© Dumont Bildarchiv/Sabine Lubenow
Wer die Ruhe sucht, findet sie auch am Strand bei Kampen
KÖniglicher Hochgenuss
Während sich manch einer schon schüttelt, wenn er nur an Austern denkt, rühmen Feinschmecker die »Sylter Royal« für ihren einzigartigen, nussig-herben Geschmack. Ein Besuch in Dittmeyer’s Austern-Compagnie, wo die edlen Schalentiere seit 1986 gezüchtet werden …
ES ist Schietwetter auf Sylt. Wer hier Urlaub macht, geht ins Museum oder bleibt bei einer Tasse Tee mit dem Mors auf dem Sofa. Bei Dittmeyer’s Austern-Compagnie spielt das Wetter keine Rolle, die Angestellten müssen raus ins Wattenmeer, und wenn es junge Hunde regnet. Betriebsleiter Christoffer Bohlig hat sich »wattfein« gemacht; so nennt der Austernzüchter das, wenn er sich bei Niedrigwasser in Gummistiefel, Wathose und Regenjacke zwängt, um seinen edlen Schalentieren in der Blidselbucht zwischen Kampen und List einen Besuch abzustatten. Auf einer Fläche, fast so groß wie 50 Fußballfelder, gedeiht auf so genannten Tischkulturen die »Sylter Royal«.
Königliche Pflege
Austern sind anspruchsvolle Geschöpfe; sie wollen umhegt und gepflegt werden. Für die Austernzüchter ist es ein echter Knochenjob; sie müssen die bis zu 20 Kilogramm schweren Netzsäcke mit den Austern – im Fachjargon »Poches« genannt – drehen und wenden, schütteln und rütteln, Seetang und Algen müssen entfernt werden. Die im wahrsten Sinne des Wortes anhänglichen Austern dürfen auf keinen Fall zusammenwachsen. Nur wenn sie stetig vom klaren, salzigen Nordseewasser um- und durchspült werden, erhalten sie ihr einzigartiges Aroma.
Ab in die Waschmaschine
Das Meerwasser benötigen die Austern wie wir die Luft zum Atmen. Wenn es aber zu frieren beginnt, müssen die verkaufsfertigen Exemplare mit dem Traktor ans Festland transportiert werden. Dort geht es dann ab in die Waschmaschine. Im Schongang werden Schlick und Algenreste entfernt – klingt es hohl unter der Schale, ist die Auster bereits tot und wertlos.
Importierte Austern
Seit 1986 werden vor Sylt Austern kultiviert. Rolf H. Dittmeyer, den meisten wohl eher als Orangensaft produzierender »Onkel Dittmeyer« ein Begriff, gründete gemeinsam mit seinem Sohn Clemens die erste und bis heute einzige Austernzucht-Station in Deutschland. Mehr als zwei Millionen Austern werden hier jährlich produziert. Das Austernfischen hat eine jahrhundertealte Tradition in der Nordsee, doch nach der gnadenlosen Überfischung hieß es zu Beginn des 20. Jh.s: Aus für die Auster. Dittmeyer importierte die pazifische Felsenauster, ein robustes, schnell wachsendes und eben äußerst wohlschmeckendes Exemplar. Die Jungaustern werden in so genannten »Hatcheries« in Irland geboren und dort bis zu einem Gewicht von rund 30 Gramm aufgepäppelt. Erst dann können sie ihre Kinderstube verlassen und vor Sylt reifen. Rund zwei Jahre dauert es dann, bis die »Sylter Royal« ihr optimales Verkaufsgewicht von rund 80 Gramm erreicht hat. Was den gesalzenen Preis ein wenig relativiert. Wen die gut drei Euro pro Exemplar abschrecken, dem ist vielleicht mit einem Zitat des Dichters Theodor Fontane geholfen, der da einst sagte: »Ein Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können …«
Blutige Anfänger
Auf der Insel isst man die Austern natürlich am besten im Bistro von Dittmeyers Austern Compagnie in List oder ein paar Meter weiter in der »Austernperle«. Dort wird auch mutigen Anfängern gezeigt, wie man der Auster zu Leibe rückt. Denn die Redensart vom »blutigen Anfänger« ist beim Versuch, Austern zu öffnen, allzu oft zur Realität geworden. Ohne das spezielle Austernmesser geht gar nichts, selbst damit dauert es eine Weile bis man den Dreh raus hat. Auf Reet gebettet und in kleinen Holzkisten verpackt, werden die online bestellten Austern auch versandt. 25 Stück kosten 35 Euro.
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Die »Sylter Royal«: geboren in Irland, gereift vor Slyt
Mehr Als Nur Ein Maritimes Erbe
Die Friesen hängen an ihren Brauchtümern, die manch einer sonderbar finden kann: Sie reiten im vollen Galopp auf ein Gestell zu, um mit einer Lanze einen Ring aufzuspießen. Haben sie den Ring mit ihrer Lanze erwischt, wird er beim nächsten Anlauf noch kleiner. Sie reden Friesisch, dabei versteht der Friese auf Sylt den auf Föhr nicht richtig. Die Föhrer Junggesellen treffen sich im »Hualewjonken«, im Halbdunkeln, und die Föhrer Frauen tragen gerne Jahrhunderte alte Trachten.
