Diese Verfahrenserledigung, für die man die tollsten Bezeichnungen und Umschreibungen er-/gefunden hat (Strafe folgt auf dem Fuße, Kurzer Prozess, Blitz-Verfahren, Turbo-Verfahren, Schnell-Verfahren, Ruckzuck-Verfahren, morgens geklaut – nachmittags Gerichtsverhandlung) war in einem besonderen Maße politisch gewollt. Zum „Beschleunigten Verfahren“, das wir in Osnabrück zusammen mit der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht konsequent angegangen sind, war ich wiederholt gefordert – ein Beispiel:
„Diebe werden abgeschreckt“
Händler begrüßen Schnellverfahren
Auf einhelliges Lob bei Osnabrücker Einzelhändlern stößt die Bereitschaft von Staatsanwaltschaft und Polizei, künftig von der neugeschaffenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, Ladendiebe innerhalb eines Tages aburteilen zu lassen.
Während der gestrigen Mitgliederversammlung beim Unternehmerverband Einzelhandel skizzierten der Leitende Oberstaatsanwalt Wulf-Eberhard Hennings und Kriminaldirektor Ernst Hunsicker das sogenannte „Beschleunigte Verfahren“ und gaben den Kaufleuten praktische Tips für dessen Umsetzung.
So sei es unbedingt notwendig, die Polizei sofort zu rufen, wenn ein Ladendieb erwischt worden sei. Der Wert der gestohlenen Ware spiele dabei nicht die größte Rolle. […]
Ernst Hunsicker hob die seit Jahren bestehende besonders gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz bei der Eindämmung von Beschaffungskriminalität und Ladendiebstählen hervor. Ausgesprochen hilfreich sei dabei auch die gute Kooperation mit der von den Einzelhändlern ins Leben gerufene „City-Streife“[2]. […]
Hunsicker warnte gleichzeitig vor zu hohen Erwartungen: Erfahrungen mit dem neuen Verfahren im doppelt so großen Bochum hätten zur schnellen Verurteilung von rund 20 Ladendieben geführt.
Ebenso wie Hennings unterstrich der Kriminaldirektor zugleich aber den hohen Abschreckungswert des beschleunigten Verfahrens. Für den gastgebenden Verband meinte Geschäftsführer Peter Konermann in diesem Zusammenhang, im Gegensatz zu Bochum hätten Polizei und Staatsanwaltschaft in Osnabrück volles Verständnis für die Sorgen der Einzelhändler, und sie fühlten sich wirksam unterstützt. Unter Beifall dankte Dieter Rauschen als Präsident des Verbandes Osnabrück-Emsland Hennings und Hunsicker für die versprochene Umsetzun
(fr)
Quelle: Neue Osnabrück Zeitung vom 19.01.1997.
Als ich 1967 meinen Dienst bei der Osnabrücker Kriminalpolizei begann, gab es so gut wie keine „Drogenverstöße“. In Ausnahmefällen waren Strafanzeigen gegen Ärzte/innen oder Apotheker/innen zu bearbeiten, weil sich diese aus ihren „Giftschränken“ illegal bedient hatten.
Die ersten illegalen (Weich-)Drogen brachten Ende der 60er Jahre ganz offensichtlich – auch bekannte – Bands aus den Niederlanden und England nach Osnabrück, die im „Schweizerhaus“ an der Rheiner Landstraße „aufspielten“: Sie hatten nicht nur Groupies im Gefolge, sondern auch Cannabisprodukte im Gepäck. Hier liegen die Anfänge der sich danach entwickelnden Osnabrücker Drogenszene, die dann später ausuferte und in der Konsequenz zum „Osnabrücker-Anti-Drogen-Modell“ führte.
Dieses „Anti-Drogen-Modell“ hat die Stadt Osnabrück immer wieder ins Gespräch gebracht. Wiederholt erschienen Journalisten oder gar Fernsehteams, die danach über das Erfolgsmodell berichtet haben. Auch auswärtige Polizeidienststellen zeigten sich interessiert. Ein Beispiel:
Polizeipräsidium Mönchengladbach – Der Polizeipräsident (Auszug)
Mönchengladbach, 13.08.1997 Sehr geehrter Herr Hunsicker,
über Ihre schnelle und umfangreiche Reaktion auf meine Anfrage habe ich mich sehr gefreut und ich darf Ihnen ganz besonders herzlich für die Übersendung des Schriftgutes zum „Osnabrücker Modell“ danken.
Obwohl ich mich natürlich noch nicht in alle Einzelheiten habe vertiefen können, bin ich jedoch von der Komplexität Ihres Maßnahmenkatalogs beeindruckt. Die Kunde von Ihren Aktivitäten ist nicht nur in das angrenzende Westfalen, sondern auch in die „Rheinschiene“ geschwappt und hilft bei der Vorbereitung auf fachliche Diskussionen. Ich darf mich auch insbesondere dafür bedanken, daß Sie mir einen Pressespiegel mitgeschickt haben, der mir den Stand der Diskussion kurzfristig nahe bringt.
