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E-Book

Australien (Ein abenteuerlicher Reisebericht)

AutorFriedrich Gerstäcker
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl648 Seiten
ISBN9788026816577
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Australien (Ein abenteuerlicher Reisebericht)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Friedrich Gerstäcker (1816-1872) war ein deutscher freier Schriftsteller und Übersetzer. 1844 veröffentlichte er sein erstes Buch, Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten Nordamerikas (Grundlage war sein Tagebuch). Auch für die deutschen politischen Verhältnisse besaß er ein waches Auge und beobachtete die Ereignisse der Revolution von 1848 sehr genau. 1849 unternahm der junge Familienvater eine weitere Reise, die ihn diesmal nach Südamerika, Kalifornien, Tahiti und Australien führte. Aus dem Buch: ''Es war überhaupt ein wunderliches Gefühl, mit dem ich in Australien an Land sprang. - Australien - Alles was verkehrt und sonderbar ist, gewöhnt man sich den vielen Beschreibungen nach die uns darüber von Kindheit an vorgekommen, gerade unter dem Namen Australien zu denken, und man möchte gleich beim ersten Ansprung schon über die Häuser, die ja ebenso aussehen wie in jeder andern civilisirten Stadt, hinweg schauen können, nur um die jedenfalls dahinter liegenden Sonderbarkeiten zu entdecken. Känguruh - schon der Name hat einen gewissen Zauber, besonders für einen Jäger - Schnabelthier - Kirschen mit den Kernen auswärts, Bäume die die Rinde abwerfen, für den gerade von Europa kommenden auch noch die verkehrten Jahreszeiten, das Alles sind Sachen, an die man gerade nicht bestimmt denkt in dem Augenblick, deren Bild uns aber doch in einer verworrenen Masse - Köpfe nach unten natürlich - vorschwebt, und die Farben, wie in einem Kaleidescop rasch wechseln und in einander fließen läßt. ''

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Leseprobe

2. Postfahrt von Sidney nach Albury.


Inhaltsverzeichnis


Die Beförderung von Passagieren und Briefen ist hier in Australien ganz in den Händen von Privatpersonen, die sich contractlich verpflichten, die »Mail,« d. h. die Briefsäcke, zu gewissen Stunden an Ort und Stelle zu liefern, und die Passagiere, die ihnen auf Gnade und Ungnade übergeben sind, als eine zwar lästige, aber doch des Gewinnes wegen nöthige Zugabe betrachten. In diesem Sinn, und von diesem Princip ausgehend, ist auch die ganze Posteinrichtung getroffen, und ein Passagier, der sich auf der »Royal-Mail,« wie die Karren prunkvoll genug heißen, einschifft, mag nur seine Seele einstweilen Gott empfehlen und sich ganz und gar mit seinem Körper beschäftigen, denn dessen Mißhandlung wird sicherlich seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Doch zur Sache.

Dienstag den 22. April, Nachmittags 4 Uhr ging die Post ab. Am Tage vorher hatte ich meinen Passagierschein genommen – d. h. mein Geld gezahlt, denn ein Schein wurde dafür nicht ausgegeben – und auf meine Frage, ob viele Passagiere mitführen, erhielt ich die trockene und etwas eigenthümliche Antwort: »Nur eine Dame, für die Sie werden Sorge tragen müssen.«

Das war short and sweet, und ich wußte im Anfang nicht, was ich daraus machen sollte, der Mann sah aber so ernst aus und hatte so entsetzlich viel zu thun – nicht mit Postbeförderung, sondern er war auch nebenbei Ausschenker in einem Schnapsladen, und bediente seine Kunden fortwährend, indeß er mich zu gleicher Zeit Thurn und Taxirte – daß ich ihm meine »drei Pfund Sterling« bis Yaß – eine Zwischenstation – geduldig auszahlte, und mir nun auch nicht weiter den Kopf über die geheimnißvolle Dame zerbrach, sondern meine Vorbereitungen zur morgenden Abreise traf und dem Schicksal dann ruhig seinen Lauf ließ.

Der Nachmittag 4 Uhr kam und mit ihm die Postkutsche, ein sehr bequemes und elegantes Fuhrwerk, und unseren Postwägen nicht unähnlich, aber ohne Vorder-und Hintercoupees, eine einfache, vortrefflich gepolsterte Kutsche. Vorsichtigerweise war ich zeitig genug an Ort und Stelle, stieg ein und drückte mich nun behaglich in die eine Ecke auf den hinteren Sitz. So, den hatt’ ich sicher.