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RUND 50 000 Menschen , die sich von Abstammung und Selbstverständnis her als Nordfriesen fühlen, leben in Schleswig-Holstein, viele von ihnen auf den Inseln und den Halligen. Die Bestrebung, einen nordfriesischen Staat zu gründen, fand nie eine Mehrheit. Eine eigene Flagge haben die Nordfriesen allerdings schon. Gehalten ist sie in den Farben »gölj, rüüdj, ween«, also gelb, rot und blau. Auf dem Wappen findet man neben der dänischen Krone und einem halben deutschen Reichsadler auch einen Grütztopf. Der Legende nach sollen wackere friesische Frauen Eindringlinge mit Geschossen aus heißer Grütze vertrieben haben … (>>>)
Alte Traditionen
Fakt hingegen ist, dass gewisse Traditionen wie das Ringreiten oder das BiikeBrennen – zur Vertreibung der Wintergeister bzw. zur Verabschiedung der Walfänger – gepflegt werden. Beim Ringreiten wird derjenige als König gekrönt, der den kleinsten Ring aufspießen konnte, seit den 1920er Jahren dürfen daran auch die Frauen teilnehmen. Das »Hualewjonken« auf Föhr hingegen ist reine Männersache und auch noch nicht so furchtbar alt. Dabei treffen sich die Junggesellen, aber nur so lange, bis einer ein Mädchen sieben Mal ausgeführt hat, dann heißt es »Üütjschiten«, was übersetzt »Ausschießen« heißt, aber Ausschließen bedeutet. Steht der junge Mann nicht zu seinem Mädchen, wird er von den anderen in eine Karre gepackt und aus dem Dorf geworfen.
Die Föhrer Frauen wiederum zeigen sich gern in Tracht. Das wirkt bisweilen arg anachronistisch, wenn sie sich in ihren langen Röcken und den steifen Hauben zu mittelalterlich anmutenden Klängen im Kreis drehen. Und doch, selbst die jungen Friesinnen tanzen mit. Im normalen Leben scheinen auch sie fest mit ihrem Smartphone verwachsen zu sein, tragen Jeans und Sweater – aber wenn es Anlass zum Feiern gibt, werfen sie sich in die Festtagstracht von anno dazumal.
Trachten zeigen Reichtum
Dass diese so prachtvoll ist, hat mit der Ära des Walfangs im 17. Jh. zu tun. Die zu Geld gekommenen Männer brachten ihren Frauen Seidenstoffe und Silberschmuck mit, der in filigraner Form seit jeher vor der Brust getragen wird: silbrige Knöpfe, filigrane Ketten mit Herz, Kreuz und Anker als Symbol für Glaube, Liebe und Hoffnung. Über dem langen, kunstvoll gefalteten Rock, dem Pai, wird eine weiße Schürze getragen. Es dauert eine ganze Weile, bis die Damen fertig angekleidet sind, allein die Fransen des Schultertuchs werden mit rund 60 Nadeln festgesteckt. Und dann ist das Kopftuch noch längst nicht fertig. Schließlich setzt man dem Ganzen zwar nicht die Krone, aber eine mit Perlen bestickte Haube auf. Bei verheirateten Frauen ist sie rot und wird scherzhaft auch »Warndreieck« genannt.
Geschütze Minderheitensprache
Wenn bei solchen Anlässen Friesisch gesprochen wird, verstehen selbst diejenigen »Bahnhof«, die des norddeutschen »Platt« mächtig sind. »Ik skal uun fering tuwais« heißt sinngemäß: »Ich geh in Friesisch raus.« Das Friesische ist eine eigenständige Sprache und zählt zur westgermanischen Sprachgruppe. Es wird von knapp 10 000 Menschen gesprochen, geschützt von der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Auf Föhr spricht man Fering, auf Amrum das eng verwandte Öömrang, auf Sylt hingegen Söl’ring, während das wieder etwas andere Hallig-Friesisch inzwischen ausgestorben ist. Damit das nicht auch mit den anderen friesischen Mundarten passiert, wird in vielen Grundschulen wieder Friesisch unterrichtet.
»Goldenes Zeitalter«
Bei einem klassischen Heimatabend auf Föhr werden Shantys zum Besten gegeben, und die Trachtengruppe aus Wyk präsentiert die schönsten Trachten. Vor allem aber erfährt man an diesem Abend allerlei über das gesellschaftliche Leben in den früheren Jahrhunderten, insbesondere über das »Goldene Zeitalter«, in dem die Männer teils monatelang auf den Walfangschiffen unterwegs waren und die Frauen den wahrlich nicht immer einfachen Insel-Alltag ohne ihre »Kerle« bewältigen mussten. Bei einer Veranstaltung im Friesenmuseum können die Trachten genauer unter die Lupe genommen – und teilweise sogar anprobiert werden. Infos unter www.foehr.de
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Der Abschied der traditionell gekleideten Frauen von den davonsegelnden Männern war früher bitterer Ernst.