1 Berichtswesen als Schnittstelle zwischen Controlling und Management
1.1 Ist-Situation im Berichtswesen
Kennen Sie jemanden, der vom Berichtswesen im eigenen Unternehmen schwärmt? In der Unternehmenspraxis sind leider (noch) wenig Schwärmer zu finden. Viele Manager sind mit ihren Reports, seien es die Inhalte, sei es das Kommunikationsmedium oder die Kooperation mit dem Controlling im Allgemeinen eher unzufrieden. Ein paar Beispiele zum „O-Ton" aus der Beratungs- und Unternehmenspraxis sollen diesen Umstand illustrieren:
„...Das Informationswesen ist sowohl für die Adressaten als auch für die Ersteller nicht befriedigend und vor allem vergangenheitsorientiert..." (Bauwesen)
„...Das Reporting-System ist nicht management-orientiert..." (Haushaltsgeräte)
„...Analyse und Reaktion dominieren Steuerung und Aktion..." (Forstwirtschaft)
„...Informationsüberflutung, Reporting-Wildwuchs, mangelhafte Datenqualität und -aktualität sowie ineffiziente Abläufe..." (Automobilzulieferer)
„...Das Berichtswesen ist nicht standardisiert, die Unterstützung der Unternehmensführung durch das Controlling ist gering..." (IT-Dienstleister)
„...Das Berichtswesen ist den neuen Anforderungen der Gruppe anzupassen, um ertragsstarkes Wachstum sicherzustellen..." (Möbelindustrie)
„...Die Berichte orientieren sich eher am Informationsangebot als am Informationsbedarf..." (Elektronik)
Man kann den Entwicklungsstand des Reporting mit ein paar Zitaten zusammenfassen:
„Alles Menschliche geht den Weg vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen." (Antoine de Saint-Exupery: „Wind, Sand und Sterne")
Gab es früher hauptsächlich Informationen aus dem externen Rechnungswesen, mit all deren Mängeln betreffend die Steuerungsrelevanz, so folgten darauf Zahlenfriedhöfe des internen Rechnungswesens, die das Management mit ihrem Wust an Daten und dem Fehlen an priorisierter Information erdrückten. Das Controlling unternahm ständige Versuche der Verbesserung des Berichtswesens. Im Wesentlichen wurden neue Inhalte abgedeckt, ohne die bestehenden Berichtselemente kritisch zu hinterfragen.
„Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann." (Antoine de Saint-Exupery: „Wind, Sand und Sterne")
Diese Erkenntnis setzt sich durch und „Measure more by measuring less" (zit. n. Peters 1991, S. 580) bringt diese Forderung auf den Punkt. Die Konzentration auf weniger, dafür steuerungsrelevantere Größen ermöglicht die Umsetzung der Grundsatzforderung des Controlling nach dezentraler Verantwortungsübernahme. „Ein Individuum ohne Information kann keine Verantwortung übernehmen, ein Individuum, das Informationen bekommt, kann nicht anders, als Verantwortung zu übernehmen." (zit. n. Carlzon in Peters 1991, S. 609)
Sollten Sie zu den wenigen Unternehmen gehören, die ihre Datenbasis im Griff haben, dann sind Ihnen folgende Probleme fremd:
- für ein und dieselbe Fragestellung sind unterschiedliche Zahlen verfügbar
- die Datenbasis muss erst abgestimmt werden, bevor man das eigentliche inhaltliche Problem angehen kann
- Abstimmungsbrücken und Überleitungen müssen händisch gebaut werden
- Zweifel an ausgewiesenen Daten und Abweichungen kommen auf
- auftretende Abweichungen sind nicht oder nur mit hohem Aufwand zu erklären
- Fragen können nicht beantworten werden, weil Zahlen fehlen
- Entwicklungen, die korrekturbedürftig sind, werden übersehen
- Fehleinschätzungen des laufenden Unternehmenserfolges passieren
- Liquiditätsprobleme treten überraschend auf
- Insellösungen entstehen
- Interpretationsschwierigkeiten bei der Ergebnisbetrachtung existieren
- Controller sind tendenziell „unglücklich"
- Unsicherheiten im Berichtswesen entstehen.
„Berichtswesen optimieren" greift konkrete Probleme im Berichtswesen auf und versucht Lösungsansätze zur Berichtswesen-Optimierung zu zeigen.
