Alfred Grand kontrolliert seine Regenwürmer in der Produktionshalle für Regenwurmhumus.
Wie es kam, dass ich nicht Motorradmechaniker, sondern Biobauer wurde – eine persönliche Einleitung von Alfred Grand
Ich war gerade dabei, den zweiten Jahrgang der Weinbauschule in Klosterneuburg zum zweiten Mal negativ abzuschließen. Als mich meine verzweifelten Eltern fragten, was ich mit diesem Schulerfolg einmal werden möchte, war meine Antwort klar: Motorradmechaniker!
Ich bin ihnen heute noch dankbar, dass sie nach einem kurzen Tobsuchtsanfall weise und beharrlich genug waren, mich – Schulwechsel inklusive – weiterhin als Landwirt ausbilden zu lassen. In der Weinbauschule in Retz bin ich dann das erste Mal mit der Kompostierung, und auch mit der Idee der biologischen Landwirtschaft in Berührung gekommen. Bereits damals war ich von der cleveren Art der Biobauern begeistert, die viele Dinge aus einer ganz anderen Perspektive betrachteten als ihre konventionellen Kollegen.
Als ich Jahre später begann, einen Kompostplatz zu planen, wollte ich diesen so gestalten, dass ich die entstehende Wärme als Heizung nutzen konnte. Ich habe mich im damals gerade aufkommenden Internet nach Ideen umgesehen und bin immer wieder auf das Thema „Vermicomposting“ gestoßen. Dass es sich um die Kompostierung mit Hilfe von Regenwürmern handelte, wusste ich noch nicht, aber die Lobpreisungen des dabei entstehenden Regenwurmhumus machten mich neugierig. Ich besorgte mir Literatur aus den USA und machte mich an die Arbeit. Eine Wurmkiste war schnell gebaut und ein paar Regenwürmer konnte ich gleich auf der Wiese finden!
Drei Wochen später waren alle Würmer tot. Meine Recherche ergab: Ich hatte eine falsche Art von Regenwürmern verwendet.
Genau diese Recherchen waren es, die mich sozusagen immer tiefer in die „Erde“ gezogen haben, die mir den Kreislauf der Natur mit all seinen kleinen Wundern und in all seiner Perfektion näher brachten. Teil dieser Recherche war eine Reise nach Kalifornien im Jahr 1999. Wir hatten verschiedene Besuche auf Regenwurmfarmen vereinbart, unter anderem auch einen Termin bei einem Regenwurmspezialisten der hochangesehenen Universität Berkeley nahe San Francisco. Dort angekommen, zeigte man uns zwei vertrocknete Wurmkisten, die angeblich Teil eines aussichtsreichen Kleinversuchs gewesen waren. Da man uns die Enttäuschung anscheinend ansah, wurden wir noch zum Lunch in die Mensa der Universität gebeten. Während des Essens schwärmte uns der Wissenschaftler vor, wie man die Wurmkompostierung – die in den USA ja eigentlich nur eine Zucht von Regenwürmern für Angler ist – einsetzen könne, um Biomüll zu hochwertigem Dünger zu verarbeiten. Eine Maßnahme, die nicht nur verschiedene positive Auswirkungen auf die Umwelt habe, sondern eben auch ein hochwertiges Produkt hervorbringe, welches wiederum eine Reihe höchst positiver Eigenschaften besitze.
Super, da hatte sich die Reise nach Berkeley ja doch noch ausgezahlt. Diese Informationen waren sehr vielversprechend. Als wir mit unserem Essen fertig waren und die Reste zurückgeben wollten, kam die Ernüchterung: Keine Idee von Mülltrennung, der ganze Rest vom Lunch, das Plastikbesteck (inklusive Verpackung), Plastikteller, Plastikbecher und die Essensreste landeten in einem Behälter. Dem Wissenschaftler war das ziemlich peinlich, ein knappes „Leider sind wir noch nicht so weit“ war ihm noch zu entlocken.
Für uns stand fest: Die Wurmkompostierung hatte ihre Heimat viel eher in Europa, eigentlich in Österreich, das zu dieser Zeit in Hinblick auf getrennte Sammlung und Kompostierung der organischen Reste schon weit fortgeschritten war. Ich hatte ein klares Ziel: Ich wollte die Wurmkompostierung in Österreich und Europa etablieren!
In den nächsten Jahren versuchten wir, wie viele andere auch, unser Glück in Bodenmieten (direkt am Boden aufgebrachte flache Komposthaufen), die zwar prinzipiell funktionierten, aber leider kaum Regenwurmhumus für die Vermarktung hergaben. Versuche mit unterschiedlichen Systemen brachten nicht die Erfolge, die wir uns erwartet hatten, obwohl ich vom Konzept der Wurmkompostierung begeistert war.
Regenwurm und fertiger Wurmhumus.
Fertig abgepackter Regenwurmhumus.
Die Arbeit der Regenwürmer und des gesamten Bodenlebens überzeugte mich sogar so sehr, dass ich beschloss, unsere Landwirtschaft auf biologische Wirtschaftsweise umzustellen. Die Wurmkompostierung, die zu diesem Zeitpunkt (2006) noch als Teil des Bauernhofs betrieben wurde, war jedoch wenig produktiv und ich musste eine Entscheidung treffen.
