3. Etikette
Bei jedem Aktshooting stehen sich Fotograf und Modell in einer im sonst üblichen Alltag eher unüblichen Konstellation gegenüber. Während der Fotograf (oder die Fotografin) vollständig angekleidet hinter der Kamera Platz nimmt, steht das Modell nackt und bloß davor. Die gewohnten Grenzen des Miteinander verschieben sich so ein wenig, dürfen aber trotzdem nicht überschritten werden. Nachfolgend werden einige Grenzen aufgezeigt, damit Sie nicht im Fettnäpfchen oder gar vor Gericht landen.
Motivationen
Planen Sie den Einstieg in die Aktfotografie, schadet es nicht, über Ihre eigene Motivation nachzudenken. Kommen Sie zu dem Schluss, eher von Gier und Verzweiflung angetrieben zu werden, investieren Sie Ihr Geld statt in eine Kamera lieber in den nächsten Puff. Die Aktfotografie wird Ihnen keine Erlösung bringen. Vor allen Dingen sollten Sie spätestens an dieser Stelle auch mal darüber nachsinnen, weshalb sich eine hübsche junge Dame freiwillig vor Ihnen und Ihrer Kamera entblättern sollte.
Ich fotografiere sehr gerne hübsche, möglichst unverpackte Frauen, weil es nichts Reizvolleres und Schöneres gibt als eine schöne Frau – außer einer anderen schönen Frau natürlich. Mich reizt an diesen Frauen allein das Äußere, die Oberfläche, das fotografisch Erfassbare. Um die inneren Werte meiner Modelle mögen sich deren Ehegatten, Liebhaber oder beste Freunde kümmern. Die gehen mich nichts an. (Foto: Pete Ruppert)
Vielleicht mag sie ihren Körper, sie steht dazu und zeigt ihn gern. Vielleicht findet sie die Situation spannend und reizvoll, sich nackt vor einem fremden Mann zu rekeln, der trotzdem strikt auf Distanz bleiben muss. Vielleicht hat sie einfach nur Spaß daran, fotografiert zu werden. Vielleicht ist es für das Modell auch eine Art Therapie, eine Form der Selbstbestätigung. Möglicherweise braucht sie nur das Geld, das sie mit diesem Job verdient – mehr, schneller und einfacher als mit einer „richtigen“ Arbeit.
Was auch immer Ihr Modell antreiben mag – folgende Gründe, sich vor Ihnen auszuziehen, hat sie ganz sicher nicht, auch wenn sich das so mancher Kerl erträumen mag: zu wenig Sex, zu wenig Aufmerksamkeit, zu wenig Liebe. Ausnahmen von dieser Regel sind nur vorstellbar, wenn Sie genau so sind und aussehen wie Brad Pitt oder George Clooney. Aber wer tut das schon?
Fraternisierungsverbot
„Das Berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten!“ – Dies war die erste und wichtigste Regel, die ich lernte, als ich vor mehr als drei Jahrzehnten als Assistent bei einem Modefotografen anheuerte. Er erläuterte mir auch gleich, dass der Begriff „Pfoten“ ebenso sämtliche anderen Körperteile einschloss, die ich regelmäßig bei mir trug. An dieses Gebot habe ich mich bis heute gehalten. Sie sollten dies ebenfalls tun, möchten Sie nicht Ihren Ruf als Fotograf und Ihre Ehe oder Beziehung gleich mit ruinieren. Als Aktfotograf ist stets der Gentleman gefordert, nie der Playboy. Man behandelt sein Modell freundlich und zuvorkommend, behält aber eine gewisse Distanz bei, sowohl räumlich als auch in der Kommunikation. Apropos Kommunikation: Ein lockerer sprachlicher Umgang miteinander sollte nicht in „Gossensprache“ ausarten. Achten Sie also auf Ihr Vokabular!
Canon EOS-1DC 70 MM :: F/2.8 :: 1/160 S :: ISO 800
Vorbildliche Haltungsnoten für den Autor und sein Modell Bionda S. (Foto: Pete Ruppert
Bewahren Sie Haltung
Bewahren Sie Ruhe! Konzentrieren Sie sich auf Ihre Technik, auf Ihre Aufnahmen! Lassen Sie das Kopfkino ausgeschaltet, zumindest so lange, bis Ihr Modell gegangen ist. Im Grunde genommen müssen Sie einfach nur ignorieren, dass die Dame oder der Herr vor Ihrer Kamera nichts oder nur wenig anhat. Das mag anfangs nicht ganz einfach sein, wenn die Hormone durch die Hypophyse rauschen, aber man gewöhnt sich daran.
Ein definitives No-go ist das Anfassen oder Anbaggern Ihres Modells. Man starrt es nicht an, schaut nicht beim Aus- oder Anziehen zu. Dabei müssen Sie ihm auch sicher nicht behilflich sein. Fordert das Modell Sie doch ausnahmsweise einmal auf, ihr oder ihm kurz zur Hand zu gehen (zum Beispiel beim Schnüren eines Korsetts), erledigen Sie das dezent und höflich und mit der gebotenen Zurückhaltung. Schließlich sind Sie ja Künstler und kein Lustmolch. Und die Intimsphäre Ihres Modells sollte stets gewahrt bleiben, auch wenn es nackt durchs Studio hüpft.