Ich saß kaum ordentlich, als die Thüre wieder aufging und eine Dame durch den galanten Kutscher einbefördert wurde – ah, meine Schutzbefohlene, dachte ich bei mir selber, und rückte etwas mehr in die Ecke – es war ein allerliebstes kleines Frauchen von etwa 20 bis 21 Jahren, mit einem kleinen rothbäckigen Säugling auf dem Arm. Der Sitz war breit genug, daß wir ganz bequem neben einander sitzen konnten, und die Dame nahm nach kurzem Gruß den andern Rücksitz ein.

»So, nun kann’s fortgehen,« dachte ich, hatte mich aber geirrt. Da öffnet sich behend ein zweites Thor, und daraus rannte nicht etwa etwas hervor, sondern da hinein wurde jetzt, wie es schien, durch die »Rückwirkung« zweier zinnoberrother Männergesichter eine Dame geschoben, welche die Muschel eines gewöhnlichen Schlittens vollkommen ausgefüllt hätte, und uns beide erstaunten Passagiere jetzt gerade so ansah, als ob sie fragen wollte: nun, welchen von beiden soll ich zuerst todtdrücken?

Mein armer Rücksitz – die Höflichkeit gegen Damen erforderte, daß ich ihn aufgab, und dieser Koloß hätte die Höflichkeit gegen zwei Damen fordern können; ich glitt auf einen Vordersitz, Kürbiß drückte sich neben meiner Schutzbefohlenen ein und entwickelte hier, zu meinem unbegrenzten Erstaunen, als sie den breiten rothbunten Shawl auseinanderschlug, ebenfalls einen kleinen und jetzt aus voller Kehle beginnenden Staatsbürger, den sie bis dahin unter den weiten Falten ihres Tuches verborgen gehalten hatte. Aber noch waren wir nicht zur Ruhe gekommen, als die Thür zum drittenmal aufging, um jetzt nicht eine, nein lieber Leser, sondern drei »Ladies« auf einmal einzulassen. Eine davon trug ebenfalls ein Kind, und die andern beiden sahen sich, als sie herein waren, gleichfalls um, als ob sie nur erwarteten, ein paar kleine Schreier nachgereicht zu bekommen. Damen schienen hier Kinder, wie bei uns Regen-oder Sonnenschirme bei sich zu führen.

»Aber um Gotteswillen, wie viel sollen denn eigentlich hier noch herein?« frug ich jetzt in Verzweiflung den Kutscher. »Sechs,« war die lakonische Antwort, und die Thür flog wieder zu.

Sechs waren wir schon, »ohne die Weiber und Kinder,« wie es in Schlachtberichten lauten würde – hier jedenfalls ohne die letzteren, und ich mußte trauernd zusehen, wie sich die Letztgekommene – irgend ein rücksichtsloses, rothbackiges Kind des Landes – mühsam aber entschlossen zwischen meine arme kleine Schutzbefohlene – ja, wer um Gotteswillen von allen diesen war es denn eigentlich – hineinarbeitete.

»Ist Ihr Gewehr geladen?« schrie auf einmal die dicke Dame, die erst jetzt meine, zwischen Thür und Knie geklemmte Büchsflinte gewahr wurde, mit einem förmlichen Aufkreisch.

»Nein Madame,« war meine, wenn auch artige, doch sehr lakonische Antwort.

»Aber wenn es doch etwa –«

»Es ist kein Korn Pulver darin –«

»Aber wenn es nun platzt –«

»Platzen?« frug ich erstaunt, und sah die corpulente Frau an, die wirklich ein Gesicht machte, als ob sie jeden Augenblick das Explodiren der entsetzlichen Waffe erwartete.

Die wieder aufgerissene Thür unterbrach in diesem Augenblick unser Gespräch.

