2 Marketing und Dienstleistung
Abb. 6: Übersicht zum zweiten Kapitel
2.1 Terminologische Verortung und Entwicklungsphasen des Marketings
Begriffliche Grundlagen: Marketing
Dem Marketing liegt eine stringente Unternehmensausrichtung auf die volatilen, turbulenten und komplexen Marktbedingungen und -entwicklungen zugrunde. Die fortschreitende Globalisierung, der starke Wettbewerb in den Branchen und ein sich permanent veränderndes Konsumentenverhalten stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, die es systematisch zu bewältigen gilt. Im Gegensatz zu der engen Definition von Marketing, die vornehmlich die Kunden und Kundengruppen in den Fokus stellt und vor diesem Hintergrund eine konsequente Ausrichtung fordert, findet die weite Definition mehr Zuspruch in der einschlägigen Literatur. Sie geht über die ausschließliche Kundenorientierung hinaus und umfasst sämtliche unternehmerischen Austauschbeziehungen, sowohl zu internen als auch zu externen Bezugsgruppen. Nach Bruhn (2012) handelt es sich beim Marketing um
»eine unternehmerische Denkhaltung. Sie konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Unternehmensaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der Unternehmensleistungen am Kundennutzen im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung darauf abzielen, absatzmarktorientierte Unternehmensziele zu erreichen« (Bruhn (2012), S. 14).
Ausgehend von dieser Definition hat Bruhn (2012) fünf Merkmale des Marketings herausgearbeitet, die das Konzept gleichsam als ganzheitlichen Führungsimperativ und globale Unternehmensphilosophie konkretisieren (vgl. Bruhn (2012), S. 13f.; Meffert et al. (2015), S. 13).
Merkmale des Marketings
Die nachfolgenden Merkmale heben den zentralen Charakter des Marketingbegriffs hervor und sind des Weiteren branchen- und unternehmensübergreifend gültig. Zunächst folgt das Marketing der Leitidee einer markt- und kundenorientierten Unternehmensführung. Damit zielt das Marketing insbesondere auf die Identifikation, Analyse und Bewertung von Markt- und Kundenbedürfnissen und gerichtete Anpassung sämtlicher Unternehmensaktivitäten auf die entsprechenden Markt- und Kundenerfordernisse. Des Weiteren postuliert das Marketing die konsequente Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten am Kundenutzen zur Erzielung von strategischen Wettbewerbsvorteilen. Dieses Merkmal stellt vor allem die Nutzensteigerung für Kunden und andere Anspruchsgruppen in den Vordergrund. Durch Ausschöpfung von zusätzlichen Nutzenpotenzialen für Kunden – über den allgemeinen Nutzen des Leistungsprogramms hinaus – sind Unternehmen in der Lage strategische Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu generieren. Darüber hinaus beinhaltet der Marketingbegriff systematische Planungs- und Entscheidungsprozesse. Damit wird gewährleistet, dass sich das Marketing als flankierende Managementfunktion an grundlegende Entscheidungsgrundsätze hält und mit einer ganzheitlichen Orientierung planvoll mit Ressourcen umgeht. Das Marketing fokussiert außerdem die Suche nach kreativen und innovativen Problemlösungen. Da nicht sämtliche erforderlichen Aktivitäten durch ein analytisches Marketing abgedeckt werden können, umfasst es ebenso eine kreative Komponente, die es dem Unternehmen erlaubt, neuartige Lösungen für Problemstellungen zu entwickeln und damit abseits der regulären Pfade zu gehen. Durch dieses Vorgehen können weitere Markterfolge realisiert werden. Bezeichnend für das Marketingkonzept ist schließlich auch die interne und externe Integration sämtlicher Marketingaktivitäten. Das heißt, dass die verschiedenen Funktionsbereiche in einem Unternehmen, die entweder eine direkte oder indirekte Schnittstelle zum Absatzmarkt haben, miteinander koordiniert und hinsichtlich der marktbezogenen Unternehmensaktivitäten integriert werden. In diesem Zusammenhang greift dieses Merkmal idealerweise auch bei vor- und nachgelagerten Prozessen und externen Partnern (vgl. Bruhn (2012), S. 14f.).
