Die eigenen Wünsche wahrnehmen
... es sprechen viele Anzeichen dafür,
dass die Zukunft in uns eintritt,
um sich in uns zu verwandeln,
lange bevor sie geschieht.
RAINER MARIA RILKE
Mal ehrlich – die meisten von uns Frauen haben die Eigenart, ihre eigenen Bedürfnisse hintanzustellen; hinter die Bedürfnisse der Kinder, des Ehemanns, der Elternfamilie oder auch der Firma oder eines Vereins. Wenn wir für die Erfüllung unserer eigenen Wünsche und Bedürfnisse sorgen, begleitet uns zumindest ein schlechtes Gewissen.
Liebe Leserin, wenn Sie jetzt denken: Nein, damit habe ich überhaupt kein Problem, dann sollten Sie dieses Kapitel überspringen.
Uns anderen, und glauben Sie mir, dazu gehört die Mehrzahl der Frauen, fällt es nicht leicht, die eigenen Wünsche zu formulieren und aktiv zu werden, um sie zu erfüllen. Unser Verantwortungsgefühl, das wir für die Menschen in unserem näheren Umkreis empfinden, stoppt uns regelmäßig darin, uns selbst wichtig zu nehmen. So wurden wir erzogen – bewusst oder unbewusst, und jetzt müssen wir erst einmal wieder lernen, dass es auch andere Sichtweisen gibt. Aber ziehen Sie ruhig einmal in Betracht, dass die lieben Menschen in Ihrem Umfeld nichts davon haben, wenn Sie sich für sie aufopfern und dabei selbst früher oder später „am Stock“ gehen. Wenn Sie dann wegen Überlastung oder Krankheit ausfallen, hat niemand etwas davon. Wie viel schöner wäre es doch, wenn Sie fröhlich und beschwingt den Alltag bewältigen könnten, weil Sie anderweitig Kraft und Energie getankt haben, weil Sie sich nämlich Ihre Bedürfnisse erfüllt haben.
Oftmals stellt es sich für uns so dar, als ob wir gar keine andere Wahl hätten, als das zu tun, was im Moment gerade dringend zu erledigen ist. Damit stolpern wir schon in die erste „Denkfalle“. Wir sollten unterscheiden zwischen wichtigen und dringenden Angelegenheiten. Die dringenden Sachen sind nicht unbedingt wichtig! Oftmals hat ein anderer Mensch sie uns als dringend „verkauft“. Kinder können das übrigens sehr gut. Oder wir haben es so lange vor uns hergeschoben, eine Angelegenheit zu erledigen, bis sie dringend geworden ist. Dringend bedeutet fast immer „unter Zeitdruck“, wichtig bedeutet „von großer Bedeutung“. Das ist ein riesiger Unterschied.
Da die erste Hürde für die Erfüllung unserer Wünsche und Bedürfnisse oft ein Zeitmangel ist, lohnt es sich ganz besonders, dringende Dinge von wichtigen Dingen zu unterscheiden und dabei einige immer wiederkehrende „Zeiträuber“ aufzuspüren.
Zeiträuber aufspüren
Machen Sie sich doch einfach einmal eine Liste mit den Dingen, die Sie täglich erledigen. Ich schlage vor, Sie tun das etwa eine Woche lang. Nehmen Sie ein Blatt Papier, machen eine breite Spalte und drei schmälere und schreiben in die Kopfzeile:
Was ich täglich tue wichtig dringend anderes.
Nun schreiben Sie in die erste Spalte all die Dinge, die Sie an einem Tag erledigen. Dann schauen Sie sich alles an: Schreiben Sie neben diese Dinge in die entsprechenden Spalten erstens wichtig, zweitens dringend und drittens anderes. Auf diese Weise haben Sie recht schnell einen Überblick. Dieser Überblick verschafft Ihnen Durchblick: Nachdem Sie nun klare Sicht haben, können Sie auch etwas ändern! Jetzt können Sie sich Zeit schaffen für die Dinge, die Sie wirklich wollen!
Ich gebe Ihnen ein kleines Beispiel, wie Sie Zeit sparen können: Wenn Sie zum Beispiel auf Ihrer Liste entdecken, dass Sie vier- oder gar fünfmal in der Woche einkaufen gegangen sind, dann versuchen Sie es einmal mit einem Speiseplan für die ganze Woche. Egal, ob Sie für sich allein kochen oder eine sechsköpfige Familie zu versorgen haben, ein Wochenplan für die Essensversorgung ist auf jeden Fall eine große Hilfe. An einem fest definierten Tag, am besten sonntags, erstellen alle Personen, die in der nächsten Woche bekocht werden wollen, zusammen einen Speiseplan für jeden einzelnen Tag. Diese gemeinsame Planung hat zum einen den Vorteil, dass Sie sich nicht mehr allein den Kopf darüber zerbrechen müssen, was Sie täglich kochen, und den weiteren Vorteil, dass später keiner der Beteiligten über die Auswahl meckern kann. Die Harmonie beim Mittagessen wäre auf diese Weise schon einmal hergestellt. Das hat aber auch Vorteile beim Einkaufen: Wenn Sie die Speisen der Woche gut aufeinander abstimmen, brauchen Sie nur noch zweimal pro Woche einkaufen zu gehen – das ist nervenschonend und bringt Ihnen eine unglaubliche Zeitersparnis.
