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Weibliche Wut

Die versteckten Botschaften hinter Ärger und Co. erkennen und nutzen. Mit einem Extra-Kapitel für Männer

AutorAlmut Schmale-Riedel
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783641223946
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Hinter jedem Ärger steht ein unerfülltes Bedürfnis
Lassen Sie Ihre Wut zu oder ist es für Sie ein eher unangenehmes und ungeliebtes Gefühl? Gerade bei Frauen wird Wut oft verdrängt und versteckt sich hinter Traurigkeit, Enttäuschung und Schmerz. Doch in Wut und Ärger steckt ein häufig ungenutztes Potenzial. In diesem Buch lernen Sie ganz praktisch den Ärger für die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen, als Wegweiser zu Ihrer Identität, Ihren Werten und Bedürfnissen. Mit Übungen, die dabei helfen, Ärgermuster zu erkennen und aufzulösen.

Almut Schmale-Riedel, geboren 1950, ist Lehrtransaktionsanalytikerin, Supervisorin und Coach. Nach dem Studium der Pädagogik, Psychologie und Soziologie sowie umfangreicher Aus- und Weiterbildung in Psychotherapie war sie in eigener psychologischer Praxis sowie als Trainerin und Beraterin in Erwachsenenbildungsinstituten tätig. 1982 gründete sie das Fortbildungs- und Psychotherapieinstitut TEAM Entwicklung Arbeit und Mensch in München (jetzt Gilching), das sie seitdem leitet. Sie gründete außerdem den TEAM Arbeitskreis Gewaltprävention und bildet Trainer und Trainerinnen für Selbstsicherheit sowie Selbstverteidigung für Kinder im Grundschulalter weiter.

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Leseprobe

Auch wenn sie einen schlechten Ruf hat: Wut lohnt sich.

Und weibliche Wut? Viele Frauen haben Angst vor Wut – vor der Wut anderer Menschen, aber auch vor ihrer eigenen. Es ist ihnen unangenehm, Ärger und Wut bei sich selbst und anderen zu spüren und zu erleben. Sie schämen sich ihrer Wut oder verachten sie sogar. Manche Frauen haben keinen Zugang zu ihrer Wut, spüren sie nicht oder wollen sie nicht spüren und nehmen auch ihre körperlichen Auswirkungen nicht als verdrängte Wut wahr. Andere Frauen wiederum erleben sich oft, manchmal allzu oft, als ärgerlich und wütend, wissen aber nicht, wie sie diese Gefühle angemessen ausdrücken können. So schlucken sie sie lieber runter oder versuchen sie zu besänftigen. In der Folge kommt der Ärger dann bei unpassender Gelegenheit und manchmal auch zu impulsiv oder zu laut zum Vorschein. Frauen werden dann mitunter als zickig, hysterisch oder als »Drama Queen« abgestempelt. Von daher wundert es nicht, dass viele Frauen ihre Wut nicht mögen. Wut, so scheint es, gilt vielfach als »unweiblich«.

Zum Glück gibt es auch Frauen, die sagen: Ich schätze meine Wut, ich brauche sie, um für mich zu kämpfen, um für mich selbst und mir wichtigen Werte einzustehen. Diese Frauen berichten auch, dass sie erst durch ihre Wut den Mut fanden, wichtige anstehende Veränderungen in ihrem Leben anzugehen. Wut und Ärger, also die kleine Wut, helfen uns, Grenzen zu setzen und uns zu schützen. Vor allem zeigen diese Gefühle uns an, dass etwas für uns nicht stimmig ist, dass wichtige Bedürfnisse nicht gesehen und nicht respektiert werden.

Ich bin bei der Beschäftigung mit diesem Thema zunächst einmal auf persönliche Spurensuche gegangen. Bin ich eine wütende Frau, eine Frau, die fähig zur Wut ist, oder wäre ich es gerne? Welche Probleme habe ich selbst damit, meine Wut wahrzunehmen und gut mit ihr umzugehen? Habe ich sie, wie viele andere Frauen, verdrängt? Nein, ich muss meine Wut nicht mehr suchen, sie ist nicht mehr unter Ängsten und Anpassungsdruck verborgen. Ich kann sogar sagen, dass ich sie inzwischen in gewissem Sinne sehr mag. Ja, ich mag sie, obwohl ich mich in den konkreten Situationen, in denen ich Ärger und Wut empfinde, erst einmal nicht wohlfühle, unzufrieden, enttäuscht oder verletzt bin. Ich schätze meine Wut, denn sie macht mich lebendig und gibt mir Energie, um mich für mich selbst, meine Werte, meine Standpunkte und meine Bedürfnisse einzusetzen. Ich schätze auch die Wut, die in mir aufsteigt, wenn ich erlebe, wie Menschen mit anderen Menschen und mit unserer gemeinsamen Welt zerstörerisch umgehen; wenn ich sehe, wie Menschlichkeit mit Füßen getreten wird.

