Einleitung
AUSTRALIEN – DER ROTE KONTINENT
Australien ist ein noch junges Land, jedenfalls was die uns bekannte westliche Zivilisation angeht. Erst 1606 betrat der Holländer Willem Jansz an der Westküste von Cape York als erster Weißer den Kontinent und erst das Jahr 1770 gilt bei den Europäern als das inoffizielle Geburtsjahr Australiens. Im April ging Captain James Cook mit seinem Schiff »Endeavour« in der Botany Bay in der Nähe des heutigen Sydney an Land, nannte die Region New South Wales und gründete eine neue englische Kolonie. 1901 schlossen sich die bis dahin britischen Kolonien zum »Commonwealth of Australia« zusammen, dessen Staatsoberhaupt auch heute noch die Queen ist, da 1999 ein Referendum zur Einführung der Republik scheiterte. Heute besteht Australien aus den Bundesstaaten New South Wales, Victoria, Queensland, Südaustralien, Westaustralien und Tasmanien sowie den beiden Territories Northern Territory und Australian Capital Territory (ACT) mit der Hauptstadt Canberra.
Die australische Flagge: fünf Sterne bilden das Kreuz des Südens, der große Stern links repräsentiert das Commonwealth of Australia
Offiziell feierte Australien 1988 sein 200-jähriges Bestehen, denn 1788 landeten die ersten britischen Sträflinge – 170 000 waren es im Laufe der Zeit insgesamt – in der neuen Kolonie und die europäische Besiedlung begann. Für die Weißen war der Kontinent bis zu jenem Zeitpunkt terra nullius, Niemandsland.
Ein farbenprächtiges Spektakel: »Ferry Races« vor dem Sydney Opera House anlässlich des Australia Day
Aborigines-Kinder vom Cape York, der nördlichsten Region des australischen Kontinents (Queensland)
Land und Leute
Die eigentlichen Ureinwohner, die Aborigines (lat. ab origine = von Anfang an da) oder Aboriginal People, sehen dies naturgemäß völlig anders. Sie besiedelten bereits vor knapp 50 000 Jahren aus dem südostasiatischen Raum kommend den Kontinent. Sie lebten in rund 500 verschiedenen Stämmen, Klans und Gruppen und streiften als Jäger und Sammler auf ihren Traumpfaden durch das Land. Dabei kannten sie zwar keinen Landbesitz, denn der wäre für das Überleben im kargen Outback auch eher hinderlich gewesen. Dennoch grenzten sich die Klans und Stämme voneinander ab und verließen in der Regel nicht ihr eigenes Gebiet.
Bumerang – der Gebrauch des Wurfholzes ist seit der Jungsteinzeit durch Felsmalereien belegt
In den juristischen Auseinandersetzungen zwischen Weißen und Aborigines spielt der Begriff terra nullius eine wichtige Rolle. Bis vor einigen Jahren hielten die Australier die Legende vom Niemandsland aufrecht, das man rechtmäßig in Besitz genommen hatte. Die Aborigines hingegen machen bis heute, auch wenn sie keinen Landbesitz im westlichen Sinne kennen, dennoch ihrerseits Landrechte geltend, die sie aus ihrer uralten Beziehung zu dem Land ableiten, die einem Eigentum gleichkämen.
Entscheidend war der Fall von fünf Torres Strait Islandern unter der Führung von Eddie Mabo, die 1982 erstmals vor dem Obersten Gerichtshof Australiens Landrechte für die Murray Islands vor Queensland geltend machten. 1992 erkannte der Oberste Gerichtshof dann zum ersten Mal die Landrechte von Aborigines an. Bis heute ist die Umsetzung in die Praxis jedoch schwierig, besonders wenn wirtschaftliche Interessen der großen Minen-Companys eine Rolle spielen. Die Landrechte bleiben daher immer noch sehr stark begrenzt und häufig umstritten. Sie werden teilweise nur eingeschränkt und meist erst nach langwierigen Prüfungen verschiedener Kommissionen gewährt.
Koalas bewegen sich in den Baumwipfeln zwar langsam, aber ungemein sicher
TRAUMZEIT
Dreamtime (Traumzeit) und songlines (Traumpfade) sind die beiden zentralen Begriffe in der Kultur der Aborigines. Dabei hat dreamtime nicht wirklich etwas mit Träumen zu tun, sondern beschreibt den Beginn und die Sinngebung allen Lebens. Dreamtime ist dabei nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und die Zukunft. Jeder Aborigine ist über einen Traumzeitvorfahren, eines der Schöpferwesen, mit der Traumzeit verbunden. Die sogenannten Schöpferwesen brachen einst aus der Erde hervor und zogen auf den mythischen Pfaden, den songlines, über die Erde und erschufen sowohl die Aborigines wie auch Licht, Wolken, Flüsse, Gebirge, Wüsten, Pflanzen und Tiere, also die Welt, wie wir sie kennen. Als die Traumzeitwesen die Erde erschaffen hatten, übergaben sie sie den Aborigines als Hüter. Daher fühlen sich die Ureinwohner für das verantwortlich, was auf der Erde geschieht; beispielsweise wenn ein Tourist bei der Besteigung des Uluru – das sollte man lassen – abstürzt. Nach der Vollendung der Schöpfung zogen sich die Wesen, die teils Tier, teils Mensch, teils Pflanze sein können, wieder in die Erde zurück.
