Das kommunale Planungsrecht, vorrangig das Bauplanungsrecht, hat in den letzten Jahren eine kaum vorstellbare Komplexität erreicht. Den Gründen ist hier nicht nachzugehen1; sie mögen berechtigt, sinnvoll, unausweichlich und zukunftsorientiert sein. Für die Praxis ist zu konstatieren, dass die formell und materiell relevante Regelungsdichte die Aufstellung eines Bebauungsplans oder die Erteilung einer Baugenehmigung nach §§ 34 oder 35 BauGB zu einem z. T. höchst schwierigen (und damit rechtsunsicheren) Unterfangen gemacht hat. Strenge Formvorschriften stehen Planerhaltungsregelungen gegenüber. Probleme, die im Bebauungsplanverfahren abgearbeitet werden können, „konkurrieren“ mit Fragen, die zuvor oder parallel zum Bebauungsplanverfahren oder zur Genehmigung abschließend zu klären sind.
Mit der nachfolgenden Darstellung soll der Versuch unternommen werden, ein rechtssicheres Prüfungs- und Bearbeitungssystem aufzuzeigen, um nicht den Weg zum sicheren Baurecht zu verlieren, sondern erfolgreich zum Ziel zu kommen – oder: je nach Aufgabenstellung, anderen aufzuzeigen, dass sie es nicht geschafft haben!
Die folgenden Seiten wollen Lotsenfunktion übernehmen. Es soll aufgezeigt werden, auf was formell und materiell geachtet werden muss, was die Rechtsprechung verlangt, um einen Bebauungsplan als wirksam und rechtmäßig zu akzeptieren. Viele Gerichtsentscheidungen werden mit ihren maßgeblichen Aussagen zitiert, um ein Gefühl für die Anforderungen zu prägen (und das Suchen der Entscheidungen zu vermeiden). Der Text soll für Fragestellungen, die auftauchen oder sonst übersehen werden, Wege zu Antworten und Lösungen aufzeigen; dabei helfen dann Fachgutachten und Kommentare; beides kann der folgende Text nicht ersetzen.
Die nachfolgende Darstellung der Bauleitplanung weicht bewusst von der Methode eines Kommentars oder eines Lehrbuchs ab. Ansatzpunkt ist die systematische, d. h. schrittweise Prüfung der Rechtmäßigkeit eines in Kraft getretenen Bebauungsplanes, eines Bebauungsplanentwurfes oder eines laufenden Bebauungsplanverfahrens.
Diese Methode ist unabhängig davon anwendbar, ob der Bebauungsplan auf seine Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Investitionsentscheidung überprüft wird oder Nachbarn oder andere den Bebauungsplan „zu Fall bringen wollen“ und deshalb zur Ungültigkeit führende Fehler gesucht werden. Sie taugt auch zur nachsorgenden Überprüfung (z. B. im Vorfeld eines Normenkontrollverfahrens), wie zu einer das Aufstellungsverfahren begleitenden Beratung und Überprüfung, sei es auf Seiten der Gemeinde oder auf der Seite eines Bauwilligen.
Vor diesem Hintergrund ist das der Darstellung zugrunde gelegte Überprüfungsschema bewusst nach einem 6-stufigen „KO-System“ aufgebaut. Findet sich in einer Stufe ein beachtlicher Fehler, dann führt dies zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans, die weiteren Prüfungsstufen sind für die Rechtsgültigkeit des Plans nicht mehr von Bedeutung. Ob sinnvollerweise zur Vorbereitung der Heilung des Planes (trotzdem) die weiteren Verfahrensschritte durchgeprüft werden, ist eine Frage der jeweiligen Aufgabenstellung.
