Die tierischen Verbündeten des Gärtners
Egal ob groß oder klein, egal ob man Gemüse darin züchtet oder dekorative Blumen anpflanzt, ein Garten ist vor allem ein Ökosystem, wenn auch ein von menschlicher Hand stark beeinflusstes. Dennoch gelten in ihm dieselben Gesetze wie in der ungezähmten Natur. Man findet in ihm Beutetiere, Jäger, Räuber, Parasiten … Sie sind die ersten Konsumenten im Nahrungsnetz.
Auch wenn ein Gärtner manche Insekten als »schädlich« bezeichnet, sind doch viele ihm nützlich, wenn nicht gar für seinen Garten überlebenswichtig. Denn diese Nützlinge bestäuben die Pflanzen, die der Gärtner heranzieht, sie regulieren den Bestand an räuberischen Insekten, sie sind an der Düngung beteiligt und bestimmen die Qualität der Böden. Für den Gärtner, der sie respektiert und zum Bleiben einlädt, sind sie kostbare und kostenlose Helfer. Warum sich also nicht einer einfacheren und natürlichen Art und Weise des Gärtnerns zuwenden und wieder lernen, sein Obst und seine Früchte mit Hilfe der Insekten zu züchten, wie man es in den Urzeiten des Anbaus tat?
Die amerikanischen Entomologen Mace Vaughan und John Losey haben in ihren Untersuchungen nachgewiesen, dass allein in den USA dank des kostenlosen Einsatzes von Insekten 57 Milliarden Dollar eingespart werden könnten, während die durch Insektenbefall verursachten Ausfälle maximal 8 Milliarden Dollar erreichen würden. Und trotzdem sind die Insekten, die man als Nützlinge betrachtet, in den industriell und landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen massiv auf dem Rückzug. Fatalerweise wird es unmöglich sein, die Tätigkeit bestimmter Insekten und winziger Tierchen zu ersetzen, wenn die kleinen Helfer ausgestorben sind. Die Bestäubung von Pflanzen durch die Bienen kann nicht künstlich ersetzt werden.
Nimmt jedoch ein Gärtner die Hilfe nützlicher Insekten in Anspruch, ist das nicht nur eine Geste in Richtung Natur und Natürlichkeit, sondern es verbessert Qualität und Quantität seiner Obst- und Gemüseernten. Ein Gemüsegarten, der von einer großen Artenvielfalt an Bestäubern, Räubern und komposterzeugenden Tierchen bespielt wird, wird gesündere und ertragreichere Pflanzen hervorbringen, als ein Garten ohne diese Nützlinge. Zudem wird das Risiko einer massiven Vermehrung von Schädlingen stark gemindert.
Die meisten Insekten, die dieses Buch vorstellt, sind Nützlinge. Dabei ist dieser Terminus aber weit gefasst, denn unter ihn fallen die Räuber, Bestäuber und Parasiten, die einem Gärtner bei seiner Arbeit helfen, aber keinen Schaden an den von ihm kultivierten Pflanzen anrichten.
Überlebenswichtig: Die Bestäuber
Bestäubende Insekten bilden eine sehr große Gruppe. Die in Völkern oder Schwärmen organisierte Honigbiene ist die bekannteste darunter – und die in Gärten am häufigsten beobachtete. Genauso wichtig aber sind andere Bestäuber wie die Hummel oder die Wildbiene, von der es in Deutschland 585 Arten gibt. Auch der Schmetterling mit seinen mehr als 129 Tagfalterarten gehört dazu, genauso wie die Schwebfliege, die man in Deutschland in 450 Arten beobachten kann, sowie bestimmte Käferarten.
DIESE INSEKTEN fliegen Blumen zur Nahrungssuche an: Pollen und Nektar stehen bei den meisten von ihnen auf den Speiseplan. Weil sie sich bei der Nahrungssuche von Blüte zu Blüte bewegen, verteilen sie den ihnen anhaftenden Pollen auf fremde Pflanzen derselben Art und befruchten sie so: Fortpflanzung garantiert!
Wie funktioniert
die Bestäubung?
Anders als Tieren fehlt Pflanzen die Möglichkeit der Fortbewegung. Also mussten sie andere Möglichkeiten der Fortpflanzung und Verbreitung finden als die Partnersuche. Ihre Strategie? Sie produzieren winzige, mobile Samen, Pollen genannt. Der Pollen ist der männliche Samen der Pflanze. Er sieht aus wie ein winziges Körnchen, meistens in einer Schattierung von Gelb, und entsteht in den Staubgefäßen der Pflanze. Um eine weibliche Pflanze befruchten zu können, muss er in ihr Ei – die spätere Frucht, das spätere Korn – eindringen. Dazu muss der Pollen die eigene Pflanze verlassen, denn die kann er nicht befruchten. Um zu einer fremden Pflanze derselben Art zu gelangen, hat er verschiedene Möglichkeiten: sich von Wind oder Wasser tragen lassen oder sich an ein Tier heften. Die einfachste Möglichkeit hierbei bieten ihm die Insekten.
Welche Rolle spielen die Insekten bei der Bestäubung?
Dass Pflanzen sich von Insekten bestäuben lassen, ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die Pflanze garantiert ihre Fortpflanzung, indem sie dem Insekt ihre zuckerhaltigen Säfte als Nahrung anbietet. Die natürliche Entwicklung der Pflanzen trägt diesem Verhältnis Rechnung: Durch Duft, süßen Nektar, eine breite Palette von Farben und unterschiedlichste Formen der Blüte versuchen die Pflanzen für die Insekten sichtbarer und verlockender zu werden.
