und greifst im Außen nach jedem Strohhalm, der sich Dir bietet. Ärzte, Tabletten, Fachärzte, Therapeuten, Kliniken usw., um am Ende feststellen zu müssen, wirklich geholfen hat Dir nichts. Natürlich gibt es Menschen, die aus einer Klinik kamen und waren ihre Ängste los, bei ca. 70 % aller Menschen funktionierte das aber nicht und bei weiteren 20 % kam die Angst irgendwann wieder. Wirklich geholfen wurde nur ca. 10 %. Mit den Ärzten ist es nicht anders, denn wirklich geholfen oder wirklich geheilt ist niemand, wenn er nur noch mit Tabletten überleben kann. Auch mir hatte niemand geholfen, weder ein Arzt noch ein Therapeut noch ein Hypnotiseur. Es half mir auch keine Aura-Fotografie, kein Heilpraktiker, kein Hokuspokus aus der Esoterik-Ecke, kein Glaube an Engel, keine Affirmationen, kein positives Denken und kein Gedankenstopp. Es halfen mir keine Selbsthilfegruppen und kein Lesen sämtlicher Bücher, die ich zu diesen Themen fand. Die Möglichkeit in Foren im Internet zu stöbern gab es damals noch nicht, Gott sei Dank, sonst hätte ich mich daran auch noch festgehalten oder an Dr. Google. Es half mir auch keine Religion und kein Wünsche senden ans Universum. Kurzum – es half mir überhaupt nichts mehr und das, weil ich nichts glauben konnte. Ich glaubte den Ärzten nicht, die mir sagten, es ist alles nur psychisch, denn ich hatte ganz reale körperliche Symptome und die waren so schlimm, dass ich oft dachte, jetzt ist es aus mit mir. Ich hatte das Gefühl, kein Arzt nimmt mich ernst, die denken alle, ich leide an Einbildung und sind froh, wenn sie mich nicht sehen, denn sie wussten nicht mehr, was sie mit mir machen sollten. Ich hatte bald täglich das Gefühl zu sterben und gleichzeitig Angst vorm Arzt, weil hier Welten aufeinander prallten. Ich mit meinen wirklich und echt empfundenen Symptomen und der Arzt mit seiner Aussage, ich bin gesund, ich habe nichts. Langsam kam ich mir vor wie verrückt und dachte, das gibt es doch nicht, ich bin doch nicht bescheuert, ich bilde mir das alles doch nicht ein. Ich glaubte aber auch meinem Therapeuten nicht, denn es fühlte sich für mich niemals stimmig an, mich mit Angstsituationen zu konfrontieren, ich hatte weder Angst vorm Supermarkt noch vorm Autofahren noch vor anderen Menschen, ich fühlte mich einfach permanent schlecht und geriet bei jedem kleinsten Anlass in Panik. Dabei spielte es mit der Zeit keine Rolle mehr, ob ich wirklich im Supermarkt war oder zuhause, es spielte mit der Zeit sogar keine Rolle mehr, ob ich allein zuhause war oder ob mein Mann oder eine Vertrauensperson dabei waren. Die Angst samt Symptome wurde einfach immer schlimmer und ich wusste nicht mehr, was ich noch tun sollte. In eine Klinik wollte ich nicht, ein innerer Widerstand hielt mich davon ab, weil ich dachte, wenn ich in eine Klinik gehe und dort Hilfe finde, dann klammere ich mich an der Klinik fest und will dort nie wieder heraus. Ich würde meine Selbständigkeit, die ich sowieso nur noch im Millimeterbereich hatte, komplett verlieren. Ich glaubte auch keinen Religionen, denn es nützte mir überhaupt nichts, an einen Gott zu glauben, der mich so leiden ließ und es nützte mir auch nichts, zu glauben, ich würde, wenn ich sterbe, irgendwann in den Himmel kommen, ich lebte ja noch und der Himmel war weit weg, wenn es überhaupt einen gab, denn das konnte mir auch niemand mit Sicherheit sagen.
Irgendwann kam ein Punkt, da beschloss ich, mich selbst auf die Suche zu machen, denn ich wollte einfach nicht so weiterleben. Ich las zu dieser Zeit alles, was mir unter die Finger kam, ich hatte viel Zeit, denn ich konnte ja meine Wohnung nicht mehr verlassen und hoffte immer, in irgendeinem Buch irgendeinen Hinweis zu finden, der mir weiterhelfen könnte. Ich las alles über Psychologie, Freud, Jung, Adler, über das Gehirn, über Astronomie und das Universum, die Bibel und Theosophie und den Koran, ich las sehr, sehr viel Esoterisches und Spirituelles, aber ganz ehrlich – all das gab mir nichts, denn ich konnte es nicht glauben. Ich las auch sehr viel Medizinisches, sehr viel Psychologisches über Geisteskrankheiten und das Funktionieren unserer Nerven, über das Immunsystem und Hormone, ich las Biographien von Menschen, die ähnliche Symptome hatten und je mehr ich las, umso weniger verstand ich. Ich sammelte ein unglaubliches Wissen an und irgendwann fragte ich mich: Wozu? All das Wissen half mir nichts, die Angst blieb und oft genug machte mir das, was ich las, noch mehr Angst. Es war alles so kompliziert, dass ich glaubte, aus diesem Elend gibt es keinen Ausweg, denn egal, was ich betrachtete, sei es die Medizin, die Psychologie, die Religion, die Esoterik, es widersprach sich ständig alles. Irgendwann kam der Punkt, da sagte ich mir: Ich glaube überhaupt nichts mehr und zwar absolut niemandem. Mein ganzes Wissen nützt mir nichts, wenn ich es mir nicht bestätigen kann, dass es auch wahr ist. Was mir andere Menschen erzählen, was mir Ärzte sagen oder Therapeuten, das ist alles schön und gut, aber scheinbar scheint das alles für mich nicht zu gelten, denn die Angst geht ja nicht. Wo liegt der Fehler? Haben sie Recht und ich Unrecht? Oder ist es vielleicht umgekehrt? Kurzum – ich wusste überhaupt nichts mehr, nicht wem ich glauben oder vertrauen sollte, noch wer Recht hatte und wer nicht. Es gab keinerlei Halt mehr für mich, es war alles schwammig und unstimmig und ich trudelte dazwischen herum und versuchte, mich irgendwo an irgendwas festzuhalten, das mir Sicherheit gab, aber ich fand keine. Ich war ein sehr misstrauischer Mensch, dem reines und blindes Glauben schon immer suspekt war. Mir fehlte das Vertrauen, einfach irgendjemandem zu glauben. Nicht aus Besserwisserei, sondern aus Misstrauen heraus und oft genug machte ich dieses Misstrauen für meine Angst verantwortlich. Wenn ich doch nur anderen glauben könnte, dann wäre ich sicher. Wenn ich an einen Gott glauben könnte, brauchte ich keine Angst vor dem Tod zu haben, wenn ich meinem Therapeuten glauben könnte, würde ich nicht so an der Konfrontationstherapie zweifeln, wenn ich den Ärzten glauben könnte, die mir allesamt sagten, ich bin gesund, dann hätte ich keine körperlichen Symptome. Es war zum Verzweifeln. Im Nachhinein betrachtet war dieses Misstrauen gut, denn hätte ich anderen einfach geglaubt, wäre ich nie auf diesen Weg aus der Angst gekommen.
So...