Luzerneheu und Pferdemist werden gemeinsam kompostiert und dann den Würmern verfüttert.
Auch im großen Stil kann man Biodünger selber machen: Vor dem Weizen wuchs Luzerne auf dem Feld und erntete jede Menge Stickstoff aus der Luft.
So entwickelten wir unser eigenes, kontinuierlich arbeitendes Wurmkompostsystem. Das war der erste Schritt in Richtung einer professionellen Produktion. Dieses System, VERMIC genannt, ermöglichte es uns erstmals, größere Mengen in gleichbleibender Qualität zu erzeugen, ein echter Durchbruch, um Regenwurmhumus auch im Handel anbieten zu können. Durch die Ausgliederung der Düngerproduktion im Jahr 2010 in die VERMIGRAND Naturprodukte GmbH, die ich gemeinsam mit meinem Partner Leopold Fischer gegründet hatte, war es mir möglich, noch mehr Energie in die Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet zu stecken. Wir konnten VERMIC weiter verbessern. Und haben unser Produktionsverfahren als Lizenz mittlerweile in mehrere Länder in Europa und sogar nach Asien verkauft.
Ich habe 15 Jahre benötigt, um mir das Wissen und die Erfahrung anzueignen, hochwertigen Biodünger herzustellen. Je mehr ich mich mit Erde und Kompost beschäftige, desto mehr lerne ich dazu und dieses Wissen möchte ich weitergeben, um Ihnen zu zeigen, dass die Produktion von hochwertigen biologischen Lebensmitteln, sowohl in kleinem als auch in großem Stil möglich ist, und zwar auf nachhaltige Weise und ohne die Natur und Umwelt dabei zu verbrauchen. Leider wurde in den vergangenen Jahrzehnten wenig zu Fragen der biologischen Landwirtschaft geforscht. Aber dieser Trend kehrt sich um und die letzten zehn Jahre brachten bereits eine Vielzahl an Erkenntnissen, die uns helfen, sorgsam mit unseren Ressourcen, vor allem dem Boden umzugehen.
Ein Beispiel dafür ist der Weltagrarbericht. Diese Studie wurde von der FAO, der Food and Agriculture Organization der UNO, in Auftrag gegeben, über 400 Wissenschaftler aus 150 Ländern waren daran beteiligt. Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Langfristig wird es nicht möglich sein, die Weltbevölkerung mit Hilfe der industrialisierten Landwirtschaft zu ernähren. Die einzige Möglichkeit ist eine nachhaltige Bewirtschaftung, wie diese durch Biolandwirtschaft gewährleistet ist.
Die Umstellung auf eine biologische Bewirtschaftungsweise sieht man den Böden schon nach wenigen Jahren an. Die organischen Reste verschwinden rascher von der Oberfläche, die Aktivität des Bodenlebens kehrt zurück und die Pflanzen müssen wieder mehr mit dem Bodenleben kommunizieren, um alle notwendigen Nährstoffe zu mobilisieren und sich vor Krankheiten zu schützen (ja, auch dafür ist oft das Bodenleben zuständig). Dies bewirkt eine höhere Stresstoleranz und so zeigen die Bioäcker in schwierigen Jahren erst ihr Potential. Normal sagt man, dass konventionelle Äcker im Durchschnitt um 20 bis 25 Prozent höhere Erträge liefern. Wenn es aber über viele Wochen hinweg nicht regnet, es im Sommer besonders heiß ist, oder auch wenn es zu kalt ist und die Pflanzen nicht optimal weiterwachsen können – dann schrumpfen die Ertragsunterschiede zwischen Feldern, die intensiv mit Mineraldünger und Pestiziden behandelt werden, und solchen, die biologisch bewirtschaftet werden. Und immer öfter haben Biobauern die gleichen oder sogar höhere Erträge als ihre konventionellen Kollegen.
Wie kann das sein, fragen Sie?
Der Schlüssel liegt im Bodenleben. Dieses benötigt die Pflanze, um Nährstoffe – die zwar vorhanden, aber für die Pflanze nicht nutzbar sind – verfügbar zu machen. Die Pflanze bedient sich hier des Bodenlebens, versorgt und füttert es, und im Gegenzug mobilisiert das Bodenleben der Pflanze die benötigten Nährstoffe. Die Kommunikation erfolgt über die Wurzeln durch sogenannte Wurzelexsudate, also Substanzen, die die Wurzeln ins Erdreich abgeben.
Biobauern fördern Regenwürmer im Boden. Diese hinterlassen düngende Regenwurmhäufchen.
Wenn die Pflanze genug Nährstoffe verfügbar hat (zum Beispiel durch leicht lösliche Mineraldünger), reduziert sie die Zusammenarbeit mit dem Bodenleben. Macht Sie das über einen längeren Zeitraum (weil immer Mineraldünger in ausreichender Menge verfügbar ist), verkümmert das Bodenleben richtiggehend.
Tritt dann aber eine Stresssituation ein, kann die Pflanze nicht auf das Bodenleben zurückgreifen. Anders auf biologisch bewirtschafteten Flächen: Hier kann sie dies sehr wohl und dementsprechend haben Biobauern eben manchmal die gleichen oder sogar bessere...