Gleichzeitig frage ich mich, wie ich zu dieser positiven Haltung zur Wut gekommen bin, wo ich doch in der Zeit meines Heranwachsens so wenig oder gar keine Vorbilder für einen guten Umgang mit Wut hatte. Kannte ich in den ersten 20 Jahren meines Lebens überhaupt die Gefühle von Ärger und Wut? Ich war eher das liebe und schüchterne Mädchen, das mit zwei älteren Geschwistern und der Pflegemutter in einem paradiesischen Garten aufwuchs – so stellt es sich zumindest in meiner Erinnerung dar. Und doch muss auch in mir die Bereitschaft zu Ärger und Wut gesteckt haben, denn ich erinnere mich auch gut daran, wie geschickt ich meine großen Geschwister getriezt habe. Als Jüngste wurde ich dafür nicht zur Rechenschaft gezogen, nur die Großen wurden geschimpft, wenn ich mich über sie beschwerte. Schlimmer noch: Ich, das nette, brave Mädchen – wie mich alle sahen –, war sehr grausam zu meinem Banknachbarn in der dritten Schulklasse. Ich quälte den armen Jungen, tat ihm weh und war stark genug (oder hatte genug Ärger in mir angesammelt), dass ich ihn locker auf den Boden zwingen konnte. So handgreiflich kämpfen, das machen doch eigentlich nur Jungen. Und ich war noch stolz auf meinen Sieg, das allerdings nur heimlich. Darin unterschied ich mich dann doch von den Jungen. Mein Triumph über den gewonnenen Kampf spielte sich nur in meinem Inneren ab, und gleichzeitig schämte ich mich für mein aggressives Verhalten. Das Ganze war offenbar so beeindruckend für mich, dass ich sogar heute, nach fast 60 Jahren, noch den vollständigen Namen des betreffenden Jungen weiß, obwohl wir nur zwei Jahre lang in derselben Klasse waren. Wie gerne würde ich ihm heute sagen, wie leid es mir tut, dass er damals etwas von meiner Wut abbekommen hat, die sicher ganz woanders hingehört hätte, nur nicht zu ihm. Wo die eigentlichen Ursachen dieser Wut lagen, war mir damals überhaupt nicht bewusst, ja noch nicht einmal, dass sie mit meinem Schulkameraden nichts zu tun hatte, sondern ihre Quelle an anderer Stelle lag. Das weiß ich erst heute. In der ersten Schulklasse setzte mich der Lehrer zwischen zwei aggressive, rauflustige Jungen aus der »Asozialensiedlung«, wie es damals hieß, damit ich, das liebe Mädchen, einen positiven Einfluss auf beide hätte. Dass auch ich jede Menge vergorenen Ärger in mir hatte, ahnte er nicht, und ich selbst damals auch noch nicht.

Wo und wie habe ich gelernt, meinen Ärger und meine Wut wahrzunehmen und konstruktiv damit umzugehen? Wer hätte es mir zeigen können? Meine leibliche Mutter, die ich durch ihren frühen Tod nie wirklich kennengelernt habe – war sie fähig zu Wut? Aus ihren schriftlichen Aufzeichnungen und Briefen lese ich eher ihre Enttäuschung, Traurigkeit und Einsamkeit heraus. Wenn es dort überhaupt Anklagen gegen ihren Ehemann gab, waren sie eher leise und indirekt. Meine Pflegemutter, eine ledige, ältere und sehr resolute Hauswirtschaftslehrerin, war streng in der Erziehung, förderte aber sehr unsere intellektuelle und kulturelle Entwicklung. Sie war eine starke, eher beherrschte Frau. Ärger und Wut habe ich bei ihr nicht erlebt, eher Moral und Strenge. Ihre Ohrfeige für meinen großen Bruder, als er in der Studentenrevolte aktiv war, war der einzige Ausdruck von Wut, an den ich mich bei ihr erinnern kann. Ach ja, die damalige Popmusik fand sie »zum Kotzen« – das war vielleicht ein Ventil, um versteckten Ärger und Unwillen zum Ausdruck zu bringen.