Die zweite Hürde, die sich der Erfüllung unserer Wünsche in den Weg stellt, ist die Tatsache, dass wir oft gar nicht wissen, was wir wollen. Oder wir wissen nicht mehr, was wir wollen. Oftmals haben wir unsere Wünsche so verdrängt hinter unserer Verantwortung und dem Druck, funktionieren zu müssen, dass wir uns erst wieder besinnen müssen, um unsere Wünsche (wieder) neu zu entdecken. Nun, dann machen wir uns auf die Suche!
Kommen Sie Ihren Wünschen auf die Spur!
Sie brauchen nur ein wenig Zeit, einen Stift und ein Blatt Papier. Am effektivsten ist die Suche, wenn Sie dabei die Bewertung weglassen. Das heißt, nehmen Sie sich etwas Zeit (die haben Sie ja jetzt beim Einkaufen eingespart!), machen Sie es sich angenehm und schalten Sie einmal 15 Minuten lang die Gedanken an alles aus, was noch erledigt werden muss. (Es funktioniert, Sie müssen es nur wollen!) Dann erlauben Sie allen Wünschen, an die Gedankenoberfläche zu kommen, und schreiben Sie ALLE auf. Auch diejenigen, die Ihnen erst einmal unrealistisch erscheinen. Bitte nehmen Sie nicht gleich eine Bewertung oder Beurteilung vor, sondern schreiben Sie alles hin. Dieses Blatt braucht ja außer Ihnen niemand zu sehen. Bewahren Sie das Blatt gut auf. Auch wenn Sie die nächsten Tage nicht darauf schauen, werden die Gedanken an Ihre Wünsche in der nächsten Zeit in Ihnen weiterarbeiten.
Die dritte Hürde, die uns immer davon abhält, unsere Wünsche zu erfüllen, ist die Tatsache, dass wir unsere eigenen Wünsche nicht wichtig genug nehmen.
Wie eingangs erwähnt, hinkt die Wertschätzung der eigenen Wünsche meist hinter dem Wert, den wir den Wünschen anderer zuschreiben, hinterher. Die Wertschätzung Ihrer Wünsche steht jedoch in direktem Zusammenhang mit der Wertschätzung, die Sie Ihrer eigenen Person entgegenbringen! Und das geht sogar noch weiter. In dem Maße, in dem Sie sich selbst gering schätzen, werden auch andere dazu ermuntert, Sie gering zu schätzen! Wenn Sie also wollen, dass die Menschen um Sie herum Ihre Person wertschätzen und die Arbeit, Versorgung, Bemühungen, die Sie ihnen angedeihen lassen, auch, dann sorgen Sie zuerst einmal dafür, dass Sie sich selbst wertschätzen. So wie Sie sind!
Vielleicht haben Sie eine krumme Nase oder breite Hüften oder große Hände. Vielleicht mögen Sie Ihre Haare nicht, oder Sie finden Ihren Mund zu klein. Egal, was es ist, was Sie selbst an sich stört – Sie können es nicht ändern! Sie können nur anders damit umgehen! Nehmen Sie sich so an, wie Sie sind; mit all Ihren Mängeln und all Ihren Vorzügen. Und sehen Sie vor allem Ihre Vorzüge.
Sollten Sie damit Schwierigkeiten haben, dann fragen Sie doch einmal die Menschen in Ihrer Umgebung. Begegnen Sie ihnen ehrlich und fragen Sie sie, was sie an Ihnen gut finden und was schlecht. Einzige Voraussetzung dafür ist Ihre absolute Ehrlichkeit. Dann werden Sie in den meisten Fällen überrascht sein, wie viele Eigenschaften Sie haben, die für andere wertvoll sind. (Aber seien Sie vorsichtig! – Ständige Hilfsbereitschaft und aufopfernde Hingabe zählen nicht zu den Dingen, die wir unter „positiv“ einstufen können.)
Nun möchte ich Sie ermuntern, einmal Ihre Wünsche etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Darunter sind sicherlich große und kleine Wünsche. Vielleicht würden Sie gerne einmal im Monat ins Kino gehen oder alle 14 Tage einen netten Abend mit Leuten verbringen, die Sie gerne um sich haben. Eventuell haben Sie sich schon lange gewünscht, Gesangsunterricht zu nehmen. Schauen Sie sich Ihre Wünsche genauer an. Und nehmen Sie sie ernst!
Mit Ihren Wünschen können Sie es genauso machen wie mit allen anderen Lösungsprozessen:
Nehmen Sie Ihre Wünsche unter die Lupe!
- Stellen Sie den Istzustand fest (möglichst neutral). Welche Wünsche erfüllen Sie sich schon, welche sind unerfüllt? Gibt es etwas, was Sie nur halbherzig machen? Gibt es Wünsche, die Sie sich noch nie erfüllt haben? Schreiben Sie alles auf!
- Definieren Sie Ihr Ziel, machen Sie sich eine klare Vorstellung (z. B. „Einmal wöchentlich schwimmen gehen“)
- Überlegen Sie sich verschiedene Lösungen, wie Sie dieses Ziel möglich machen können (z. B. wo kann ich Zeit einsparen, Babysitter u. ä.)
- Entscheiden Sie sich für die beste aller Lösungsmöglichkeiten – und tun Sie...