Die Konstante einer Nation
Das Land hält kurz inne, das Alltagsleben stoppt, wenn die Nationalhymne erklingt. Jeden Tag, Punkt 8 Uhr. Dasselbe passiert, wenn der König spricht. Er ist der Vater des Landes, streng und gutmütig, immer weise, immer der Halt für alle Thais. Dieser Halt hieß knapp 70 Jahre lang Bhumibol Adulyadej. Dann kam der 13. Oktober 2016: Der neunte Rama der Chakri-Dynastie starb und ein Land versank in einem Trauerrausch.
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Familie Bhumine im Juli 1966. Ganz links der aktuelle Herrscher Maha Vajiralongkorn.
IHN, König Bhumibol, respektierten alle: die Militärs, die Buddhisten und Muslime, Regierung und Opposition, Gelbhemden und Rothemden, der CEO eines global aufgestellten Konsortiums und der Arbeiter vom stinkenden Hafen Klong Thoey. Ein Beispiel aus vergangenen Tagen: Als 1992 hunderte Demonstranten vom Militär erschossen wurden, bestellte der König den General Premierminister und den Oppositionsführer ein. Vor laufenden Fernsehkameras mussten sich die Kontrahenten vor Bhumibol niederwerfen und hörten sich danach kniend ihre Standpauke an wie Schulbuben. Weiteres Blutvergießen gab es nicht mehr und bald auch wieder geregelte Regierungsgeschäfte. Damals wie heute gilt: Der König ist Staatsoberhaupt, hat zwar keinen offiziellen Einfluss auf die Tagespolitik, doch Bhumibol hat mehrfach gezeigt, wenn er das Wort erhebt und Stellung bezieht, dann wird von der Politik auch entsprechend gehandelt.
Und nun alles anders?
Und jetzt? Ist jetzt alles anders in Thailand mit dem neuen König Maha Vajiralongkorn? Ja. Und Nein. Nein, weil auch Bhumibols einziger Sohn und Nachfolger, Maha Vajiralongkorn, als zehnter Rama der Chakri-Dynastie der König aller Thailänder ist. Ja, weil fraglich ist, ob sein Wort so viel Gewicht haben wird wie das seines Vaters. Ja, weil sie ihn nicht mögen, seinen Lebensstil unpässlich finden und weil er mehr in München und Tutzing am Starnberger See ist als in Bangkok und der Sommerresidenz Hua Hin. Offen sagt das niemand, aber fast alle hinter vorgehaltener Hand. Der neue König feiert die Partys, wie sie kommen, und der Lebemann gibt das Geld auch gerne mit vollen Händen aus. Ein königlicher Jet ist am Münchner Flughafen geparkt, weil in seiner schönen, gelb gestrichenen Tutzinger Villa sein jüngster Sohn mit seiner jüngsten Liebe lebt. Er hatte die Stewardess auf einem Thai-Airways-Flug kennen gelernt. Insgesamt hat Maha Vajiralongkorn 13 Kinder von fünf Frauen. Das alles mögen die Thais nicht. Aber er ist jetzt nun mal ihr König und deshalb respektieren sie ihn, nur wie einen Vater lieben werden sie ihn nicht, schon gar nicht so wie seinen Vater. Lieben würden sie Bhumibols zweite Tochter Sirindhorn, die ihren Vater zu all seinen inländischen Entwicklungshilfeprojekten begleitete und diese übernahm, als der Papa krank wurde.
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König Maha Vajiralongkorn, offiziell Rama X., tritt in große Fußstapfen.
Militär und bunte Hemden
Das alles wird dazu führen, dass die Militärs noch eine ganze Weile die Nation regieren werden. Wahlen sind nicht vor Ende 2018 vorgesehen, da die Generäle das Land unter Maha Vajiralongkorn als nicht besonders stabil sehen und der Konflikt zwischen den königstreuen, mittelständischen Gelb(hemd)en und den armen, ländlichen Rot(hemd)en wohl sofort wieder eskalieren würde. Gelb- und Rothemden werden so genannt, weil sich einige Zeit lang Millionen im Land mit diesen Farben bei Massendemonstrationen kleideten und so Farbe bekannten und Gesinnung zeigten. Wenn man nun verstärkt auch lilafarbige Hemden auf den Straßen im Land sieht, dann outen sich damit die Anhänger von Prinzessin Sirindhorn, denn Lila ist ihre Farbe, so wie Gelb die Farbe von Bhumibol Adulyadej war.
Wenn um 8 Uhr alles still steht
Hauptbahnhof Bangkok, genau 7.59 Uhr: Es herrscht geschäftiges Treiben. Einer rennt, um seinen Zug zu erwischen, ein anderer schläft im Sitzen, weil er noch warten muss. Doch eine Minute später stehen beide stramm. Der eine hat aufgehört zu rennen, der andere aufgehört zu schlafen. Die Nationalhymne erklingt aus den Lautsprechern, und Hua Lumphong, der Bahnhof, erstarrt wie in Eis. Keiner bewegt sich: »Thailand den Thailändern. So bleibt es, denn alle Thailänder sind in Einigkeit miteinander verbunden ...« schallt die Hymne für den wichtigsten aller Thais, den König ...