Und mein Vater? Eher selten anwesend, hatte er seine besondere Art, mit Ärger umzugehen. Sein aktiver politischer Widerstand war eher sachlich begründet und vermittelt. Doch persönlicher Ärger und Wut? Ich habe keine Erinnerung, so etwas jemals bei ihm erlebt zu haben. Ich erinnere mich nur zu gut daran, wie oft er sich in den Garten zurückzog, um dort in den Gemüsebeeten oder unter den Beerenbüschen zu hocken und Unkraut auszurupfen. Erst viel später erkannte ich, dass dieses Verhalten sein Weg war, mit nicht offen zugelassenem Ärger umzugehen und sich abzureagieren. Eine weitere Variante des versteckten Ausdrucks von Ärger erlebte ich bei einem anderen Familienmitglied: laut zu singen und zu trällern, um den inneren Ärger zu übertönen und Gelassenheit vorzutäuschen. Und meine Großmütter? Waren sie Frauen, die zu Ärger fähig waren? Auf Fotos und aus Erzählungen habe ich eher strenge, traurige Gesichter vor mir. Nein, diese Frauen richteten ihren Ärger wohl weniger nach außen als nach innen und blieben in der Rolle der duldenden, leidenden Frauen.

Warum ich das alles schreibe? Ich möchte Sie, liebe Leserin – und auch Sie, lieber Leser – einladen, auf Ihre eigene Spurensuche zu gehen, um Ihren Entwicklungsprozess in Bezug auf Ärger und Wut zu entdecken. Einige von Ihnen werden ja ganz anders aufgewachsen sein als ich, beispielsweise in einer Familie, wo Ärger und Wut direkt ausgedrückt wurden, vielleicht auch im Übermaß oder bedrohlich eskalierend. Möglicherweise haben Sie damals beschlossen, dass Sie selbst auf keinen Fall ein so lauter, streitbarer Erwachsener werden wollen. Dann haben Sie eventuell eine andere Art von Problem mit Wut als ich. Vielleicht gehören Sie ja auch zu den Glücklicheren, die in ihrer Familie lernen durften, dass Ärger und Wut einen angemessenen Platz im Leben haben und dass sie wichtig für die Lösung von Konflikten sind.

Ich möchte Sie einladen, die verschiedenen Varianten von Wut bei sich zu erkunden, ihren Sinn zu erkennen und sie für Ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen. Diese oft ungeliebten Gefühle können uns helfen, nicht nur uns selbst besser zu verstehen, sondern mehr mit der Tiefe unseres Wesenskerns und seinen Werten und Bedürfnissen in Kontakt zu kommen, denn:

Hinter jedem Ärger steckt ein unerfülltes Bedürfnis!

Nachdem ich dies erkannt und verstanden hatte, begann ich alle meine Gefühle von Ärger wirklich zu schätzen und anzunehmen. Ich lernte, sie zu nutzen – für mich, für das Zusammenleben mit den Menschen, die mir wichtig sind, und für die Welt um mich herum, in der ich gerne leben will. Ich möchte Sie einladen, gemeinsam mit mir auf eine Entdeckungsreise zu Ihren offenen und verborgenen Ärgergefühlen und deren Verwandten zu gehen. Das Ziel dieses Weges ist allerdings nicht die Wut selbst. Die Wut ist nur ein markanter Wegweiser, der Ihnen helfen kann, Ihre wahren Werte, Ziele und Bedürfnisse aufzuspüren. Wut ist also quasi ein Kompass, der Sie zu Ihrer Identität, Ihrer unverwechselbaren Persönlichkeit führen kann. Sie kann Ihnen das Tor zu einem erfüllenden Leben mit sich selbst, Ihren Mitmenschen und unserer so unvollkommenen Welt öffnen. Keine Angst: Wenn ich auf diese Weise für einen guten Zugang zur Wut plädiere, geht es mir nicht darum, Sie gegen dies und jenes aufzuhetzen. Vielmehr möchte ich Sie zu mehr Engagement für ein gutes Miteinander-Leben ermutigen.

Dieses Buch liefert keine Statistiken dazu, wie viel Prozent der Frauen ihre Wut nicht wahrnehmen oder sie indirekt oder unangemessen äußern. Es erzählt vielmehr von...

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