2 Konstitutive Grundlagen als langfristige Bindung
Julia Oswald, Uwe Bettig
Die Betriebswirtschaftslehre unterscheidet oft das kurzfristige Geschäft (operativ) vom langfristigen Geschäft (strategisch). In diesem Kapitel sollen die in der Regel auf Dauer angelegten Entscheidungen beschrieben werden. Mit der Entscheidung für eine Träger-, Rechts- oder Standortform bindet sich eine Unternehmung eher langfristig.
Sicherlich sind auch diese Entscheidungen veränderbar. Sie sind aber auf längere Zeit angelegt, weil die Flexibilität nur begrenzt möglich ist: Ein Krankenhaus kann aus einer Stadt auf die grüne Wiese verlegt werden, aber nur wenn solch ein Grundstück vorhanden ist und die finanziellen Mittel ausreichen, um diese Veränderung bezahlen, und die Infrastruktur geeignet ist, um dieses Krankenhaus anfahren zu können.
2.1 Trägerform
2.1.1 Trägerbegriffund -arten
Als Träger wird der Betreiber beziehungsweise Besitzer einer Gesundheitsunternehmung bezeichnet (Schär und Reschke 2007). Zu unterscheiden sind:
• Öffentlich-rechtliche Träger
• Freigemeinnützige Träger
• Private Träger
Die Trägervielfalt ist vom Gesetzgeber gewollt und wird zum Beispiel im Krankenhausfinanzierungsgesetz explizit gefordert (§ 1 Abs. 2 KHG).
Öffentlich-rechtliche Krankenhäuser werden von (Sonnentag 2008)
• einem Bundesland (Universitätskliniken und Landeskrankenhäuser),
• einer Gemeinde (Kreis- und kommunale Krankenhäuser),
• sonstigen Einrichtungen (Bundeswehrkrankenhäuser und Polizeikrankenhäuser) betrieben.
Freigemeinnützige Krankenhäuser gehören (überwiegend) zu einem Träger der freien Wohlfahrtspflege. Dazu gehören (Fleßa 2010)
• der Deutsche Caritasverband,
• das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland,
• die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland,
• die Arbeiterwohlfahrt,
• das Deutsche Rote Kreuz und der
• Paritätische Wohlfahrtsverband.
Der Katholische Krankenhausverband stellt die Dachorganisation von über 400 Krankenhäusern, der Evangelische Krankenhausverband den Dachverband von etwa 250 Krankenhäusern dar (Fleßa 2010).
Private Krankenhäuser werden in privater Rechtsform und mit dem Ziel der Gewinnerzielung betrieben und benötigen einer Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung (Thiele et al. 2010). Bekannteste private Träger sind die Rhön-Klinikum AG, Sana Kliniken AG und Helios Kliniken GmbH. Tabelle 2.1 zeigt die Entwicklung der Krankenhausträgerschaft von 2005 bis 2010.
Tab. 2.1: Krankenhäuser nach Trägerschaft 2005 und 2010 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2012)
Es wird deutlich, dass die Zahl der Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft deutlich abgenommen hat (ca. 16 %). Die Zahl der Häuser unter freigemeinnütziger Trägerschaft ist um ca. 7,7 % gesunken. Zugenommen hat die Zahl der Krankenhäuser in privater Trägerschaft, was auf Privatisierungen zurückzuführen ist. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzip tritt der Staat von der Betreibung öffentlich-rechtlicher Krankenhäuser zurück, wenn die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern durch freigemeinnützige oder private Einrichtungen gedeckt ist (§ 1 Abs. 1 KHG).
Der Rückgang der öffentlichen Träger zeigt sich auch im Pflegeheimsektor. Im Gegensatz zum Krankenhaus- und Rehabilitationsbereich ist hier jedoch eine Zunahme der Einrichtungen insgesamt zu verzeichnen. Hier spielen Privatisierungen keine so bedeutende Rolle mehr ( Abb. 2.1):
Abb. 2.1: Träger in der Stationären Altenhilfe (Quelle: Statistisches Bundesamt 2011)
Die Trägerstruktur der Rehabilitationseinrichtungen ist im Vergleich zu den Krankenhäusern wesentlich heterogener: Über die Hälfte aller Unternehmungen befinden sich in privater Trägerschaft. In den Einrichtungen der Stationären Altenhilfe findet man hingegen mehr freigemeinnützige Träger ( Abb. 2.2).
