DAS ERSTE HALBE JAHR
Schreien, erschrecken, Ruhe finden – Babys zeigen ihre Gefühle ungefiltert und spontan. Wenn Mutter und Vater einfühlsam auf die Gefühlsäußerungen ihres Kleinen reagieren und es ernst nehmen, dann spürt es, dass es so, wie es ist, in Ordnung ist.
Doch wie steht es mit dem Körpergefühl? Was können wir als Eltern tun, damit das Kind seinen Körper gut kennt, und spürt, was er braucht? Wie lernt es seinen Körper lieben?
Machen wir uns klar, dass Gefühle wie Freude, Angst, Traurigkeit und Liebe grundsätzlich mit dem eigenen Erleben des Körpers verwoben sind. Damit Kinder ihre Gefühle kennenlernen können, müssen sie ihr Körpergefühl entwickeln – und umgekehrt. Streicheln und Gestreicheltwerden, Tasten und Greifen passieren primär auf der Haut, unserem größten Sinnesorgan. Für Babys und Kleinkinder ist es ein besonders wichtiges Wahrnehmungsorgan. Mit Bewegungsspielen und -übungen, sanften Massagen, Kuschel- und Fingerspielen unterstützen wir das Kind dabei, ein gutes Körpergefühl zu entwickeln. In dem Maß, in dem es seine Bewegungen beherrschen lernt, wächst sein Vertrauen in sich und in die Welt.
Als Erwachsene denken wir nicht mehr über alltägliche Bewegungsmuster nach. Wir schauen nicht mehr auf unsere Füße, wenn wir laufen. Beim Fahrradfahren kämpfen wir nicht mehr mit der Balance. Höchstens beim Tanzkurs sehen wir wieder unseren Füßen zu, weil wir uns der Schrittfolge nicht sicher sind. Wer einmal schwimmen gelernt hat oder Schlittschuhlaufen, verlernt es nie wieder. Nach einer längeren Pause fällt der Einstieg manchmal nicht ganz leicht, doch die Bewegungsmuster sind noch da. Eher macht uns mit zunehmendem Alter die Angst zu schaffen, wir könnten fallen und uns ernsthaft verletzen.
ÜBER DIE HAUT DIE WELT ERFAHREN |
Für die körperliche und geistige Entwicklung ist es wichtig, Babys häufig nackt strampeln zu lassen: Sie gewinnen nicht nur mehr Bewegungsfreiheit, sondern sie spüren auch unmittelbar jede Berührung. Es empfiehlt sich also, viele der Übungen in diesem Buch mit möglichst wenig Kleidung am Körper zu machen. Einzige Voraussetzung: Es muss warm genug sein. |
Und das Baby? Es schaut seiner Hand zu, während es versucht, nach etwas zu greifen. Es spürt und ertastet etwas und lässt es dann – zunächst ungewollt – wieder los. Beobachten und Fühlen werden verknüpft.
Dieses Hinschauen hängt damit zusammen, dass unser Gehirn ein Modell dessen braucht, was „draußen“ passiert. Die Ergebnisse werden an das Gehirn gemeldet und verarbeitet.
OHNE BEWEGUNG KEINE OPTIMALE ENTWICKLUNG |
Bewegung ist für Babys bereits im Mutterleib enorm wichtig. Im Fruchtwasser können sie sich frei bewegen und lernen sogar schon, den Daumen zum Mund zu führen und daran zu saugen. Ist ein Baby im Bauch der Mutter lebhaft und „tritt“ auch mal, ist das für die Hebamme oder den Arzt ein Zeichen, dass es dem Kind gut geht. |
Anregungen für die ersten Wochen
Wenn das Kind ausgeschlafen und satt ist, ist ein guter Moment für eine kleine Spielrunde auf der Wickelkommode. Diese Höhe ermöglicht Mama oder Papa eine rückenschonende Haltung. Aus dem Stillkissen und einem weichen Handtuch baut man für das Kind ein Nestchen, in dem es sich durch die Begrenzungen geborgen fühlt.
Wo sind die Finger?
Beugen Sie sich leicht vor und sprechen Sie ruhig mit Ihrem Kind. Vielleicht leiten Sie das Spiel mit einem Lied ein und wecken so seine Aufmerksamkeit. Das folgende Lied wird zur Melodie von „Alle meine Entchen“ gesungen. Ihr Kleines wird Ihnen gebannt lauschen und Ihre Hände beobachten, die Sie vor seinen Augen drehen. Dann nehmen Sie die kleinen Händchen in ihre Hände und führen die Finger des Babys sanft zu seinem Mund. Es wird daran saugen und seine Trinkfähigkeit stärken. Gleichzeitig wird die Koordination von Händen und Mund angeregt. Bauen Sie bei den ersten Schmusespielen immer wieder umhüllende Gesten ein, indem Sie das Baby mit Ihren Armen umfassen.