Gleichzeitig veränderten sich auch die Insekten, damit sie bei der Suche nach Nahrung im Vorteil sind: Geradezu spektakulär sind dabei die Entwicklungen rund um die Mäuler, wie z. B. der Rüssel bei den Schmetterlingen. Sowohl Pflanzen als auch Insekten sind also das Ergebnis von Millionen Jahren gemeinsamer Evolution.
Der Variantenreichtum der Formen von Pflanzen und Blüten, die man in der Natur beobachten kann, rührt daher, dass sich jede Pflanze auf eine bestimmte Art von Insekten spezialisiert hat: Ihre Farbe, ihre Form, ihr Duft, die Konzentration ihres Nektars – all das sind ihre »Charakterzüge«. Sie bestimmen oft sehr genau, welche Tiere die Pflanze anlockt.
Andere Blüten, wie z. B. die der Karotte, produzieren einen stark anlockenden Nektar, der für viele unterschiedliche Arten von Insekten interessant ist. Diese Pflanzen setzen also nicht auf spezialisierte Besucher, sondern eher auf Masse. Das Miteinander von Pflanzen und ihren Bestäubern ist ein gutes Beispiel, um die Abhängigkeiten der Lebewesen untereinander zu verstehen. In einem funktionierenden Ökosystem spielt jede Art mit den anderen zusammen, damit jede Art und alle gemeinsam überleben.
Wie man die Bestäuber erkennt
Heimische Honigbiene
Die westliche, heimische Honigbiene kennt quasi jeder. Die Vorsilbe »Honig« bekam sie von den Imkern zugesprochen, die sie domestizierten, um an ihren Honig zu gelangen. Schon in der Antike schätzten und nutzten die Menschen sie wegen ihrer Produktion von Honig und Wachs. In jüngster Zeit ist sie wegen ihrer Notwendigkeit für die Bestäubung in der Landwirtschaft verstärkt in den Blickpunkt gerückt.
Die westliche Honigbiene ist ein staatenbildendes Insekt. Sie lebt in Kolonien, Schwarm oder Volk genannt. Jeder Schwarm besitzt eine Königin – eine weibliche Biene, die Eier legt –, unfruchtbare Arbeiterinnen und männliche Bienen, die Drohnen. Bis zu 60 000 Tiere kann ein Schwarm in der Hochsaison aufweisen. Die Arbeiterinnen versorgen den gesamten Bienenstaat mit Nektar und Pollen. Sie ernähren sowohl die Königin als auch die Larven, die sich aus ihren Eiern entwickeln. Und sie haben die Fähigkeit, Waben aus Wachs zu errichten: Dieses Wachs schwitzen ihre Bauchringe aus. In den Waben ziehen sie den Nachwuchs auf, lagern Honig und Pollen. Wer einen Bienenstock in seinem Garten aufstellt, bietet einem Bienenvolk Platz, zieht aber zugleich Vorteile aus der Bestäubung seiner Nutzpflanzen.
Bildnachweis: Michel Rauch
Hummel
Die Gattung der Hummeln gehört zu den Echten Bienen, zur Unterart Bombus. In Europa gibt es 70 Arten von Hummeln, in Deutschland leben davon 36, teils stark bedrohte Hummelarten. Sie alle haben einen stark behaarten, gedrungenen, rundlich ovalen Körper. Ihr Wehrstachel ist kurz und ihr Stechapparat schwach ausgebildet. Weil ihr Verhalten wenig aggressiv ist, kommt es selten zu Hummelstichen.
Am häufigsten trifft man auf verschiedene Erdhummeln, die Feldhummel und die Wiesenhummel. Wie die Honigbienen leben sie in kleinen Staaten, bestehend aus Königin, Arbeiterinnen und einigen wenigen Drohnen. Je nach Art besteht ein Hummelvolk aus 50 bis 600 Tieren. Ihre Nester bauen sie sich in alten Trockenmauern, im Stroh, in den Futterhaufen von Nagetieren oder in alten Vogelnestern. Auch in den verlassenen Gängen von Feld- und Waldmaus nisten sie.
Die Arbeiterinnen der Hummeln sind etwa 12 bis 16 mm groß und von Mitte März bis Ende Oktober aktiv. Sobald es im Frühling etwas wärmer wird, kommen sie hervor. Die etwas größere Hummelkönigin kann man dann auf der Suche nach einem günstigen Nistplatz für die Staatengründung beobachten. Das Aussterben der Hummeln in einigen Teilen Europas wird besorgt beobachtet: Englische Insektenkundler oder Entomologen mussten feststellen, dass in Großbritannien bereits drei von 28 Arten ausgestorben und weitere acht Arten bedroht sind.
Bildnachweis: Jean-Claude Carton
Große Wollbiene
Die Große Wollbiene oder Garten-Wollbiene gehört zu den Solitärbienen, die Einzelgänger sind, also keinen Staat bilden. Man erkennt sie an ihrer leuchtend gelben und schwarzen Zeichnung auf dem Hinterteil. Anders als bei der viel schlankeren Wespe, mit der die gedrungene Wollbiene oft verwechselt wird, sind diese Streifen nicht durchgängig. Das von Anfang April bis Ende September aktive Tier ist kleiner als eine Hummel und misst zwischen 8 und 16 mm. Mit einer Bürste unter dem Hinterteil sammeln die weiblichen Wollbienen Pollen als Nahrung für ihren Nachwuchs.
Sobald sie aus dem Winterschlaf erwachen, suchen sie in Mauern, Erdböschungen oder trockenen Holzstapeln einen Platz für ihr Nest, das sie mithilfe von Spucke aus Holzfasern und Blattteilchen zusammenkleben.
Männliche Wollbienen verteidigen ihr Revier aggressiv, sowohl gegen Drohnen der...