Beherrschung
Sie sollten nicht nur sich selbst, sondern auch Ihre Fototechnik gut beherrschen. Die Grundlagen der Fotografie und der Kameratechnik sollten Ihnen schon vertraut sein, bevor Sie in die Aktfotografie einsteigen. Den sicheren Umgang mit Ihren Werkzeugen, z. B. Ihrer Kamera, Ihren Objektiven und Ihren Blitzgeräten, sollten Sie ebenfalls bereits weitestgehend im Griff haben. Posiert erst einmal eine junge Dame (oder ein schöner Mann) entblättert vor Ihrer Kamera, ist es definitiv zu spät, die Gebrauchsanweisung des Fotoapparats oder der Blitzanlage zu studieren. Schon des Öfteren haben Modelle, die häufiger nackt vor Amateurkameras stehen, darüber geklagt, dass es immer wieder Kunden gäbe, die nervös und ungeschickt an ihren Geräten rumfummeln, bis ihnen das Modell selbst erklärt, wie man eine Kamera bedient. Das dürfte nicht nur äußerst peinlich für den Fotokünstler sein, sondern auch eine ziemlich miserable Bildausbeute befürchten lassen. Bevor Sie also tief ins Fettnäpfchen eintauchen, machen Sie sich intensiv mit Ihren Geräten vertraut. Kommen dann immer noch schlechte Bilder bei Ihrem Shooting heraus, liegt es vermutlich nicht an der Kamera.
Begleitung
Einige Modelle bestehen darauf, zu einem Fototermin eine Begleitperson ihres Vertrauens mitzubringen. Meistens ist es der „feste“ Freund oder zumindest der „beste“ Freund, der als Anstandswauwau mitkommt, der sich aber in aller Regel ruhig und unauffällig verhält. Ein solcher Begleiter ist sehr von Vorteil. Zuerst einmal mindert er nicht nur das Risiko, dass der Fotograf dem Modell zu nahe kommt, er mindert auch das Risiko, dass das Modell dem Fotografen eine solche ungebührliche Annäherung vorwerfen könnte. Zum anderen ist der Begleiter ein willkommener Helfer. Bisher war auch noch jeder ohne Murren bereit, sich am Set etwas nützlich zu machen, sei es, indem er hilft, Teile der Ausrüstung zu tragen, sei es, dass er einen Aufheller hält oder darüber wacht, dass sich keine Fremden unbemerkt der Outdoor-Fotolocation nähern. Heißen Sie die Begleitperson also herzlich willkommen, sofern es sich nicht um die beste Freundin Marke „Schnatterbox“ handelt oder um den lieben Papa, der argwöhnisch über seine Prinzessin wacht und nicht an sinnigen Kommentaren spart.
NIKON D300 28 MM :: F/7.1 :: 1/30 S :: ISO 400
Auch ich komme immer in Begleitung zum Fototermin. Meine Hündin Lara sorgt stets für gute Stimmung am Set. Beim Tragen hilft sie allerdings nur selten.
Absprachen
Neben der genauen Verabredung des Fototermins, des Treffpunkts, des Honorars und der Begleitung sollte vor einem Fotoshooting stets schon klar vereinbart werden, welcher Art die Fotos sein sollen, die man zu produzieren gedenkt. Werden mit dem Modell Porträtaufnahmen vereinbart, wäre es mehr als unredlich, während des Fototermins zu fordern, es möge sich jetzt mal ausziehen und solle nicht so anstellen. So etwas geht gar nicht! Wundern Sie sich in einem solchen Fall also nicht, wenn Sie erst eine gescheuert bekommen, das Modell das Shooting abbricht und Sie hinterher im Internet an den Pranger gestellt und/oder aus Communitys ausgeschlossen werden. Besteht eine klare Absprache zwischen Fotograf und Modell, Aktaufnahmen zu produzieren, müssen auch die Aufnahmebereiche genau geklärt werden. Diese sind im fotografischen Sprachgebrauch einigermaßen klar definiert. In Communitys wie zum Beispiel der bekannten Model-Kartei () kann jedes Modell und jeder Fotograf angeben, welche Aufnahmebereiche er oder sie anbietet und wie viel man zu zeigen bereit ist.
Definition der Aufnahmebereiche
Teilakt – Brüste und Brustwarzen sind sichtbar, Schambereich und Po sind und bleiben bedeckt, zum Beispiel durch Höschen. Wie groß die Abdeckung sein darf oder muss, ist nicht genau definiert, sollte also vorher genauer abgesprochen werden.
Verdeckter Akt – Das Modell posiert auch ganz nackt, jedoch so, dass der Intimbereich selbst nicht sichtbar wird. Brüste, Brustwarzen und Po können unbedeckt bleiben. Die Verdeckung kann durch entsprechende Posen, durch Hände, Textilien und Requisiten erfolgen.
Klassischer Akt – Ihr Modell posiert völlig nackt in Posen, die oft eher an künstlerischen Ausdruckstanz erinnern als an eine natürliche Haltung. Durch eine akzentuierte Lichtführung (meist mit ein oder zwei seitlich vom Modell positionierten Lampen) wird eine Komposition aus Licht und Schatten erzielt, wobei die intimsten Körperteile immer im Schatten liegen und so unsichtbar bleiben.
Vollakt – Das Modell zeigt auch den Intimbereich unbedeckt, maximal jedoch die äußeren Teile, sofern diese nur beiläufig auf dem Foto zu sehen sind und nicht das eigentliche Motiv darstellen. Das Modell verdeckt also nicht krampfhaft seine Genitalien, stellt diese aber auch nicht gezielt und offen zur Schau. Sogenannte „Pinkshots“ zählen demnach definitiv nicht zum Aufnahmebereich „klassischer Akt“.
Freizügiger Akt – Alle Aufnahmen, die den Genital- und Analbereich eines Modells...