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E-Book

Artgerecht

13 Thesen für die Zukunft des Homo sapiens

AutorMarkus Strauß
VerlagFranckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783440161180
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Der Mensch hat sich im Lauf der Jahrhunderte so weit von einem artgerechten Leben entfernt, dass es höchste Zeit wird gegenzusteuern. Markus Strauß zeigt auf, wie sehr sich vor allem im 20. Jahrhundert unsere Lebensweise, Nahrung und die Qualität von Landschaft und Boden verändert haben. Was wir brauchen, ist eine 'natürliche Revolution'. In 13 Thesen macht er deutlich, wie wir den Wandel konkret einleiten und in ein neues, grünes Jahrtausend finden können. Denn nur so wird unsere Umwelt zu einem Raum der Natürlichkeit, der Freiheit des Einzelnen und des Miteinanders.

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Leseprobe

1 › Ehrliche Lebensmittel

Kraft aus der Natur statt künstliches Hightechfood

Nirgends ist die Globalisierung so weit fortgeschritten wie bei der Ernährung. Aus allen möglichen Ländern und Traditionen greifen wir heute Ideen und Impulse auf und kombinieren und experimentieren wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Aus kulinarischer Sicht bringt dies viel Spaß und Freude ins Leben und ist so gesehen wunderbar. Wir haben heute die größte Auswahl, selbst an exotischsten Zutaten aus aller Welt, die wir nicht nur im normalen Supermarkt, sondern auch beim Asiaten oder beim Türken um die Ecke erhalten. Dennoch ist die Erweiterung des Spektrums auf dem Teller nicht unbedingt als Fortschritt zu sehen. Schnell kommt hier Überforderung auf, denn das Durcheinander an am Genuss orientierten Rezepten und Zubereitungsarten, die Vielfalt der Zutaten sowie die unzähligen Ernährungstipps und Lehren schaffen am Ende vielleicht doch ein gehöriges Durcheinander im Verdauungstrakt.

Sozusagen »mulitkulti« im Darm – da kommt auch gleich das wichtige Thema der Darmbakterien mit auf den Esstisch, worauf ich später nochmals eingehe. Was sich im heutigen Essverhalten auch einschneidend geändert hat: Wir kochen immer weniger zu Hause und essen dafür immer mehr unterwegs. Entweder holen wir uns international einheitliches Fast Food »to go«, nutzen Lieferdienste verschiedenster Art, verbringen die Mittagspause in Kantinen oder beim Imbiss, oder wir machen schnell etwas in der Mikrowelle warm. Gedanklich überfordert sind wir gesamtgesellschaftlich offensichtlich auch, wenn es um den Zusammenhang zwischen Ernährung und Umwelt geht: Noch nie wurde so viel giftige Agrarchemie eingesetzt, war das Leid der Tiere in den Massenhaltungen so groß und die Menge an Gülle so riesig. Und noch nie war die Qualität der industriell hergestellten Nahrungsmittel so schlecht.

