Iste Reise des Vaters mit dem Sohne und der Tochter nach München.
Die erste Reise, die der Vater mit den beyden Kindern unternahm, war nach München im J. 1762 den 12. Januar, wo also unser Mozart noch nicht das sechste Jahr vollendet hatte. Von dieser ersten Reise sind weiter keine Nachrichten vorhanden, als dass sie dort drey Wochen geblieben, wo Wolfgang vor dem Churfürsten ein Concert spielte, und mit seiner Schwester die grösste Bewunderung einerntete.
Als sie nach Salzburg zurückgekehrt waren, und beyde Kinder nun täglich vollkommener auf dem Claviere wurden, ging die gesammte Familie im Herbste, den 19. Sept. 1762, also auch im sechsten Altersjahre Mozarts, nach Wien, wo die beyden kleinen Virtuosen dem kaiserlichen Hofe vorgestellt wurden.
IIte Reise des Vaters mit den beyden Kindern nach Wien.
Schon während der Reise nach Wien schrieb der Vater an den Kaufmann Hagenauer nach Salzburg unter andern Folgendes:
(Leopold Mozarts Brief No. 1.)
Linz, 3. October 1762.
Haben Sie nicht geglaubt, wir wären schon in Wien, da wir doch noch in Linz sind? Morgen, wenn Gott will, gehen wir dahin ab. – – – Wir wären schon in Wien, wenn wir nicht in Passau fünf ganze Tage hätten sitzen müssen. Diese Verzögerung, woran der dasige Bischof Schuld war, ist mir um achtzig fl. Schade, die ich in Linz eingenommen hätte, wenn ich früher gekommen wäre, da ich mich nun mit etlichen vierzig fl. begnügen muss, die mir aus dem vorgestern gegebenen Concerte geblieben sind. Wolfgang hatte die Gnade, sich bey dem erwähnten Fürsten zu produciren, und dafür bekam er einen ganzen Ducaten.
In Passau waren wir den 20. September angekommen. Am 26. Sept. reisten wir mit dem Domherrn Grafen Herberstein hieher, und trafen an demselben Tage ein. Die Kinder sind lustig und überall wie zu Hause. Der Bube ist mit allen Leuten, besonders mit Offizieren, so vertraulich, als wenn er sie schon seine ganze Lebenszeit hindurch gekannt hätte. Meine Kinder seyn übrigens alle in Verwunderung, sonderheitlich der Bube.
Graf Herberstein und Graf Schlick, der hiesige Landeshauptmann, wollen uns in Wien einen grossen Lärm vorangehen lassen. Allem Ansehen nach werden unsere Sachen gut gehen. Gott erhalte uns nur, wie bisher, gesund. Ich bitte Sie, auf unsere Intention vier heilige Messen zu Maria-Plain1 zu veranstalten, und zwar so bald es möglich ist – –
(Leopold M. Brief No. 2)
Wien, 16. Octbr. 1762.
Am Feste des heil. Franziscus sind wir von Linz abgereist und in Matthausen angelangt. Den folgenden (Dienstag) Erchtag kamen wir nach Ips, wo zwey Minoriten und ein Benedictiner, die unsere Wasserreise mitgemacht hatten, heilige Messen lasen, unter welchen unser Woferl2 sich auf der Orgel so herum tummelte und so gut spielte, dass die Franziscaner Patres, die eben mit einigen Gästen an der Mittagstafel sassen, sammt ihren Gästen das Essen verliessen, dem Chore zuliefen und sich fast zu Tode wunderten. Nachts waren wir zu Stein, und am Mittwoch langten wir hier an. Auf der Schanzelmauth wurden wir ganz geschwind abgefertigt, und von der Hauptmauth gänzlich dispensirt. Das hatten wir unserm Herrn Woferl zu danken, denn er machte sogleich Vertraulichkeit mit dem Mauthner, zeigte ihm das Clavier, machte seine Einladung, spielte ihm auf dem Geigerl ein Menuett.
