2.1 Markenverständnis; Entwicklung und Arbeitsdefinition
So viel wurde über das Wesen der Marke, ihre Ausprägungen und Funktionen geschrieben, dass es umso verwunderlicher ist, wie sich das derzeitige Markenverständnis wieder seinem Ursprung annähert. Dieser ist relativ unbestritten in der Arbeit von Domizlaff 9 zu sehen. Er beschrieb die Ursprünge des Markendenkens anschaulich anhand des Beispiels eines ortsansässigen Händlers und eines fahrenden Händlers. Auch machte er als den zentralen Wirkungsort von Marken bereits den Kopf des Konsumenten aus, in dem allein die Vorstellung einer Marke Gestalt annehmen und die Unsicherheiten und Entscheidungskomplexität reduzieren soll: „Die Masse ist glücklich, wenn sie erst einmal Namen und Form an Stelle der Unsicherheit vertrauensvoll als geistigen Halt in ihrer Vorstellungskraft einsetzen kann.“ 10 . Einschränkungen, welche sowohl Domzilaff als auch Mellerowicz mit Hinblick auf den Stand des damaligen allgemeinen Marketingverständnisses hinsichtlich zu erfüllender Eigenschaften von Markenprodukten machten (z.B. nur Fertigprodukte), lassen jedoch nur Teile ihrer Ausführungen für heute gelten 11 . Das heute mit der Markenpolitik untrennbar verbundene Konzept der Positionierung von Ries/Trout 12 stellt ebenfalls darauf ab, dass Produkte in den Köpfen der Nachfrager eine bestimmte Position einnehmen und beschäftigt sich mit Wegen, diese zu bekräftigen oder umzugestalten. Noch nicht erkannt wird hier, dass dies nicht nur für existierende Produkte, sondern auch für neue Produkte mit erheblichen Vorteilen einsetzbar ist. Definitionen oder Markenverständnisse legen heute ihren Schwerpunkt auf verschiedene Aspekte 13 . Mal werden Marken über ihre Funktionen
definiert, wie etwa bei Koppelmann 14 , mal steht die bei den Konsumenten erreichte Wirkung im Vordergrund, wie bei Berekoven, der alles, was Konsumenten als Markenartikel bezeichnen oder empfinden als solchen klassifiziert 15 . Hier ist schon die Aufhebung der Reservierung von Marken für Produkte im Gegensatz zu Dienstleistungen oder Unternehmen geschehen. Damit ist der Weg geebnet für Fragen der Verknüpfung verschiedener Arten von Marken - die Thematik Markenarchitektur wird im Verlauf der Arbeit noch eingehend an Beispielen betrachtet werden. Dieser Ansatz macht auch deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die praktische Markenführung zu kämpfen hat, wenn sie quasi mit einer einzigen Erscheinungsform in den Köpfen vieler Individuen dasselbe hervorrufen soll. Dem strategieorientierten Ansatz von Haedrick/Tomczak 16 , der, von einer Situationsanalyse ausgehend Marke (Markenführung) als Gesamtheit der Mittel zum Erreichen des Zwecks (Wiederkauf der Marke durch den Konsumenten) beschreibt, und damit stark in die Nähe einer Wettbewerbsstrategie rückt (bei Haedrich/Tomczak ist Marke = strategische Geschäftseinheit 17 ) kann eine zu mechanistische und Objektivität reklamierende Vorgehensweise vorgeworfen werden 18 . Eine Marke kann damit zusammenfassend und zweckmäßig verkürzt als „ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt [,einer Person] oder einer Dienstleistung“ 19 (Ergänzungen d. d. Verf.) beschrieben werden.
Die Ziele der Markenführung sind im Grunde identisch mit den globalen Unternehmenszielen. Unter diesen Globalzielen stehen ökonomische Ziele, die wiederum durch die Erreichung verhaltenswissenschaftlicher Ziele verwirklicht werden können (Abb. 2). Diese verhaltenswissenschaftlichen Ziele sind auf Markenwissen beim Konsumenten als Grundvoraussetzung angewiesen. Dieses Markenwissen ist durch die Markenbekanntheit und das Image einer Marke
operationalisierbar 20 . Dabei gilt die Markenbekanntheit, unterteilt in Tiefe (Wie leicht fällt die Marke den Nachfragern ein) und Breite (in welchen Kauf- oder Verwendungssituationen fällt Nachfragern die Marke ein) als notwendige Bedingung für den Markenerfolg, das Markenimage als die hinreichende Bedingung 21 .