Alternativ gibt es hervorragende biologisch erzeugte Lebensmittel, doch deren Marktanteil liegt heute trotz Bioboom immer noch bei unter 10 Prozent. Der große Rest stammt aus konventioneller oder industrieller Produktion. Deren Produkte bezeichne ich konsequent als »Nahrungsmittel«, aber niemals als ehrliche und wirklich lebendige Lebensmittel, die uns im echten Wortsinn als »Mittel zum Leben« dienen können. Und als ob das alles nicht schon genug wäre, ist da ja noch das große Thema Ernährung und Gesundheit – spätestens jetzt tauchen Widersprüchlichkeiten auf und wird die Überforderung so groß, dass uns der Kopf schwirrt. Im Gegensatz zu einem wilden Tier, welches sehr wohl aus sich heraus weiß, welche Art der Ernährung ihm zuträglich und damit artgerecht ist und welche eben nicht, haben wir Menschen diesen direkten Zugang zu uns selbst offensichtlich verloren. Die Krone der Schöpfung weiß inzwischen nicht mehr, was sie essen soll?! Da lachen ja die Biohühner (den konventionellen Hühnern ist das Lachen schon längst vergangen ...). Doch die bittere Wahrheit ist: Wir sind auf tragische Weise »getrennt« von uns selbst. Wären wir dies nicht, wüssten wir doch intuitiv, welche Nahrung uns zuträglich ist, welche Produkte im Supermarktregal stehen sollten und welche nicht. Das Thema hat auf einer höheren geistig-spirituellen Ebene somit auch mit der Rückverbindung zu unserem wahren Wesen zu tun. Ohne Verbindung zu uns selbst sind wir in der scheinbar ausschließlich rational erklärten Welt empfänglich für allerlei Lehren, Diäten und Philosophien. Die Art, wie wir uns ernähren, ist für viele Suchende zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität erhöht worden. Viele praktizieren diese wie eine Art Ersatzreligion. Zumindest schimmern hier durchaus christlich-religiöse Konzepte durch, wenn man in einem schwachen Moment glaubt, eine Ernährungssünde begangen zu haben.

Verschiedene Strömungen und Entwicklungen im Bereich Ernährung sind also heute im Umlauf. Da gibt es zum einen die graduellen Abstufungen beim Weglassen von Fleisch und anderen tierischen Produkten. Da gibt es namentlich also die Flexitarier1, die Pescitarier2, die Ovo-lacto-Vegetarier3, die Lacto-Vegetarier4 und die Veganer5. Bei den Kohlenhydraten gibt es die Polarität zwischen Lowcarb6 und Highcarb7, die ketogene Ernährung8, die glutenfreie Ernährung9, die Paleoernährung10 sowie die Mittelmeerernährung. Schließlich gibt es noch große Unterschiede in der Art der Zubereitung: Im aus Indien kommenden Ayurveda und in der 5-Elemente-Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin sollen je nach Typus viele Nahrungsmittel ausschließlich gekocht verzehrt werden. Die Traditionelle Europäische Medizin kennt die »Vier-Säftelehre« oder die »Vier-Temperamentenlehre«, die je nach Typus unterschiedliche Nahrungsmittel und Zubereitungsarten empfiehlt. Und dann gibt es noch die Rohköstler, die nichts über 42 Grad erwärmen. Oder die Frutarier, die nur das essen, was direkt vom Baum fällt. Clean Eating ist ein relativ neuer Ernährungstrend, der sich auf die Verwendung ausschließlich natürlicher Nahrungsmittel mit mehreren kleineren Mahlzeiten über den Tag verteilt bezieht. Und dann rücken glücklicherweise unsere kleinsten Mitbewohner, die Darmbakterien ins Rampenlicht, besonders seit dem Erfolgstitel »Darm mit Charme«11. Inzwischen kennt und benennt die Wissenschaft die drei hauptsächlichen Bakterienprofile bzw. Enterotypen Prevotella, Bacteroides und Ruminococcus. Diese sind weltweit bunt gemischt, unabhängig von Alter, Geschlecht und Rasse. Die einen können fast alles gut verwerten, die anderen eher Fleisch und die dritten eher pflanzliche Kost. In jedem Fall sind es 100 Billionen Kleinstlebewesen, mit denen wir uns gut stellen sollten. In diesem Bereich wird die Forschung sicherlich noch weiter Spannendes zu berichten wissen.

Die beiden Autoren und Wissenschaftler Andrea und Florian Überall skizzieren in ihren beiden Büchern zur EssMedizin12, welche Auswirkungen »falsche« oder zu wenige »richtige« Bakterien haben. Sie zeichnen das Ungleichgewicht im Darm verantwortlich für die verschiedensten Symptome wie Bauchfett, Entzündungen, Bluthochdruck, Diabetes Typ 2 usw. Hausgemachte Funktionsstörungen, die beispielsweise durch ausreichend Bitterstoffe sowie fermentierte Nahrung verbessert werden können. Hier zeigt sich auch eine schöne Analogie zur miserablen Qualität unserer Ackerböden: Mit viel Gift und grober Behandlung geht die wertvolle Bodenkultur zu Grunde. Essen wir das Gift in den Pflanzen und stark verarbeitete Nahrungsmittel, geht auch unsere Darmkultur und Gesundheit flöten.

