Die Vorbereitungsphase
Gut gerüstet sein ist (fast) alles. In diesem Kapitel lernen Sie, wie Sie sich mit neun einfachen Fragen – den neun Ws – optimal auf eine Verhandlung vorbereiten. Sie erfahren, was es mit der Körpersprache auf sich hat. Und Sie lesen, was Sie tun können, wenn Sie unverhofft in eine Verhandlungssituation geraten.
Gut gerüstet mit den neun Ws
Ob eine Verhandlung erfolgreich ablaufen wird, hängt ganz wesentlich von der guten Vorbereitung ab. Umgekehrt führen schlecht vorbereitete Verhandlungen meist zu Missverständnissen oder sogar zu Streit.
Es liegt im Interesse beider Seiten, dass die Verhandlung seriös vorbereitet wird. Was nützt denn ein Verhandlungsergebnis, das am Ende zu Streitigkeiten führt? Selbst wenn Sie also einmal spontan in eine Verhandlungssituation geraten, wird Ihr Gegenüber in der Regel einem Unterbruch sofort zustimmen, sobald Sie darauf hinweisen, dass nun eine Verhandlung nötig sei und dass Sie sich zuerst darauf vorbereiten möchten.
Nehmen Sie sich die Zeit
SIE HABEN VOR ZWEI MONATEN eine neue Arbeitsstelle angetreten mit einer Probezeit von drei Monaten. Die Stelle gefällt Ihnen gut und das Team ist sehr nett, aber die aktuelle Arbeitszeiteinteilung finden Sie ungünstig. Sie fragen sich gerade wieder einmal, wie Sie das im Probezeitgespräch am besten erklären könnten, da steht Ihr Vorgesetzter neben Ihnen am Arbeitsplatz und sagt beiläufig: «Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen, Sie haben sich wirklich gut bei uns integriert. Herzliche Gratulation zur bestandenen Probezeit!» Sie wissen nicht, ob Sie sich freuen oder ärgern sollen. Wie reagieren Sie nun?
Spontan möchten Sie vielleicht antworten: «Nett, dass Sie das sagen. Aber für mich ist es noch gar nicht klar, ob ich wirklich hier bleiben will. Die Arbeitszeiten sind für mich nämlich sehr ungünstig, und wenn wir da keine bessere Lösung finden, werde ich wohl noch während der Probezeit kündigen müssen.» Doch das sagen Sie besser nicht, denn mit Ihrer negativen Reaktion auf seine nett gemeinte Aussage würden Sie den Vorgesetzten vor den Kopf stossen. Ausserdem drohen Sie ihm gleich noch mit der Kündigung, wenn er nicht das tut, was Sie wollen. Damit setzen Sie ihm das Messer auf die Brust, bevor Ihr Problem überhaupt je auf dem Tisch war.
Nehmen Sie sich stattdessen doch einfach das Recht, ein für Sie wichtiges Problem in anständiger Art und Weise im Rahmen einer Verhandlung zu lösen. Sagen Sie also zum Beispiel: «Danke, das freut mich sehr. Dürfte ich dann trotzdem noch ein Probezeitgespräch mit Ihnen führen? Ich habe nämlich ein kleines Anliegen und möchte Ihnen das in diesem Gespräch gern erklären.» So reagieren Sie auf seine positive Aussage mit einer positiven Antwort und platzieren gleichzeitig ohne jede Drohung die Tatsache, dass es noch einen Punkt zu klären gibt. Mit dem Hinweis auf ein Probezeitgespräch verlangen Sie ausserdem ein formelles Gespräch mit vorgängiger Terminabsprache und verschaffen sich ausreichende Vorbereitungszeit, um dann Ihr Anliegen möglichst gut zu vertreten.
TIPP Für den Fall, dass eine Verhandlung für einmal doch keinen Aufschub duldet, finden Sie auf Seite 66 einige Hinweise zum Verhandeln ohne Vorbereitung. Vorerst geht es aber um das, was Sie im Normalfall tun: sich vorbereiten.
Sich positiv einstimmen
Eine gute Vorbereitung bedeutet einerseits, vor der Verhandlung die richtigen Dinge zu tun. Dazu dienen Ihnen die «neun Ws», die ab Seite 33 ausführlich erklärt werden. Da Sie bei der Vorbereitung einer Verhandlung unzählige Entscheidungen treffen müssen, ist es aber genauso wichtig, dass Sie eine bestimmte Haltung einnehmen und sich in die passende Stimmung versetzen. Diese Haltung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Sie die nötigen Entscheidungen richtig treffen.
Eine festliche Stimmung kann helfen
Damit dies etwas konkreter wird, vergessen Sie doch einfach einmal, dass dies ein Buch über Verhandeln ist, und stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Geburtstagsfest für einen lieben Menschen vorbereiten. Wenn Sie daran denken, haben Sie sofort positive Gefühle. Sie freuen sich nämlich nicht nur auf das Geburtstagsfest selbst, sondern genauso sehr auf die Vorbereitung. Ist es ein besonderer, ein runder Geburtstag? Wo soll das Fest steigen? Wen laden Sie ein? Was werden die Gäste essen und trinken? Gibt es ein Rahmenprogramm? Wann und wie erfährt das Geburtstagskind vom Fest? Was wollen Sie anziehen? Von wann bis wann soll das Fest dauern? Wie kommen die Gäste nach Hause?