Die 6 Prüfungsstufen sind:
Stufe 1: | Bebauungsplanverfahren |
Stufe 2: | „Sichtprüfung“ des eigentlichen Plans |
Stufe 3: | Konformität mit übergeordneten Planungen |
Stufe 4: | Zulässige Festsetzungen |
Stufe 5: | Spezielle materiell-rechtliche Anforderungen an die Bauleitplanung |
Diesen Stufen folgt die Darstellung der Bauleitplanung.2
Auch für die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben wird ein Prüfungsschema dargestellt, das für die Feststellung der bauplanerischen Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens ebenso geeignet ist, wie für die Überprüfung der Frage, ob sich Nachbarn mit Erfolg gegen das Vorhaben wehren können. Hier wird das Augenmerk vor der Behandlung der wichtigen Einzelprobleme vor allem auf das Auffinden der einschlägigen Genehmigungsnorm gelegt. Auch dieser Darstellung wird ein praxisorientiertes methodisches Vorgehen zugrunde gelegt.3
Als Vorfrage ist stets zu prüfen, welches Recht anwendbar ist. Die Besonderheit des Bebauungsplanrechtes liegt darin, dass dies nicht automatisch und stets das derzeit geltende BauGB ist; anderes gilt für das Bebauungsrecht der §§ 34 und 35 BauGB.
Das Recht der Bauleitplanung zeichnet sich dadurch aus, dass die jeweilige Gesetzeslage in die ortsgesetzliche Satzung (Bebauungsplan, vorhabenbezogener Bebauungsplan) – das gilt auch für den Flächennutzungsplan, der keine Satzung ist – inkorporiert wird. Es handelt sich also um eine statische Bindung. Daraus folgt: Ändert sich das BauGB (oder die BauNVO), gelten die bisherigen, durch die Änderung außer Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen als Teil der gemeindlichen Satzung weiter. Die Rechtsgültigkeit des Bebauungsplans ist an dem Recht zu überprüfen, nach dem er hat aufgestellt werden müssen, nicht nach dem Recht, das zum Zeitpunkt der Überprüfung gilt. Das gilt ebenso für die nach diesem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben. Diese Feststellung gilt für alle Prüfungsstufen; sie gewinnt ihre besondere Bedeutung bei der Frage der jeweils anwendbaren BauNVO.4 Diese Tatsache macht das Recht der Bauleitplanung nicht einfacher; es ist tendenziell unübersichtlich.
Jede Prüfung eines Bebauungsplans beginnt deshalb mit der Frage:
Welche Fassung des BauGB (früher BBauG) findet für den Bebauungsplan Anwendung?
Neue Bebauungspläne sind jeweils nach dem derzeit geltenden Recht aufzustellen.5 Treffen laufende Bebauungsplanverfahren auf Gesetzesänderungen, gilt Übergangsrecht.6
Anderes gilt für die Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben im Innen- und Außenbereich. Hier ist jeweils die zum Zeitpunkt der Genehmigung eines Vorhabens geltende Fassung des BauGB anzuwenden. Insoweit liegt eine dynamische Bindung vor.
Es würde die Konzeption dieses Buches sprengen, wollte man den Versuch unternehmen, alle durch das BBauG und BauGB seit 1960 geschaffenen Rechtsschichten darzustellen. Darauf muss hier verzichtet werden.7
In diesem Skript wird die BauGB-Fassung 2013 und vom 20.11.2014 samt der Änderungen vom 15.07.20148 behandelt.
Am 27.01.1990 ist die BauNVO 90 i. d. F. vom 23.01.1990 (BGBl. I, 132) in Kraft getreten. Die BauNVO 1977 mit der Änderung des § 11 BauNVO im Jahre 1986 ist damit außer Kraft gesetzt worden. Nachstehend wird die BauNVO 90 mit ihren seither, einschließlich der Novelle 20139, vorgenommenen Änderungen dargestellt.
Zitate ohne Gesetzesangabe beziehen sich auf das derzeit geltende BauGB.
In der 1. Prüfungsstufe10 wird – methodisch bewusst losgelöst von allen anderen für die Rechtmäßigkeit des Planes bedeutsamen Fragen – ausschließlich geprüft, ob das im BauGB vorgeschriebene Verfahren fehlerfrei durchgeführt wurde.
Stufe 1: | Bebauungsplanverfahren |
Stufe 2: | „Sichtprüfung“ des eigentlichen Plans |
Stufe 3: | Konformität mit übergeordneten Planungen |
Stufe 4: | Zulässige Festsetzungen ... |