Entwicklungsphasen des Marketings
Im Bereich des Marketings können verschiedene Entwicklungsphasen identifiziert werden, die hinsichtlich ihrer Bedeutungsbeimessung und Denkhaltung bezüglich des Marketings zu differenzieren sind. Bruhn (2012) unterscheidet – ausgehend von den 1950er Jahren – insgesamt sieben Phasen, die jeweils eine Dekade umfassen. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die Phasenumbrüche nicht statisch und hinsichtlich der Chronologie nicht trennscharf sind. Vielmehr zeigen diese Phasen den Entwicklungsverlauf und die damit verbundenen Grundorientierungen. Die erste Phase umschließt – wie bereits erwähnt – die 1950er Jahre und wird von Bruhn (2012) als die Phase der Produktionsorientierung benannt. Aufgrund des übermäßigen Nachfrageüberhangs nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Fokus in dieser Phase vor allem auf der Sicherstellung der Güterversorgung und der massenhaften Güterproduktion zur Befriedigung der elementaren Bedürfnisse der Konsumenten. Vor diesem Hintergrund waren insbesondere die Unternehmen erfolgreich, die Massenproduktionen realisieren konnten. Diese Phase zeichnete sich durch einen typischen Verkäufermarkt aus. In den 1960er Jahren schloss sich die Phase der Verkaufsorientierung an. Hier gewann der Vertrieb von Produkten zunehmend an Bedeutung, da der vormalige Produktionsengpass überwunden war und kontinuierlich mehr Anbieter mit erweiterten Produktpaletten auf den Markt drängten. Das Hauptaugenmerk lag somit vor allem auf der Sicherstellung eines belastbaren Vertriebssystems. In dieser Phase wandelte sich langsam der typische Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt. Auf diese Phase folgte in den 1970er Jahren die Phase der Marktorientierung. Diese war insbesondere durch ein Überangebot von Waren gekennzeichnet. Durch die allgemeine Sättigung des Marktes und des damit verbundenen Übergangs zum Käufermarkt, waren es nunmehr die Konsumenten, die einen Engpassfaktor darstellten. Unternehmen waren aus diesem Grund aufgefordert, neue Marktbearbeitungsstrategien zu entwickeln und unter anderem Marktsegmentierungen vorzunehmen, um spezialisierte Bedürfnisse der bestimmten Kundengruppen zu befriedigen. Die 1980er Jahre waren vor allem durch die Phase der Wettbewerbsorientierung geprägt. Ziel des Marketings war – und ist es nach wie vor – strategische Wettbewerbsvorteile zu generieren und diese am Markt nachhaltig auszuschöpfen. Aufgrund der steigenden Wettbewerbsdynamik und der damit verbundenen Fülle von gleichgerichteten Marketingaktivitäten, wurde es immer schwieriger für Unternehmen, sich von der Konkurrenz abzuheben und sich am Markt vor allem durch Alleinstellungsmerkmale, komparative Konkurrenzvorteile und strategische Erfolgspositionen durchzusetzen. In den 1990er Jahren begann die Phase der Umfeldorientierung. Das Marketing erweiterte in dieser Phase angesichts zunehmend volatiler und sich permanent verändernder gesellschaftlicher, politischer, technologischer und wirtschaftlicher Umweltbedingungen das Spektrum von Einflussgrößen, um möglichst zeitnah Veränderungen wahrzunehmen und frühzeitig darauf zu reagieren. Dem vormaligen Qualitäts- und Kostenwettbewerb wurde somit eine dritte Wettbewerbsdimension, die Zeit, hinzugefügt. Die 2000er Jahre werden von Bruhn (2012) vor allem mit der Phase der Beziehungsorientierung belegt. Volatile Umweltbedingungen, ansteigende Anforderungskomplexitäten und diverse Krisenerscheinungen erzeugten ein Bewusstsein für die Nachhaltigkeit der Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden. Das sogenannte Relationship-Marketing zielt in diesem Zusammenhang auf eine Beziehungsführerschaft. Seit den 2010er Jahren befinden wir uns in der Phase der Netzwerkorientierung, die insbesondere auf die Quantensprünge im Informations- und Kommunikationsbereich zurückzuführen ist. Konsumenten sind aufgrund der rasant fortschreitenden technologischen Entwicklung hinsichtlich der schier grenzenlosen Kommunikations- und Informationsbeschaffungsmöglichkeiten in einer wesentlich stärkeren Machtposition gegenüber Unternehmen (vgl. Bruhn (2012), S 15ff.). Die nachfolgende Abbildung zeigt die einzelnen Entwicklungsphasen des Marketings und ihre Grundorientierung.
Tab. 4 Überblick über die Entwicklungsphasen des Marketings (Quelle: In Anlehnung an Bruhn (2012), S. 15ff.)
Formen des Marketings
Bernecker (2006) unterscheidet auf Grundlage des traditionellen Konsumgüterbereichs in Verbindung mit dem allgemeinen Bedeutungszuwachs im Investitions- und Dienstleistungsbereich fünf Formen des Marketings: Konsumgüter-, Industriegüter-, Dienstleistungs-, Social- und Non-Profit-Marketing. Das Konsumgütermarketing...