Wie auch immer Sie diese Fragen beantworten, was auch immer Sie entscheiden, Sie werden es gut machen. Denn Sie geben Ihre ganze Energie dafür, Sie machen es gern und mit viel Liebe. Und selbst wenn etwas schieflaufen sollte, werden Sie nicht scheitern, denn Sie haben sich gut vorbereitet und können daher auch mit kleinen Pannen und Überraschungen umgehen.
Das Thema dieses Buches ist nun aber nicht die Vorbereitung einer fröhlichen Geburtstagsfeier, sondern die auf eine (vielleicht) unangenehme Verhandlung.
SIE MÜSSEN MIT DEM VERMIETER darüber verhandeln, wie hoch die Mietzinsreduktion ausfallen soll, die Sie als Entschädigung für den Baulärm während der letzten zwei Monate zugut haben. Natürlich freuen Sie sich nicht darauf. Wenn Sie nur schon an die Verhandlung denken, sinkt Ihre Stimmung in den Keller. Ist es nicht überhaupt eine Frechheit, dass man in dieser Zeit Mietzins bezahlen muss? Eigentlich müsste man entschädigt werden dafür, dass man in der Wohnung geblieben ist. Ausserdem erwarten Sie, dass der Vermieter Ihnen am Verhandlungstisch haushoch überlegen ist, denn der macht das doch die ganze Zeit, und Sie sind jetzt zum ersten Mal im Leben in einer solchen Situation.
Sie erwarten also nichts Gutes von dieser Verhandlung – vielleicht zu Recht, vielleicht aber auch nicht. Denn wenn Sie sich gut vorbereiten, wenn Sie der Verhandlung eine Chance geben, zum Erfolg zu werden, dann kann der reale Ausgang Ihre Erwartungen weit übertreffen.
Das gute Gefühl, vorbereitet zu sein
Die Glücksgefühle der Geburtstagsvorbereitung lassen sich wohl bei aller Anstrengung nicht auf die Verhandlung mit dem Vermieter übertragen. Aber Sie können sich mit derselben Sorgfalt und Weitsicht darauf vorbereiten. Und hier setzen die neun Ws an. Sie helfen, in unangenehmen Situationen, wenn negative Gefühle die Lust auf eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Thema zu blockieren drohen, die nötigen Vorbereitungen trotzdem zu treffen. Und so, wie die Vorfreude auf eine Geburtstagsfeier plötzlich in Stress umschlagen kann, wenn man die Vorbereitungen zu lange vor sich hergeschoben hat und merkt, dass man den Erwartungen der Eingeladenen nicht mehr gerecht werden kann – genau so kann der Stress wegen einer bevorstehenden schwierigen Verhandlung plötzlich in freudige oder zumindest gespannte Erwartung umschlagen, wenn Sie genau wissen, dass Sie sich so gut wie möglich darauf vorbereitet haben.
Sich vorbereiten zeugt von Respekt
Hinzu kommt, dass ein Verhandlungspartner in aller Regel merkt, wie gut Sie sich vorbereitet haben. Unvorbereitet zu einer Verhandlung zu kommen, ist etwa dasselbe wie in ausgebeulten, schmutzigen Kleidern bei einem festlichen Anlass zu erscheinen. Es kommuniziert ohne Worte Respektlosigkeit und gibt Ihrem Gegenüber zu verstehen, dass Ihnen die Verhandlung sowieso egal ist. So bekommen Sie in der Regel noch weniger, als Ihnen sonst im Minimum zugestanden worden wäre.
Nur scheinbar ungenügend vorbereitet
Das Signalisieren von scheinbar ungenügender Vorbereitung kann selbstverständlich auch eine Methode sein, um ein Verhandlungsziel zu erreichen. Im nebenstehenden Beispiel mit dem Vermieter könnte das folgendermassen ablaufen:
▪In einer ersten Phase der Verhandlung weichen Sie Argumenten zur Gerichtspraxis aus und erwecken so den Eindruck, dass Sie davon nichts verstehen.
▪Wenn dann alle Argumente und das Angebot des Vermieters auf dem Tisch liegen, können Sie überraschend mit Ihren Kenntnissen aufwarten und nochmals eine Bresche in seine Argumentation schlagen. So muss er schliesslich das Angebot deutlich nachbessern, um nicht das Gesicht zu verlieren.
Bedenken Sie aber, dass Sie viel Erfahrung im Verhandeln benötigen, um solche Methoden erfolgreich einsetzen zu können. Mit einer guten Vorbereitung kommen Sie meist auch ohne sie zum Ziel.
Die wichtigen Fragen in der richtigen Reihenfolge
Die im Folgenden beschriebenen neun Ws für eine sorgfältige Vorbereitung sind nichts anderes als typische W-Fragen: wann, wer, wie, was. Es sind diejenigen Fragen, die erfahrungsgemäss vor jeder Verhandlung beantwortet werden müssen. Sie sind ausserdem in der Reihenfolge aufgeführt, die die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen W-Fragen so berücksichtigt, dass...