Mit den besten Wünschen für einen Erfolg Ihrer Arbeit verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Walter Büchsel
Im Mittelpunkt des Interesses stand der eigentlich idyllische Schlossgarten hinter dem Hauptgebäude (Schloss) der Universität Osnabrück. Diese Örtlichkeit, die besonders die Studierenden und viele Osnabrücker/innen als Naherholungsort nutzen, war Anfang der 90er Jahre zu einem „Drogenterritorium“ verkommen. Deshalb gab es nicht nur fortlaufend von unmittelbaren Anliegern Beschwerden. Um den Druck auf die Polizei und die Stadt (Verwaltung, Politik) zu erhöhen, wurde immer wieder die örtliche Presse eingeschaltet.
In meinen „Authentischen Polizei- und Kriminalgeschichten …“ (Teil 2) habe ich die Drogenszenerie geschildert (Seiten 118 ff.).
Polizei und Stadt haben mit dem „Osnabrücker Modell“ (Repression, Prävention und Hilfen) reagiert, das bundesweit Furore machte. Jetzt hatten wir eine positive Presse – sogar über Osnabrück hinaus:
Drogenpolitik in NRW bald liberaler,
aber Osnabrück zeigt: Härter ist besser
Von PETER LAMPRECHT
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen steht in der Drogenpolitik vor einer Richtungsentscheidung. Liberalisierungs-Schritte nach dem Vorbild Hessens, Schleswig-Holsteins oder der Niederlande streben Politiker der regierenden Koalitionsparteien an. Sie finden zunehmend Unterstützung unter den politischen Beamten an der Spitze von Justiz- und Polizeibehörden. Die Opposition und Teile der SPD setzen dagegen auf eine Verbesserung der geltenden Politik, die Strafandrohungen und Hilfsangebote kombiniert. Ein diese Woche bekanntgewordenes Beispiel aus Niedersachsen setzt neue Akzente.
[…]
Ein Blick wenige Kilometer hinter die Grenze des SPD-regierten Bundeslandes Niedersachsen zeigt, daß es zu einer resigniert zurückweichenden Drogenpolitik eine erprobte Alternative gibt. In der April-Ausgabe des Fachblattes „Kriminalistik“ berichtet der Osnabrücker Kriminaldirektor Ernst Hunsicker über „Das Osnabrücker Anti-Drogen-Paket“. Wichtigstes Ergebnis: Die Kriminalität in der Stadt und ihrem Umland ist überdurchschnittlich gesunken. […]
„Verfolgungsdruck“, so Osnabrücks Kriminaldirektor, habe auch dazu beigetragen, daß „Junkies“ Hilfsangebote verstärkt annehmen. […]
Maßnahmen-Beispiele aus Osnabrück:
Wie sonst überall nur bei Banküberfällen üblich, wird in Osnabrück auch bei Tankstellen-, Spielhallen oder Imbissbudenraub – oft Spezialfällen der Beschaffungskriminalität Drogenabhängiger – eine „Tatortbereichfandung“ ausgelöst: Im weiteren Umfeld des Tatort beginnt die Suche nach möglichen Tätern, oft mit Erfolg.
Osnabrücks Polizei richtete eine „Arbeitsgruppe Beschaffung“ aus Schutz- und Kriminalpolizisten ein, die mit einer „AG Raub“ und einer „AG Rauschgift“ im gleichen Kommissariat zusammenarbeitet: 1996 kam es zu einem Rückgang der registrierten Beschaffungsdelikte um über 39 Prozent!
Unter Einbeziehung der elektronischen Datenverarbeitung nimmt Osnabrücks Polizei sogenannte „Anhaltemeldungen“ von routinemäßigen Personen- und Fahrzeugüberprüfungen insbesondere auch in den Schwerpunkten zu den Akten: So werden bestimmte Bewegungen der Drogenszene dokumentiert, bevor es zu kriminellen Aktivitäten kommt. Der Zugriff danach wird erleichtert.
Seit 1989 arbeitet eine ressortübergreifende „Präventionskommission“ in Osnabrück: 27 Ämter, Hilfsorganisationen, Kirchen etc. beraten und beschließen gemeinsam mit der Polizei Maßnahmen von der Aufstellung eines Spritzenautomaten bis zur Ausweisung oder Abschiebung ausländischer Dealer. […]
Quelle: WELTamSONNTAG (NRW AM SONNTAG) vom 29.04.1997, Seite 127.
Meine Veröffentlichungen zum Thema „Kommunale Kriminalprävention“ haben die Osnabrücker Bemühungen und auch mich bekannt gemacht. Eines Tages rief mich Edwin Kube, Abteilungspräsident im Bundeskriminalamt Wiesbaden, an und fragte, ob ich an der Mitwirkung...