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E-Book

Aus Mehemed Alis Reich

Vollständige Ausgabe

AutorHermann Pückler-Muskau
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl512 Seiten
ISBN9783849633431
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Muhammad Ali Pascha (türkisch Mehmet Ali Pascha) war 1805 bis 1848 Vizekönig von Ägypten sowie osmanischer Pascha. Er begründete die bis 1953 regierende ägyptische Herrscherdynastie und erreichte eine relative Unabhängigkeit Ägyptens vom Osmanischen Reich. Pückler-Muskau erzählt hier von seiner Reise durch Ägypten und den Sudan um 1840.

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Leseprobe

 


Wenn man das Arsenal zum erstenmal betritt und diese kolossale Anstalt mit solid und schön aufgeführten Gebäuden in ihrer ganzen unermeßlichen Ausdehnung überblickt, eine Anstalt, die den meisten ihrer Art in Europa in nichts nachsteht, ja sie in manchen Dingen noch übertrifft, wenn man die größten Schiffe dort im Bau begriffen und lange Magazinreihen mit allem Nötigen angefüllt vorfindet, um eine doppelte Anzahl derselben auf der Stelle vollständig equipieren zu können – wenn einem dann gesagt wird, daß auf dieser selben Stelle vor acht Jahren noch das Meer seine Wogen rollte und die ganze prachtvolle Flotte, die jetzt den Hafen füllt, aus eben diesem Arsenal erst hervorging, so glaubt man fast ein Märchen zu hören. Bedenkt man endlich noch, daß diese Wunder der Tätigkeit und Einsicht in einem Lande der vollendetsten Barbarei, in welchem damals kaum ein einziges der dazu erforderlichen Mittel, Arme und Hände ausgenommen, noch vorhanden waren, durch den unerschütterlichen Willen eines einzigen gegen die Meinung aller seiner Landsleute geschaffen worden sind, so muß sich das Staunen verdoppeln und man gestehen, daß seit den Zeiten Peters des Großen kaum irgendein europäischer Souverän ähnliches in gleicher Zeit zu bewerkstelligen imstande war. Demohngeachtet rastet Mehemed Alis kühner Geist auch jetzt noch nicht, und man ist eben mit einem fast gleichen Riesenwerke beschäftigt, nämlich dem Meer und einem 100 Fuß tiefen, sich darunter hinbreitenden Schlammboden ein beliebig trocken zu legendes Bassin für die ganze Flotte abzugewinnen. Die ungeheuren, mit Steinen angefüllten Kasten, die man zum Behuf der Versenkung auf den Chantiers konstruiert und deren schon viele eingesenkt sind, erreichen ziemlich die Größe der Linienschiffe. Man zweifelt fast allgemein an der Möglichkeit des Gelingens, nur Mehemed Ali zweifelt nicht, denn er kennt, wie Napoleon, das Wort «unmöglich» nicht. Einer der fremden Konsuln sagte ihm abratend: «Euer Hoheit werfen Ihr Geld ins Meer!» – «Allah kherim!» erwiderte der Vizekönig, «seit vielen Jahren tue ich nichts anderes!»

 

In der Tat mußte Mehemed Ali viel Lehrgeld geben, ehe er zum Zwecke kam, aber eben daß er dieses nie scheute und immer wieder von neuem begann, bis der Erfolg Beharrlichkeit krönte, macht ihn zu dem großen Manne, der er ist. Einem meiner Freunde, der ihm einst vorwarf, sich fortwährend von Abenteurern und unwissenden Projektmachern täuschen und betrügen zu lassen, gab er in dieser Hinsicht eine merkwürdige Antwort. «Ich weiß», sagte er, «daß unter fünfzig Menschen, die aus Europa kommen, mir ihre Dienste anzubieten, neunundvierzig nur unechten Edelsteinen gleichen. Ohne sie zu erproben, kann ich aber den einen echten Brillanten, der vielleicht darunter sein mag, nicht herausfinden. Ich kaufe sie also vorläufig alle, und habe ich dann den rechten entdeckt, so ersetzt er mir oft allein den erlittenen Verlust hundertfältig.» Ein solcher echter Brillant für den Vizekönig ist jetzt Besson, und früher war es Herr von Cerisy.

 

