»Maria kam zehn Tage über Termin, leider mit Einleitung nach drei Tagen Wehen vaginal auf die Welt. Seitdem weint sie viel, ist immer unruhig und möchte am liebsten 24 Stunden an meiner Brust nuckeln. Das ist bisher die einzige Möglichkeit, sie zu beruhigen. Ablegen kann ich sie kaum, mein Mann und ich schlafen abwechselnd halb sitzend mit ihr auf dem Sofa.«
In den vielen Jahren der Behandlung von Neugeborenen konnte ich immer wieder nur staunen darüber, wie rasch die Nachsorge mit Osteopathie und Homöopathie einem Baby hilft, sich von einer schweren Geburt zu erholen und ihre Beeinträchtigungen hinter sich zu lassen, um unbeschwert sein Leben zu beginnen. Für eine professionelle Behandlung muss nichts abgewartet werden, sie kann erfolgen, sobald die Eltern sie wünschen und Zeit dafür haben. Hier zeige ich Ihnen aber auch, wie Sie selbst als Eltern Ihrem Baby in diesem Sinne viel Gutes tun können.
In meiner Praxis sehe ich häufig Babys, für die ihre Geburt nicht einfach war, sodass sie ihnen, wie man sagt, noch in den Knochen steckt und ihr Nervensystem belastet. Ein solcherart gestresstes Baby verhält sich wie in steter Alarmbereitschaft: Es ist schreckhaft und geräuschempfindlich, reagiert mit ängstlicher Nervosität auf alle neuen Eindrücke. Stressmuster nach einer unbewältigten Geburtserfahrung äußern sich mit vermehrter Unruhe und Unwohlsein, mit ruhelosem Schlaf und besonders leicht auslösbarem Moro-Reflex. Gestresste Babys finden auch beim Stillen oft nicht die Entspannung, die ihre Mama sich dabei erhofft. Dann trinken sie unruhig, wirken sogar an der Brust unzufrieden oder weinen zwischendurch. Nach dem Trinken revoltiert vielleicht ihr Magen und sie fühlen sich wieder nicht wohl, obgleich sie satt sind. Die Art und Weise, wie das Baby auf die Welt gekommen ist, kann spezielle Beeinträchtigungen mit sich gebracht haben:
- Nach einer »überstürzten« Geburt.
Bei einer extrem schnellen Geburt »stürzt« das Baby nach schier pausenlosen Wehen plötzlich aus seiner eng eingehüllten Welt ziemlich unvorbereitet in einen schockierend grenzenlosen Raum. Das hat manchmal ganz ähnliche Folgen wie ein leichtes Schleudertrauma, mit Schmerzen und Steifheit im Nacken sowie Kopfschmerzen.
- Nach dem »Kristellern«.
Mit dem nach seinem Erfinder benannten »Kristeller-Handgriff« will man beim Herausschieben des Babys helfen, indem man mit ganzer Breitseite und aller Kraft von außen auf Mamas Bauch drückt, um die Geburt auf den allerletzten Zentimetern maximal zu beschleunigen. Das kann für das Baby mit einer Stauchung im Bereich von Köpfchen und Halswirbelsäule verbunden sein.
- Nach der Saugglocke.
Durch einen leichten Zug am Köpfchen mit einer kleinen Saugglocke wird dem Baby in den letzten Minuten der Geburt zu einem beschleunigten Durchtritt verholfen, oft wird gleichzeitig kristellert. Das hat manchmal Verschiebungen der Schädelknochen im Schädeldach zur Folge, die sich auch auf die Knochen der Schädelbasis auswirken können. Weil dort durch winzige Öffnungen die Nerven verlaufen, die den Schluckreflex mit auslösen, kann es zum Beispiel Probleme beim Saugen und Schlucken geben, die vielleicht selbst nicht auffallen, aber zu vermehrtem Spucken und Bauchweh führen.
- Nach einem Kaiserschnitt.
Bei der »Bauchgeburt« wird das Baby durch eine möglichst klein gehaltene Öffnung mit leichtem Zug und Druck aus der Gebärmutter geholt. Dabei kann es zu einer Zerrung des entsprechenden Bindegewebes kommen. Je nachdem aus welcher Lage das Baby hier befreit wird, mit dem Kopf oder Po voran, war es für Halswirbelsäule/Schultergürtel oder Lendenwirbelsäule/Hüftgelenke belastend.
- Nach einer Beckenendlage.
Befand sich das Baby in Beckenendlage, saß es praktisch bis zuletzt in der Gebärmutter und konnte seine Beine noch weniger bewegen als in der Schädellage. In der Folge ist seine Hüftmuskulatur recht fest und braucht Zeit, sich zu lockern.
- Nach einer Verlegung auf die Intensivstation.
Müssen die Mutter und ihr Neugeborenes getrennt werden, wirft das beide in eine intensive, emotionale Krise, selbst wenn es lebensnotwendig ist, wie zum Beispiel nach einer Frühgeburt. Der seelische Schmerz über die frühe Trennung kann oft erst dann zugelassen und bewältigt werden, wenn die Krise überstanden ist. Wie bei der Überwindung eines jeden tiefen Kummers hilft es, oft und immer wieder darüber zu reden. Darüber hinaus kann ein entsprechendes homöopathisches Mittel Erleichterung bringen und auch dem Baby helfen (siehe im Folgenden den Abschnitt unter der Überschrift »Homöopathische Nachsorge«).
Osteopathische Selbsthilfe
Eine osteopathische Selbstbehandlung ist einfach durchzuführen und hilft Ihrem Baby, den Geburts-Stress zu verarbeiten. Gleichzeitig fördert sie die liebevolle Kontaktaufnahme zwischen Ihnen und Ihrem Baby.