Sehr gerne wird auch der völlig nichtssagende Begriff einer »ausgewogenen« Ernährung verwendet, unter dem jeder alles verstehen kann, aber nichts verstehen muss. Das ist sehr praktisch, da sich damit jeder wohl und irgendwie richtig fühlen kann. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. ist als »neutral getarntes« Sprachrohr der Ernährungsindustrie mit ihrer Pyramide und ihren Empfehlungen regelmäßig mit Anpassungen beschäftigt. Da steckt natürlich ein wenig Ironie dahinter, denn die enge Verknüpfung dieser Institution mit der Lebensmittelindustrie lässt nicht unbedingt den Schluss zu, dass hier der Weisheit letzter Schluss liegt. Und immer pünktlich zu Beginn eines neuen Jahres erscheinen die ultimativen Diäten in diversen Frauenzeitschriften von Brigitte bis Tina und neuerdings auch für Männer in Men`s Health und im GQ-Magazin. Da sich inzwischen das Phänomen des Jo-Jo-Effektes auch in den Mainstreammedien herumgesprochen hat, werden bei den Diäten immer mehr die gesundheitlichen Aspekte hervorgehoben und nicht unbedingt die reine Gewichtsreduktion. Und ja, viele dieser Ernährungsempfehlungen und Richtungen behaupten, dass wir genau so und nicht anders ein langes und gesundes Leben erwarten können. Sie beziehen sich in ihrer Begründung natürlich oftmals auf Studien, die die Ernährungsgewohnheiten und den Gesundheitszustand verschiedener Bevölkerungsgruppen unter die Lupe genommen haben und in ihren Statistiken den Stein der Weisen gefunden zu haben scheinen. Oft wird auch auf die paradiesischen Ernährungszustände der Steinzeit Bezug genommen. Darauf gehe ich später noch ein. Doch so viel schon vorweg: Keine dieser Studien oder Lehren hat meiner Ansicht nach Unrecht – und keine hat Recht.

Klingt verrückt, ich weiß. Was ich aber meine, ist das Folgende: Wenn ich mir in der Menschheitsgeschichte eine Zeitperiode oder eine bestimmte Lebenssituation einer Kultur als Beleg herauspicke, ist es immer möglich, einen scheinbaren Beweis zu finden. Allerdings gibt es auch immer gleich mehrere Gegenbeispiele. So kommt man hier also nicht weiter. Meiner Meinung nach sollten wir beim Thema Ernährung genau so, wie im Folgenden bei anderen Themen, wieder des großen Bildes gewahr werden und die großen Zusammenhänge und Entwicklungslinien unserer Menschheitsgeschichte betrachten. Aus dieser übergeordneten Perspektive lassen sich die Details dann meist viel leichter passend sortieren – oder sind klar als Irrweg zu erkennen. Kümmern wir uns also nun um diesen Überblick und lenken dabei immer auch den Blick auf die Qualität der in der jeweiligen Epoche verzehrten Lebensmittel. Denn Qualität leidet in einem System, dessen Werte fast ausschließlich monetär und ökonomisch definiert sind, immer.

Seit 2,7 Millionen Jahren: wilde Lebensmittel

Die Sammler- und Jägergemeinschaften der Steinzeit ernährten sich vor allem von essbaren Wildpflanzen. Dies waren allerdings nicht nur Kräuter, sondern war auch Essbares von Sträuchern und Bäumen. Hier bietet uns die Natur auch heute noch eine Fülle an Lebensmitteln wie Blattgrün,...

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