Gelbe Sonnenblumen wiegen sich im Wind, wiegen sich im Wind. Drehen den Kopf zur Sonne, Sonnenkinder sind’s. |
Bei allen spielerischen Übungen mit einem kleinen Säugling sollten Sie zwei Dinge berücksichtigen: Zum einen hilft es, das Kind und seine Bedürfnisse aufmerksam zu beobachten – müde oder hungrig spielt es sich nicht gut. Zum anderen empfiehlt es sich, Neugeborene nicht zu zaghaft anzufassen. Ein klarer Griff vermittelt Sicherheit, aber selbstverständlich darf er nicht wehtun. Bestimmt werden Sie schon nach kurzer Zeit ein gesundes Mittelmaß dafür gefunden haben.
Noch heute bin ich der resoluten Kinderkrankenschwester dankbar, die mir nach der Geburt meiner ersten Tochter auf der Neugeborenenstation beim Wickeln zusah. Sie schüttelte den Kopf und sagte energisch: „Jetzt fassen Sie das Kind doch mal richtig an. Das weiß doch gar nicht, was Sie wollen!“
Dem kann ich nur hinzufügen: Was beim Umziehen, Wickeln und Hochnehmen wichtig ist, gilt ebenso für die in diesem Buch versammelten Bewegungsanregungen.
Die Füße sind wie die Hände und der Mund Tastorgane, über die der Säugling die Welt kennenlernt. Wann immer es draußen oder im Raum warm genug ist, können Sie auf Socken verzichten. Nackte Füßchen zu bewegen bringt Spaß, und durch die vermehrte Bewegung wird die Durchblutung angeregt. |
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viele Redensarten von den Füßen handeln? Jemand ist gut zu Fuß, der Sohn will auf eigenen Füßen stehen, im neuen Beruf fasst man Fuß. Oder man ist mit dem linken Fuß aufgestanden, bekommt angesichts einer großen Herausforderung kalte Füße, hat sich beim Einkaufen die Füße wund gelaufen und hat danach Füße wie Blei. Als Erwachsene müssten wir eigentlich wissen, wie wichtig gesunde Füße sind. Damit unsere Kinder später gut zu Fuß sind, können wir einiges tun.
Streck den Fuß!
Mit einem einfachen Trick lassen sich Babys zum Strecken der Füße anregen. Dazu muss man nur mit dem Finger die Ferse berühren. Automatisch streckt es den Fuß und die Zehen aus. Probieren Sie auch aus, anstatt der Ferse die Zehen zu berühren. Der Säugling zieht dann die Zehen an. Das ist in diesem Alter schlichtweg einem Reflex geschuldet, dem Fuß-Greif-Reflex, der bis zum Ende des ersten Lebensjahres bestehen bleibt. Der Hand-Greif-Reflex verschwindet schon früher, nämlich Ende des neunten Lebensmonats.
In der Gebärmutter war das Baby umschlossen und geschützt. Nun hat es Bewegungsfreiheit, doch die empfindet es eher als Verunsicherung. Wir können ihm helfen, sich weiterhin geborgen zu fühlen, wenn wir es auf eine bestimmte Weise anfassen. Beispiel: Beim Halten geben wir immer wieder einen leichten Gegendruck an den Fußsohlen oder wir umfassen die Händchen. So spürt es seine „Grenzen“. |
Zur Seite ausstreichen
Nehmen Sie einen Fuß wie auf der Abbildung zwischen Ihre Hände. Das geht gut auf der Wickelkommode oder auf dem Schoß. Massieren Sie die Fußsohlen in die Länge und in die Breite. Dies hat eine herrlich beruhigende Wirkung auf neugeborene Kinder, allerdings nur, wenn Sie mit leichtem Druck ausstreichen. Zu zaghaftes Streichen kitzelt mehr.
Fliegen für die Allerkleinsten
Babys wollen und sollen auch viel getragen werden. Nirgends fühlen sich Neugeborene so wohl wie in Mamas oder Papas Arm. Sie genießen den vertrauten Geruch, die Nähe und das Schmusen. Meist trägt man das Neugeborene an die eigene Schulter gelehnt, wobei der Kopf an oder auf der Schulter ruht, oder in der Armbeuge, wie in einem Nest.
Man kann es auch waagerecht tragen. Auf diese Weise hebt es nach und nach leicht den Kopf, streckt die – freien – Arme in die Luft und stärkt die Rückenmuskulatur. Wie hält man das Neugeborene dabei richtig? Man schiebt einen Arm zwischen den Beinen des Babys hindurch und legt die Hand unter den Bauch. Der Brustkorb des Kindes ruht auf dem anderen Unterarm, wie auf der Zeichnung zu sehen. Das Baby kann seinen Kopf jederzeit entspannt ablegen. Die Ellenbogen des Kindes sollten vor den kleinen Schultern sein, die Hände können sich dabei berühren. Bei dieser Art zu tragen kann das Kind Arme und Beine frei bewegen.
Wenn man mit Freunden und Familie zusammensitzt, kann das Kind in ähnlicher Haltung auf den Oberschenkeln ruhen. Die Beine des Erwachsenen werden übereinandergeschlagen. Das Baby legt man mit Bauch und Becken auf...