Osteopathische Selbsthilfe: Babys Köpfchen entspannen
- Babys Köpfchen entspannen.
Legen Sie Ihr Baby auf den Wickeltisch und zwar andersherum als sonst, die Füßchen Richtung Wand, sein Köpfchen bei Ihnen. Entspannen Sie Ihre Schultern und reiben Sie Ihre Handflächen aneinander, damit sie warm werden. Schieben Sie zuerst eine Hand sachte unter Babys Köpfchen, sodass sein Hinterkopf in Ihrem Handteller liegt. Dann schieben Sie die zweite Hand nach, sodass Ihre beiden Hände unter Babys Köpfchen eine Schale bilden, in der es ruht. Hat es eine Geburtsgeschwulst (Hämatom) oder eine Schwellung von der Saugglocke, legen Sie Ihren Handteller federleicht ganz sanft darauf. Spüren Sie nur still Ihren Kontakt zueinander, lassen Sie Ihre Atmung ruhig fließen und verweilen Sie einfach für ein paar Minuten damit. Ohne Ihre Hände zu bewegen, gehen Sie sozusagen in Kontakt mit Babys Schädelknochen. Stellen Sie sich vor, dass sie sich zueinander entspannen und jeweils ihre beste Position finden. Sie bekommen einen leichten Impuls, Asymmetrien aufzulösen, allein durch Ihr aufmerksames Hinspüren in der kontaktvollen Berührung.
- Babys Schultern entspannen.
Fällt Ihnen auf, dass Ihr Baby oft die Schultern hochgezogen hat? Das ist ein Stressmuster aufgrund einer geburtsbedingten Stauchung oder Zerrung im Nackenbereich, und Sie können Ihrem Baby helfen, es zu lösen. Hochgezogene Schultern sind verbunden mit unangenehmen Nackenspannungen und können den Moro-Reflex verstärken, die frühkindliche Scheckreaktion. Legen Sie Ihre warmen, aufmerksamen Hände auf seine Schultern, Ihre Finger zeigen zueinander. Lassen Sie Ihre Hände sich ganz langsam, maximal einen Millimeter auseinander bewegen, während sie ein klein wenig schwerer werden – so helfen Sie Babys Schultern, sich ganz sanft und minimal nach unten zu dehnen. Sie geben ihnen nur einen kleinen Impuls, sich zu senken. Wenn Sie Widerstand spüren, verweilen Sie dort ein wenig und respektieren diese Grenze. Wiederholen Sie das, sooft es Ihrem Baby guttut. Spüren Sie zu Beginn einmal bei sich selber nach, wie es sich anfühlt, wenn sich Spannungen im Nacken lösen und die Schultern wieder sinken. Es wirkt sich auf den ganzen Körper aus und entspannt auch die Atmung.
Handling: Dem Baby Halt geben
Behandeln Sie Ihr gestresstes Baby ganz ruhig, ohne jede Hast, und vermeiden Sie vor allem, es zu strecken. In seiner noch gerundeten Körperhaltung erholt sich Ihr Neugeborenes leichter von den Strapazen seiner Geburt. Heben Sie es nicht unter den Achseln hoch, weil dabei die Wirbelsäule überstreckt und die Schultern ungut nach oben gezogen würden. Rollen Sie es stattdessen mit der linken Hand von der Rückenlage auf seine linke Seite fast bis in die Bauchlage und dabei auf Ihren rechten Arm. Dann legen Sie Ihren linken Arm auf seinen Rücken und halten seinen Kopf gut mit Ihrer linken Hand, während Sie es mit Ihrem rechten Arm zurückrollen, sodass sein Rücken auf Ihrem linken Arm liegt. Nun fassen Sie mit Ihrer rechten Hand unter seinen Po und geben, während Sie es hochnehmen, damit auch seinen Beinchen Halt.
Beim Ablegen machen Sie dasselbe rückwärts. Nehmen Sie Ihr Baby mal über seine rechte, mal über seine linke Seite hoch, nicht immer über dieselbe. Immer wenn Sie es tragen oder ablegen, achten Sie darauf, sein Köpfchen gut zu stützen. Das ist das Wichtigste, aber auch seine Ärmchen und Beinchen brauchen Halt, keines soll fallen oder haltlos baumeln. Dieser Rundum-Halt ist für Ihr Baby sehr angenehm und deaktiviert die Stressmuster in seinem Nervensystem.
Berühren Sie Ihr Baby immer mit aller Ruhe, doch fassen Sie es beherzt an, seien Sie nicht zaghaft, es möchte in Ihren Händen und Armen eine verlässliche neue Hülle spüren. Wenn Sie Ihr Baby tagsüber hinlegen, dann fühlt es sich in den ersten Monaten wohler in einem Nestchen (siehe Foto beim letzten Abschnitt), wo seine Arme seitlich Halt finden und sowohl seine Füßchen als auch sein Kopf erhöht liegen. So liegt sein Rücken angenehm gerundet, sodass sein Bäuchlein entspannt bleiben kann. Achten Sie darauf, dass es nicht schief, sondern schön symmetrisch darin liegt.
Homöopathische Nachsorge
Das passende homöopathische Mittel beschleunigt die Heilung von körperlichen und seelischen Geburtsstrapazen bei Mutter und Kind und kann auch eine Schock- oder Trauma-Symptomatik auflösen.
Tränen im Wochenbett?
Kummer ist normalerweise eine angemessene Reaktion und deshalb nicht immer behandlungsbedürftig. Fällt es aber schwer, ihn zu bewältigen, oder sitzt er übermäßig fest, fühlt man sich dabei extrem...