»Only one more!!« rief der Kutscher, und wollte eben noch in Wirklichkeit eine Dame mit einem Kind einbefördern – das aber war zu viel. – Ich bin sehr gern in Damengesellschaft, aber man kann eine Sache auch übertreiben. – Glücklicher Weise saß ich dicht neben der Thür, nichts destoweniger hatte ich mein rechtes Knie so zwischen denen meiner schönen und unschönen Nachbarinnen eingeklemmt, die auch nicht einen Zollbreit zur Seite weichen konnten, daß es einer wirklichen Anstrengung bedurfte, frei zu kommen. Kürbis, die mir gerade gegenüber saß, richtete sich soweit als möglich auf, schrie aber (ihr Kind um Raum zum Bewegen zu geben, mit beiden Händen oben unter die Decke pressend) Mord, als der Kutscher, dem ich vor allen Dingen erst einmal mein Gewehr hinausgereicht hatte, ihr die Mündung gerade unter die Nase hielt. – Ich hielt mich nicht länger auf – dem Kutscher meine Hand gebend, der mich am Arm ergriff, und mit Hülfe eines mitleidigen Beistehenden in’s Freie zog, erreichte ich glücklich und tief aufathmend frische Luft, und meine californische Serape, wie noch einige andere Kleinigkeiten im Stich lassend, arbeitete ich mich »an Deck,« d. h. oben auf die Kutsche, wo ich schon eine Gesellschaft von sechs Personen versammelt fand.

Als der Kutscher endlich aufstieg, und die vier starken und wohlgenährten Pferde mit der Peitsche zum Mitfahren einlud, waren wir fast anderthalb Dutzend Seelen auf der einen Achse.

Es war das erstemal, daß ich oben auf einem Wagen fuhr, und der tolle Galopp, mit dem unser Kutscher jetzt wahrscheinlich die verlorene Zeit einzuholen suchte, diente gerade nicht dazu, das etwas unbehagliche Gefühl, das mich da oben bei der Idee eines Umwerfens ergriff, zu beruhigen, die Straßen dort sind aber ausgezeichnet, die Kutscher sehr sicher und mit ihren Thieren vertraut, und wir fuhren etwa 7 englische Meilen in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit. Glücklicher Weise erfuhr ich erst später, daß noch gar nicht so lange eben eine solche Kutsche auf dem nämlichen Weg, zwischen Paramatta und Sidney, bei einem tollen Wettfahren umgeschlagen sey und sieben Personen augenblicklich todt und andere schwer verletzt worden wären.

In vollem Galopp rasselten wir die Straße hinab, unserer nächsten Station entgegen, die wir aber erst nach Dunkelwerden erreichen sollten. Von den »oberen« Passagieren waren indessen schon hie und da mehrere heruntergeglitten; sie gehörten meistens in die kleinen Ortschaften oder auf die einzelnen Farmen, die am Wege lagen, und ließen sich bei ihrer Heimath, oder wenigstens so nah als möglich bei derselben »ausladen.« Auch aus dem Innern des Wagens sah ich mehreremale helle Gewande in der jetzt einbrechenden Dämmerung verschwinden, und sogar der Kürbis blieb in einem kleinen, einzeln stehenden Farmhaus, an dessen Thüre ihn ein kleines mageres Männchen, vielleicht zärtlich harrend, jedenfalls eine große Stallaterne hoch emporhaltend um, darunter wegzusehen, erwartete.

Das Wetter sah wie Regen aus, und ich gedachte schon einen Operationsplan auszuführen, der mich wieder in das Innere des Wagens, wo ich jetzt auf Platz hoffen konnte, bringen sollte, als die Kutsche plötzlich vor einem niedern langen Gebäude hielt, und uns angekündigt wurde, daß hier »Pferde und Wagen« gewechselt werden sollten.

Die Wirklichkeit sollte bald unsere traurigsten Erwartungen, oder vielmehr Befürchtungen übertreffen: statt der geschlossenen Kalesche bekamen wir einen offenen Jagdwagen, gut auf Federn allerdings, aber mit harten Sitzen und dem Wind und Wetter erbarmungslos preisgegeben, und nach nur kurz gegönnter Frist um etwas Abendbrod zu uns zu nehmen, ging die Reise wieder weiter, in die stockdunkle, regendrohende Nacht hinein.

So machten wir vielleicht, gerade nicht in der besten Laune und überdicht geladen, 20 bis 25 Meilen, und hatten wir bis jetzt wenigstens noch erträglich gesessen, so sollten wir nun erfahren was es eigentlich heiße in Australien auf einer Royal-Mail zu fahren.

Hier wurden Wagen und Pferde wieder gewechselt, und wir bekamen jetzt eine ganz eigene, ja...

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