Der Australian Shepherd —
ein waschechter Amerikaner
Obwohl es sein Name vermuten lässt, stammt der Australian Shepherd tatsächlich nicht aus Australien, sondern ist ein waschechter Amerikaner. Liebevoll wird er „Aussie“ abgekürzt, in manchen Rassebeschreibungen erscheint er auch als Australischer Schäferhund.
Historische Entwicklung der Rasse
Es gibt zahlreiche Theorien über den Ursprung des Australian Shepherd. Was eindeutig feststeht ist jedenfalls, dass sich diese Rasse in ihrer Reinzucht ausschließlich in den USA entwickelt hat. Es gab sogar Bestrebungen in den USA, den Australian Shepherd in American Shepherd umzutaufen; dies war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Die Rasse erhielt den Namen Australian Shepherd, weil angenommen wird, dass um 1800 baskische Schafhirten bei ihrer Einwanderung von Australien nach Amerika diese Hunde mitbrachten.
Über die Herkunft vieler Rassen ist sicher wenig bekannt. In Bezug auf den Australian Shepherd gibt es darüber hinaus sehr unterschiedliche Theorien: dass er australischer Herkunft ist, dass er wirklich eine echte baskische Rasse oder dass er von alter spanischer Herkunft ist. Die Untersuchungen, die ich angestellt habe, zeigen, dass keine der oben genannten theorien die gesamte Geschichte beschreibt, aber gemeinsam mögen sie eine Rolle spielen.
Die kalifornische Geschichte erzählt, dass – obwohl es viele Schafherden in spanischen Missionen gab – die Anzahl der Schafe im Westen in der Zeit vor dem Goldrausch Anfang 1840 stark rückläufig war. Der Goldrausch und der Bürgerkrieg brachten eine große Nachfrage nach Schaffleisch und Wolle mit sich. Um diese Nachfrage zu decken, wurden aus dem Mittelwesten und aus New Mexico große Schafherden eingeführt. Schafe wurden auch aus den östlichen amerikanischen Staaten und von Australien importiert. Begleitet wurden diese Schafe später von Hunden, die zum Werdegang des Australian Shepherd beitrugen.
Obwohl nur eine geringe Anzahl der Arbeitshunde im amerikanischen Westen australischer Herkunft waren und die Farbe Merle auch bei nicht australischen Hunden üblich war, kam die Verbindung zwischen Australien und dem merlefarbenen Hütehund über diesen Weg zustande: Menschen, die beobachteten, wie die Schafe aus Australien an ihrem Ankunftsort ausgeladen wurden, haben die merlefarbenen Hunde gesehen, die die Schafe begleitet haben. Dann brachten sie die Farbe und generelle Erscheinung der Hunde in Verbindung mit ähnlichen Hütehunden in ihrer Umgebung. Unabhängig davon, welchen Hintergrund diese individuellen Hunde hatten, wurden sie einfach „Australian Shepherds“ genannt. Mein großer bluemerlefarbener Sheltie wurde oft als Australian Shepherd bezeichnet, nur aufgrund seiner Farbe und seiner Erscheinung. Es ist typisch für Menschen, Farben und Rassen miteinander in Verbindung zu bringen.
Auszug aus Australian Shepherd History von Linda Rorem
(ursprünglich im Dog World Magazine erschienen)
Die Farbe Bluemerle war eines der ersten Erkennungsmerkmale des Aussies.
Der Aussie war durch seine vielfachen Begabungen und Talente sowie durch die Leichtigkeit bei der Ausbildung ein nützlicher Hund für die Ranches und Farmen. Die Farmer und Rancher sorgten für die Weiterentwicklung der Rasse und für die Erhaltung der vorteilhaften Eigenschaften dieser Hunde: ihrer scharfen Intelligenz, der Hüteinstinkte, der Wachsamkeit sowie ihres attraktiven Erscheinungsbildes: Dies hat schon immer die Bewunderung vieler Hundeliebhaber auf sich gezogen, denn jeder einzelne Hund ist tatsächlich ein Unikat in Zeichnung und Farbe. Darüber hinaus zeigen alle Australian Shepherds eine sehr hohe Anhänglichkeit gegenüber ihrer Familie und sind loyale und treue Gefährten. Alle diese guten Eigenschaften haben dazu geführt, dass sich der Australian Shepherd steigender Beliebtheit erfreut.
Die Bekanntheit des Australian Shepherd nahm nach dem Zweiten Weltkrieg parallel zur schnellen Entwicklung der Westernreiterei zu, welche durch Rodeos, Pferderennen, Kino- und Fernsehberichte populär wurde. Dazu hat eine Person ganz besonders beigetragen: Jay Sisler, ein Rodeoteilnehmer und Rancher aus Idaho. Er sorgte in den Fünfziger- und Sechzigerjahren für die wachsende Popularität des Aussies und nationale Anerkennung. Jay und seine Aussies erfreuten Rodeobesucher in den USA und in Kanada mit zahlreichen beeindruckenden und faszinierenden Tricks. Tatsächlich waren diese Hunde so einzigartig und begeisternd, dass die Walt-Disney-Studios zwei Filme mit ihnen produzierten: Stub, The World Greatest Cow Dog und Run, Appaloosa, Run.