Abbildung 2: Zielpyramide des Markenmanagements
Quelle: Esch 2003, S. 62
Die verhaltenswissenschaftlichen Ziele werden verfolgt, um von den folgenden Markenfunktionen profitieren zu können 22 . Sie sind allgemein als Chancen zu verstehen. Der Grad der Ausnutzung jeder Funktion hängt von der Qualität der Umsetzung und äußeren Bedingungen ab. Die Marke soll durch leichte Identifizierbarkeit als Orientierungshilfe dienen, um die Marke von anderen zu differenzieren. Aufgrund ihrer Bekanntheit und Reputation (Image) kann sie Vertrauen wecken, um das wahrgenommene Kaufrisiko des Konsumenten zu senken. Diese Funktion wird umso wichtiger, je höher sich das wahrgenommene Kaufrisiko des Konsumenten darstellt oder anders ausgedrückt, je höher der Anteil an Vertrauenseigenschaften (in Abgrenzung zu Such- und Erfahrungseigenschaften) einer Leistung ist 23 . Dies unterstützt auch die Auffassung, nach der die Verantwortung für die Leistung durch die Markierung deutlich gemacht wird 24 . Aus dem Qualitätsaspekt der eine Marke definiert ergibt sich weiterhin eine Kompetenzbeziehungsweise Sicherheitsfunktion, die für den Konsumenten während der
Gebrauchsphase wichtig sein kann. Des weiteren kann eine Marke psychologische Zusatznutzen erfüllen. Sie kann für den Konsumenten eine Prestigefunktion im sozialen Umfeld erfüllen, aber auch unabhängig vom Sozialgefüge dem Konsumenten zur Selbstverwirklichung dienen. Insgesamt geht es neben der Differenzierung von anderen Produkten und Marken um eine Präferenzbildung bei den Konsumenten.
Aus Unternehmenssicht können ebenfalls Funktionen oder Chancen genannt werden. So ist als eine generelle Funktion die absatzsatzsteigernde Wirkung zu sehen, wobei hier die Betonung auf der Langfristigkeit der Marke liegt. Zu oft wird immer noch die Sichtweise vertreten, eine Marke sei ein operationales Instrument zur kurzfristigen Absatzsteigerung 25 . Eine Markenloyalität kann in konstanteren Umsätzen resultieren 26 . Große Unternehmensmarken gründen ihre Markenstärke immer auf einem oder mehreren Produkten, die als Grundlage eines positiven Firmenimages dienen oder gedient haben. Dadurch lässt sich die Funktion der Plattformbildung für neue Produkte oder Marken ableiten 27 . Über die Präferenzbildung beim Konsumenten durch eine eigenständige Profilierung bzw. Positionierung sowie über eine Differenzierung von Angeboten der Wettbewerber kann der Ausgangspunkt für ein Preis-Premium oder größere Absatzmengen gelegt werden. Durch Marken ist eine gezielte Marktbearbeitung durch Ansprache von einzelnen Marktsegmenten möglich. Dies sind intern homogene und extern heterogene Nachfragergruppen, die sich aufgrund gemeinsamer Nutzenvorstellungen durch eine Marke, die diese erfüllt, ansprechen lassen. Durch starke Marken können auch Markteintrittsbarrieren aufgebaut werden. Im vertikalen Wettbewerb gewinnen Marken bei einem mehrstufigen Distributionssystem sowohl für den Hersteller als auch für den Handel an Bedeutung. Dem Hersteller wird durch Marken der Hineinverkauf in den Handel erleichtert, da er sichere Umsätze, größere Handelsspannen oder Imagevorteile bieten kann. Für den Handel ergibt sich die Möglichkeit seinerseits Marken aufzubauen und diese Handelsmarken gezielt zu unterstützen. Abbildung 3 fasst die Funktionen der Marke für Nachfrager und Anbieter zusammen.
o Orientierungshilfe durch leichte o Absatzsteigerung (langfristig)
o Konstanter Umsatz
o Differenzierung von anderen Marken o Grundlage für Unternehmensmarke
o Risikominimierung, Vertrauen o Ausgangspunkt für Preispremium
oder größere Absatzmengen o Vermittlung von Kompetenz, Präferenzentwicklung o Gezielte Bearbeitung von
Marktsegmenten o Psychologischer Zusatznutzen (Prestigefunktion, o Schaffung von Markteintrittsbarrieren
o Vorteile für vertikalen Wettbewerb
im Wesentlichen Differenzierung und
Präferenzbildung
Abbildung 3: Funktionen von Marken
Quelle: Eigene Darstellung
Produkts“ muss die Position aller Marken in diesem Raum untersucht werden. Die Distanz der untersuchten Marke zur Idealposition muss im besten Fall kleiner sein als die der Konkurrenzmarken. Auch ist darauf zu achten, dass ein genügend großer Abstand zu anderen Marken herrscht, um die...