Schon über eine Million Geld und ein Jahr Zeit hatte Mehemed Ali auf sein Arsenal verwandt, als dieser ausgezeichnete Franzose, nur mit geringen Empfehlungen versehen, in Alexandrien ankam. Er ward dem Vizekönig vorgestellt, der ihm gleich nach der ersten Unterhaltung auftrug, den neuen Bau zu untersuchen und ihm seine Meinung darüber mitzuteilen. Der sehr aufrichtige und etwas barsche Cerisy machte den kurzen, aber energischen Rapport, daß alles bisher Aufgeführte nicht nur nichts tauge, sondern selbst der Ort, den man dazu gewählt, ganz unpassend sei. Man kann sich denken, welche Interessen ein solcher Ausspruch beleidigen, welche Intrigen er hervorrufen mußte! Mehemed Ali, ohne sich irre machen zu lassen, befahl dem Herrn von Cerisy, ihm in einem detaillierten Mémoire die Sache genauer auseinanderzusetzen und zugleich einen neuen Bauplan, ganz nach seiner individuellen Ansicht, einzureichen. Nachdem er diesen sorgfältig geprüft und des Franzosen siegende Gründe ihn überzeugt hatten, ließ er auf der Stelle den alten Bau sistieren, vergaß die unnütz verwandten Summen, und der neue begann in demselben Moment. Hier war, sozusagen, Meer und Land erst zu schaffen, doch nichts hielt den Vizekönig auf. Das Wasserbassin ward ausgegraben, das fehlende Land aufgekarrt, und schon nach vier Jahren wurden mehrere der größten Linienschiffe aus dem fertigen Arsenal vom Stapel gelassen, das gleich ihnen aus dem Nichts hervorgerufen worden war. Dies sind Charakterzüge eines Reformators, eines Mannes, der einer Idee und nur ihr lebt und von keiner Schwierigkeit abgeschreckt wird – leider nur zu abstechend gegen die Unentschlossenheit, die kleinlichen, ärmlichen Rücksichten und Mittelchen, die wir so häufig im altersschwachen Europa angewendet sehen, ohne damit je aus den provisorischen Zuständen herauszukommen. Um jedoch auch die Schattenseite der hiesigen Unternehmung nicht zu übergehen, so kann allerdings nicht geleugnet werden, daß Mehemed Alis zu große Ungeduld im Verfolg seiner Pläne ihm vielen Nachteil gebracht und noch größeren bringen wird. Cerisy ward, trotz seiner wiederholten Gegenvorstellungen, gezwungen, seine Schiffe aus zu frischen Hölzern zu erbauen, infolgedessen die ganze Flotte den Keim ihres Verderbens vor der Zeit in sich trägt. Der Vizekönig war dafür nicht blind, aber er bewog Cerisy dadurch zum Gehorsam, daß er ihm sagte: «Ich brauche diese Schiffe, und ich brauche sie bald! Haben sie ihren Dienst erst getan, wie ich hoffe, so mögen sie nachher immerhin zwanzig Jahre früher verfaulen.» Das Schicksal hat diese Hoffnung nicht erfüllt, man kann jedoch nicht behaupten, allein durch Mehemed Alis eigne Schuld.

 

Es kann meine Absicht nicht sein, das hiesige Arsenal im Detail zu beschreiben, da dergleichen Etablissements hinlänglich bekannt sind und sich überall mehr oder weniger gleichen müssen. Ich hebe nur einiges hervor, was mir besonders auffiel. Dahin gehört die vortrefflich eingerichtete Seilerwerkstatt, welche der von Toulon an Größe gleicht und sie an Zweckmäßigkeit der Einrichtung übertrifft. Auch ist hier die ingeniöse, von einem Franzosen erfundene neue Maschine zur Drehung der Taue in Wirksamkeit, deren Arbeit mir an Schnelligkeit und Güte der besten englischen dieser Art nichts nachzugeben schien.

 

An Ordnung und skrupulöser Reinlichkeit, sowohl in den Magazinen als in den Arbeitslokalen, stehen die französischen Arsenäle, die ich gesehen, dezidiert dem hiesigen nach. Eine vortreffliche Einrichtung unter andern ist die, daß nach Feierabend alle über Tag gebrauchten Instrumente an den Wänden und Pfeilern in verschiednen, ein für allemal angeordneten, zierlichen Dessins, wie es zum Schmuck der Waffensäle üblich ist, von den Arbeitern aufgehangen werden müssen, bevor diese das Lokal verlassen dürfen. Dies gibt nicht nur eine elegante Dekoration, sondern hat auch den Vorteil, daß nie Instrumente verlegt oder verloren werden können, eine Entwendung aber auf der Stelle sichtbar wird. Diese wie so viele andere zweckmäßige Einrichtungen dankt das Arsenal hauptsächlich der nie rastenden Fürsorge des Generals Besson, der den genialen Gründer desselben, den für Ägypten unsterblichen Cerisy, so würdig ersetzt hat.

 

In den Magazinen erblickt man, die feinern nautischen und mathematischen Instrumente ausgenommen, jetzt nur noch wenig europäische Produkte. Waffen, Papier, Kleidung, Leinwand, Lederwerk, Tuch (das letztere zum Teil aus Baumwolle), alles ist schon aus ägyptischen, vom Vizekönig angelegten Fabriken bezogen.

 

Drei Linienschiffe befanden sich in diesem Augenblick im Bau, unter Chantiers, die das Klima hier erlaubt, unbedeckt zu lassen. In den aus großen Quadern bestehenden Untermauern derselben waren mehrere antike Granitsäulen und ägyptische Figuren nicht ohne Geschmack angebracht, was als ein Beweis der fortschreitenden muselmännischen Zivilisation auch in ästhetischer Hinsicht der Erwähnung wert ist.

 


Die Flotte

 

Die effektive Seemacht Ägyptens im Jahre 1837 bestand aus

 

 

 

                              Kanonen u. Coronn.                      Pfünder        Schiffsmannsch.

 

 

 

Linienschiffen:                                                                               

 

Acre                      ...

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