Der Anfang der Reinzucht
1957 wurde der Australian Shepherd Club of America (ASCA) gegründet. Die Registrierung der Hunde wurde damals durch das National Stock Dog Registry (NSDR) übernommen. Im Jahr 1966 eröffnete die International Australian Shepherd Association (IASA) ihr erstes Zuchtbuch. Im Jahr 1972 übernahm der ASCA als Stammklub die offizielle Registrierung aller Australian Shepherds und wurde dann nach dem Zusammenschluss mit der IASA 1979 zum größten Einzelrasseklub Nordamerikas. Von diesem Zeitpunkt an wurde das Zuchtbuch für Australian Shepherds nur noch vom ASCA geführt. Der erste offizielle Rassestandard des ASCA trat 1977 in Kraft. Der Australian Shepherd hat in seinem Heimatland eine enorme Verbreitung erfahren, so waren im Jahr 1978 beim ASCA 6.000 Australian Shepherds registriert, im Jahr 1989 waren dies bereits 50.000 Hunde.
Der American Kennel Club (AKC) eröffnete 1991 ein Zuchtbuch für Australian Shepherds und veröffentlichte 1993 einen eigenen Rassestandard. Mit der Anerkennung der Rasse durch den AKC wurde der Verbreitung der Rasse noch einmal Vorschub geleistet.
Aussies lernen gerne alle möglichen Arten von Tricks – hier „Bitte“.
Aussies auf dem Weg nach Europa
Das Westernreiten wurde jedoch nicht nur in den USA immer bekannter, auch in Europa erfreute es sich in den Siebziger- und Achtzigerjahren steigenderer Beliebtheit. So kamen mit den ersten Quarter Horses auch die ersten Australian Shepherds nach Europa. Anfänglich waren die Aussies hauptsächlich in Westernreiterkreisen zu finden. Ihr auffälliges Äußeres und ihr Temperament begeisterten später aber auch viele Hundeliebhaber außerhalb dieser Szene, sodass der Aussie mittlerweile relativ stark in Europa verbreitet ist. Derzeit kann man den Australian Shepherd als „Modehund“ bezeichnen, leider mit allen negativen Auswirkungen, die eine solche Entwicklung mit sich bringt. Er ist ein sehr attraktiver Hund; sein außergewöhnliches Erscheinungsbild sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er durch und durch ein Arbeiter ist, der Aufgaben braucht, um glücklich zu sein. Er sollte sein Dasein nicht als reiner Begleithund fristen müssen.
Der Standard beschreibt den Aussie als mittelgroßen Hund mit einer mittleren Knochenstärke. Hier ein Rüde in der Farbe Black-Tri.
Anfänglich wurde die Zucht in Europa hauptsächlich im ASCA betrieben. 1996 wurde die Rasse durch die Fédération Cynologique Internationale (FCI) auf Initiative einiger Aussie-Liebhaber aus der Schweiz vorläufig anerkannt. Als Rassestandard wurde der vom AKC erstellte Rassestandard übernommen, da der AKC Vertragspartner der FCI ist. Im Mai 2007 wurde der Australian Shepherd auf der Generalversammlung der FCI in Acapulco endgültig als Rasse anerkannt.
Mit der vorläufigen Anerkennung der Rasse begann in Deutschland dann auch die Zucht im Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH). Der erste Wurf Australian Shepherds im VDH wurde 1996 gezogen. Anfänglich unterstand der Australian Shepherd als sogenannte unbetreute Rasse direkt dem VDH. 2004 wurde der Club für Australian Shepherds Deutschland e.V. (CASD) als erster zuchtbuchführender Verein vorläufiges Mitglied des VDH und ist seither für die Rasse innerhalb des VDH verantwortlich.
Der FCI-Rassestandard
Am 21.05.2007 wurde der endgültige Rassestandard Nr. 342 für den Australian Shepherd von der FCI veröffentlicht:
Ursprung: USA
Verwendung: Hüte- und Wachhund
Klassifikation FCI: Gruppe 1 – Hütehunde und Treibhunde (ausgenommen Schweizer Sennhunde)
Sektion: Schäferhunde/Ohne Arbeitsprüfung
Allgemeines Erscheinungsbild:
Der Australian Shepherd ist gut proportioniert, etwas länger als hoch und von mittlerer Größe und Knochenstärke. Die Farben seines Haarkleides haben eine große individuelle Variationsbreite. Er ist aufmerksam und lebhaft, geschmeidig und beweglich, kräftig und gut bemuskelt, jedoch ohne jede Schwere. Sein Haar ist mittellang und mäßig grob. Er hat entweder eine kupierte oder eine natürliche Stummelrute. (Anmerkung: Seit 01.06.1998 besteht in Deutschland ein Kupierverbot; deshalb sieht man Aussies hier, bedingt durch die genetische...