Wenn von Berichtswesen-Optimierung die Rede ist, so ist im Allgemeinen die Optimierung des Standard-Berichtswesens gemeint. Ad-hoc-Abfragen sind wichtig, allerdings aufgrund des Charakters der „Einmaligkeit" in Vorgehensweise und Umsetzung kaum zu standardisieren. Die Optimierung liegt hier stärker in den technischen Aspekten des Berichtswesens, v.a. in der Aufwändigkeit des Zugangs zu Daten. Aus diesem Grund konzentriert sich „Berichtswesen optimieren" auf die Optimierung des Standardreporting, d.h. der Basisversorgung der Controlling-Kunden mit Informationen. Die Aspekte des Ad-hoc- oder Exception-Reporting werden in Ergänzung v.a. unter dem Aspekt der Datenanalyse behandelt.
Im Reporting ist vor allem ein Leitmotiv wichtig:
„Im Berichtswesen kann man nichts mehr heilen, aber noch alles falsch machen."
Das Detaillierungsniveau und die Aussagekraft des Berichtswesens werden bereits in Planung und Istrechnung festgelegt. Im Berichtswesen geht es dann v.a. darum, die verfügbaren Daten in steuerungsrelevante Information für die Controlling-Kunden umzusetzen.
Die Qualität und Aussagekraft des Basisrechenwerks werden noch in weiterer Folge kurz behandelt, der Fokus liegt allerdings auf dem Berichtswesen im engeren Sinne, d.h. ein funktionierender Controlling-Regelkreis wird vorausgesetzt.
In der Praxis lassen sich in Unternehmen v.a. zwei große Problemkreise im Berichtswesen feststellen:
- ▶Konzeptionelle Probleme: unter diesen Problemkreis fallen sämtliche Aspekte eines inhaltlich schlecht aufgesetzten und konzipierten Berichtswesens
- ▶Probleme im Berichtswesen-Prozess: das beste Berichtswesen stiftet keinen ausreichenden Nutzen, wenn der Erstellungsaufwand hoch und damit teuer ist und die Berichte spät verfügbar sind.
Um ein genaueres Bild über die praxisrelevanten Probleme zu erhalten, ist es sinnvoll, die Problemkreise weiter zu unterteilen und die konkreten Ausprägungen zu diskutieren.
1.1.1 Konzeptionelle Probleme
Abb. 1: Konzeptionelle Probleme im Berichtswesen
Datenbasis (Planung und Kosten- und Leistungsrechnung)
Die Verfügbarkeit steuerungsrelevanter Informationen muss bereits im Basisrechenwerk sichergestellt werden. Wenn wichtige Informationen (z.B. über Kunden oder Kundengruppen) nicht verfügbar sind, kann es weder sinnvoll sein, auf diese Information dauerhaft zu verzichten, noch diese für Berichtszwecke manuell zu erheben, Einzelbelege zu durchforsten oder quasi eine Schattenbuchhaltung zu führen. In diesem Fall ist die Kostenrechnung um die fehlenden Merkmale, die in weiterer Folge auch zu beplanen sind, zu ergänzen.
Ein weiteres Problem, das sich im Zusammenhang mit dem Basisrechenwerk feststellen lässt, sind heterogene Erlös- und Kostenartenstrukturen, d.h. es werden im Berichtswesen unterschiedliche Kostenartenhierarchien verwendet. Dies führt zu verringerter Aussagekraft. Gerade in mächtigen ERP-Systemen wie SAP R/3 besteht die Möglichkeit, für unterschiedliche Berichtstypen eine Vielzahl divergierender Hierarchien anzulegen. Hier wird über das Ziel hinaus geschossen.
Wenn in der Istrechnung nicht ausreichend abgegrenzt wird (z.B. im Bereich der Personalkosten oder anderen Bereichen mit aperiodischem Kostenanfall), schlägt dies ebenfalls auf das Berichtswesen durch, indem es zu starken monatlichen Schwankungen kommen kann. Es ist wichtig, sich explizit für einen Weg zu entscheiden. Eine Sichtweise ohne Abgrenzungen entspräche der Liquiditätsorientierung, mit entsprechenden Ausschlägen im Berichtswesen. Dies bedingt allerdings auch, dass unter diesen Prämissen geplant wurde, ansonsten wird jeglicher Plan-Ist-Vergleich unterminiert. Eine alternative Sichtweise wäre eine kostenrechnungsorientierte Betrachtungsweise mit Blickpunkt auf Kostenwahrheit. Per Definition entstehen Kosten erst dann, wenn Ressourcen verbraucht wurden, d.h. hier kommen verstärkt Normalisierungen zum Tragen. Aus Sicht des Controlling ist die kostenrechnungsorientierte Sicht zu...