Abb. 2.2: Trägerstrukturen der Gesundheitsunternehmungen im Vergleich (Quelle: Zahlen, Daten, Fakten 2012, Statistisches Bundesamt 201120)
2.1.2 Ziele und Aufgaben des Trägers von Gesundheitsunternehmungen
Durch den Betrieb von Gesundheitsunternehmungen verfolgen die drei genannten Trägergruppen verschiedene Ziele. Allen Trägern gemein ist das Sachziel der Bedarfsdeckung ( Kap. 2.2) und das Formalziel eines mindestens ausgeglichenen Betriebsergebnisses. Weitere gemeinsame Ziele können sein:
• Patienten-/Bewohnerzufriedenheit
• Mitarbeiterzufriedenheit
• Standortsicherung
Wesentliche Ziele von öffentlich-rechtlichen und freigemeinnützigen Trägern sind Wirksamkeit und Qualität der Leistungserbringung. Private Träger müssen ebenfalls eine als angemessen betrachtete Qualität sicherstellen (Fleßa 2010), um die finanzwirtschaftlichen Ziele (Gewinnerzielung, Rentabilität und Liquidität) zu erreichen. Daneben scheint ein weiteres bedeutsames Ziel der privaten Träger im Gesundheitssektor der Ausbau der Marktmacht zu sein. Bedeutende Einflussgrößen des Zielsystems freigemeinnütziger Träger sind die Würde des Menschen, Nächstenliebe, Freiheit und Gerechtigkeit (Fleßa 2010).
Hinsichtlich der Zielrelevanz konnte im Bereich der Stationären Altenhilfe eine Untersuchung signifikante Unterschiede zwischen den Trägergruppen nachweisen: der »Erzielung von Überschüssen« messen private Einrichtungen eine höhere Bedeutung bei als freigemeinnützige und insbesondere öffentliche Unternehmungen ( Abb. 2.3). Auch das Kriterium der Bonität gegenüber den Kapitalgebern wurde von den privaten Pflegeheimen höher bewertet (Oswald und Henrichs 2011). Vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs in der Pflegebranche und eines steigenden Fremdkapitalbedarfs verspricht diese Denkhaltung zukünftig betriebswirtschaftliche Vorteile.
Abb. 2.3: Zielrelevanz in der Stationären Altenhilfe
Der normative Rahmen des Trägers bestimmt das Zielsystem der einzelnen Gesundheitsunternehmungen, was Abbildung 2.4 verdeutlicht.
Der normative Rahmen wiederum wird bestimmt durch gesetzliche Regelungen, die den Gesundheitsmarkt in Deutschland stark beeinflussen (z. B. Investitionsförderung, Krankenhauspläne).
Abb. 2.4: Normativer Rahmen und Zielsystem einer Gesundheitsunternehmung (in Anlehnung an Fleßa 2010, S. 80)
Tabelle 2.2 zeigt die Ebenen des Managements aus institutioneller Sicht.
Tab. 2.2: Ebenen des Managements (in Anlehnung an: Bleicher 1991, S. 5; Engelke 2008, S. 198; Bettig 2012, S. 129)
Dem normativen Management obliegt somit die Schaffung einer Unternehmungsverfassung, aus der sich Ziele ableiten lassen. Aus Tabelle 2.2 ergibt sich auch der Abstimmungsbedarf zwischen dem Träger und dem Management der einzelnen Einrichtungen. Dieses setzt die auf Trägerebene getroffenen Grundsatzentscheidungen um. Dazu gehören (Schmidt-Rettig 2008):
• Festlegung der Unternehmenspolitik
• Festlegung der langfristigen Ziele
• Schaffung des Rahmens, der es ermöglicht, strategische Entscheidungen auf allen Ebenen umzusetzen
Die zeitliche Dimension der Entscheidungen auf Trägerebene ist als mittel- bis langfristig zu sehen. Dies verdeutlichen die Felder, auf denen diese zu treffen sind bzw. die Aufgaben, die sich dem Träger stellen (Schmidt-Rettig 2008):
• Gestaltung des institutionellen Rahmens durch Regelungen, die diesen konkretisieren
• Festlegung des Leistungsangebotes
• Festlegung der Organisationsstruktur (im Wesentlichen der Aufbauorganisation)
• Treffen grundsätzlicher Regelungen zur Auswahl von Personal (häufig auf dieser Ebene des Führungspersonals)
• Überwachung (Auswahl):
− Der Geschäftsführung
− Der...