Felsmalerei der Aborigines von der Cape York Peninsula (Queensland)
An diesen heiligen Orten, wie etwa dem Uluru, ist ihre Energie für die Aborigines noch spürbar. Heilig können aber auch Plätze sein, wo die Schöpferwesen auf ihrer Schöpfungswanderung entlang der songlines rasteten und Energie hinterließen. Diese Stellen werden von den Ureinwohnern immer wieder aufgesucht, um mittels spiritueller Handlungen und Rituale die Energie zu erneuern und die Verbindung zum Traumzeitvorfahren nicht abreißen zu lassen. Viele der Felsmalereien bezeichnen solche Orte und sind eine Möglichkeit, mit den Ahnen in Kontakt zu treten. Dabei hat jeder Aborigine ein Schöpferwesen als Totem, dem er besonders verbunden ist. Das kann ein Känguru ebenso wie eine Pflanze sein. Mit allen Aborigines, die dasselbe Totem haben, fühlt sich der Einzelne verwandt. Alles Wissen über die Welt gaben die Schöpferwesen in den songs an die Menschen weiter. Dabei geht es um ganz praktische Dinge, zum Beispiel wie man im Outback Wasser findet und überlebt, aber auch um allgemeine Lebensregeln und spirituelle Rituale. Die songs werden von Generation zu Generation überliefert, und nach wie vor gibt es Aborigines, die den songlines quer durch das menschenleere Land folgen können, als wären es Straßen auf einer unsichtbaren Landkarte. Auch jüngere Aborigines ziehen sich vermehrt wieder bewusst ins Outback zurück, um nach den überlieferten Traditionen ihrer Ahnen zu leben.
Die Kunst der Aborigines ist farbenfroh und erdverbunden
Fraser Island – die größte Sandinsel der Welt (Queensland)
Übrigens wurde den Aborigines das Wahlrecht erst 1967 zugesprochen. Auch sonst haben die rund 350 000 australischen Aborigines weiterhin mit massiven Benachteiligungen zu kämpfen. Generell sind ihre Lebensbedingungen in allen Bereichen wesentlich schlechter als die der weißen Australier. Dies zeigt sich beispielsweise an einer höheren Säuglingssterblichkeit, Benachteiligungen bei sozialen Faktoren wie Bildung oder einer geringeren Lebenserwartung der australischen Ureinwohner. Zwischenzeitlich wurden sie von den Weißen gar zwangsassimiliert und galten zudem als vom Aussterben bedroht. Eine Tatsache, an die kein Australier gerne erinnert wird.
Australien selbst ist noch wesentlich älter als seine Ureinwohner. Seit über 40 Millionen Jahren ist der Kontinent von den übrigen Landmassen getrennt und hat daher eine sehr eigenständige Entwicklung durchlaufen. Das Alter der ältesten Felsformationen wie der Hamersley Range im Westen wird sogar auf fast drei Milliarden Jahre geschätzt.
Für die Aborigines verkörpern die Devils Marbles (Teufelsmurmeln) südlich von Tennant Creek die Eier der Regenbogenschlange (Northern Territory)
Geografisch gesehen gliedert sich Australien in einen dicht besiedelten, nur bis zu 65 Kilometer breiten Küstenstreifen im Osten, getrennt vom übrigen Teil des Landes durch den 3200 Kilometer parallel zur Küste verlaufenden Gebirgszug der Great Dividing Range, der wichtigsten Wasserscheide Australiens, und den dünn besiedelten großen Rest mit tropischem Regenwald im Norden, mitteleuropäisch anmutenden Landschaften im Süden, Halbwüsten im überwiegend ebenen Landesinneren, der mittelaustralischen Senke und endlosen, einsamen Küsten im Westen.
Golden Wattle (Goldakazie) – das nationale florale Emblem Australiens
Fast genau in der Mitte ragt der je nach Licht in unterschiedlichen Rottönen leuchtende Uluru (Ayers Rock) 348 Meter hoch aus dem Boden – das Wahrzeichen Australiens und eine heilige Stätte der Aborigines. Die rote Farbe des Monolithen wird durch Eisenoxide hervorgerufen, die auf dem roten Kontinent überall in den Böden und den Gesteinsformationen anzutreffen sind. So auch in den eindrucksvollen riesigen Sanddünen der Great Victoria Desert oder bei den bizarren Purnululu (Bungle Bungle), den wie riesige steinerne Bienenkörbe wirkenden Felsen im Norden Westaustraliens.
Im Gegensatz zum Rot stehen die intensiven Blau- und Türkistöne des Great Barrier Reef, einer fantastischen Unterwasserwelt am östlichen Rand des australischen Festlandsockels. Das größte Riff der Welt erstreckt sich vor der Ostküste vom Wendekreis des Steinbocks über 2000 Kilometer nach Norden bis über den nördlichsten Punkt Australiens, Cape York, hinaus.
Vereinfacht gesagt besteht Down Under in vielerlei Hinsicht aus...