Bis jetzt sind wir, trotz des abscheulichsten Wetters, schon bey einer Akademie des Grafen Collalto gewesen, und die Gräfin Sinzendorff hat uns zu dem Grafen Wilschegg und den 11. zu dem Reichs-Vicekanzler Grafen von Colloredo geführt, wo wir die ersten Minister und Dramen zu sprechen die Gnade hatten, namentlich den ungarischen Kanzler, Grafen Palffy, den böhmischen Kauzler, Grafen Chotek, den Bischof Esterhazy. Erwähnte Gräfin ist sehr für uns bemüht, und alle Damen sind in meinen Buben verliebt. Nun sind wir schon aller Orten in Ruf. Als ich am 10. October in der Oper war, hörte ich den Erzherzog Leopold aus seiner Loge in eine andere hinüber erzählen: es sey ein Knabe in Wien, der das Clavier so trefflich spiele etc. Selbigen Abend um 11 Uhr erhielt ich Befehl, am 12. nach Schönbrunn zu kommen. Am folgenden Tage ward ich aber auf den 13. bestellt, weil am 12. der Maximilians- und folglich ein Galla-Tag wäre, und man die Kinder in Bequemlichkeit hören will. Alles erstaunet ob dem Buben, und ich habe noch Niemand von ihm sprechen hören, der nicht sagte, dass seine Fähigkeit unbegreiflich ist. Der Baron Schell bemüht sich sehr für mich, und erkennt mit dankbarem Gemüthe die Güte, die er in Salzburg genossen hat, welches ich dem gnädigen Herrn Chiusolis anzurühmen bitte; ich hatte an ihn ein Schreiben von dem Grafen Daun zu meinen Gunsten. Er macht mir gute Hoffnung, und es scheint, dass er es darf, da der Hof uns zu hören verlangt hat, ehe wir uns gemeldet haben. Dieses ist so zugegangen: Ein junger Graf Palffy ging durch Linz, als eben unser dortiges Concert anfangen sollte. Er wartete der Gräfin Schlick auf, die ihm von dem Knaben erzählte und ihn bewog, die Post vor dem Rathhause halten zu lassen und mit ihr in das Concert zu gehen. Er hörte es mit Erstaunen an und machte bey seiner Anherkunft die Erzählung dem Erzherzoge Joseph, der sie der Kaiserin wiederholte. So bald es nun bekannt war, dass wir in Wien wären, erging der Befehl an uns, bey Hofe zu erscheinen. – Ich hätte Ihnen sogleich berichtet, wie unsere Erscheinung ausfiel, wenn wir nicht schnurgerade von Schönbrunn zum Prinzen von Hildburghausen hätten fahren müssen. Es überwogen solchergestalt sechs Ducaten das Vergnügen, Ihnen unverzüglich zu schreiben. Noch heute lässt mir die Zeit nicht zu, Ihnen mehr zu sagen, als dass wir von den Majestäten so ausserordentlich gnädig aufgenommen worden sind, dass man meinen Bericht für eine Fabel halten würde. Der Woferl ist der Kaiserin auf den Schooss gesprungen, hat sie um den Hals genommen und rechtschaffen abgeküsst. Wir sind von 3 bis 6 Uhr bey ihr gewesen, und der Kaiser kam selbst in das zweyte Zimmer hinaus, mich hinein zu holen, um die Infantin auf der Violine spielen zu hören. Gestern, als am Theresien-Tage, schickte die Kaiserin uns durch den geheimen Zahlmeister, der in Gala vor unsere Wohnung gefahren kam, zwey Kleider, eins für den Buben, eins für das Mädel. Der geheime Zahlmeister wird sie immer nach Hofe abholen. Heute Nachmittag müssen sie zu den zwey jüngsten Erzherzögen, dann zu dem genannten Grafen Palffy. Gestern sind wir bey dem Grafen Kauniz und vorgestern bey der Gräfin Kinsky und dem Grafen Udefeld gewesen.
(Leopold M. Brief No. 3.)
Wien, 19. October 1762.
– – – – Heute wurde ich zum geheimen Zahlmeister gerufen. Er empfing mich mit der grössten Höflichkeit und fragte im Namen des Kaisers: ob ich mich nicht hier noch einige Zeit aufhalten könnte? Meine Antwort war: dass ich mich Seiner Majestät zu Füssen legte. Der Zahlmeister händigte mir darauf 100 Ducaten ein, mit dem Beysatze: dass Seine Majestät uns bald wieder rufen werden. Ich mag es betrachten, wie ich es immer will, so sehe ich vor, dass ich vor dem Advent kaum nach Hause kommen werde; allein ich werde schon vorher noch wegen Verlängerung der Erlaubniss bitten. Denn ich muss, wenn ich auch in vierzehn Tagen oder drey Wochen von hier weggehen könnte, wegen der Kinder langsam reisen, damit sie zu Zeiten ein paar Tage ausruhen und nicht, krank werden.
Heute waren wir bey dem französischen Botschafter, und morgen sollen wir zu einem Grafen Harrach. Aller Orten werden wir durch die herrschaftlichen Wagen mit einem Bedienten abgeholt und zurückgeführt. Von sechs bis neun Uhr sind wir für sechs Ducaten zu einer grossen Akademie veraccordirt, wobey die grössten Virtuosen, die dermal in Wien sind, sich produciren werden. Man bestellt uns vier, fünf, sechs, bis acht Tage voraus, um nicht zu spät zu kommen; so bey dem Oberst-Postmeister, Grafen Paar, auf den Montag. Einmal sind wir um halb drey bis gegen vier Uhr an einem Orte gewesen. Da liess uns der Graf Hardegg mit seinem Wagen holen und zu einer Dame in vollem Galopp führen, wo wir bis halb sechs Uhr blieben; dann ging es zum Grafen Kauniz, bey dem wir bis gegen neun Uhr waren.
Wollen Sie wissen, wie des Woferls Kleid aussieht? Es ist vom feinsten Tuche, lillafarben; die Weste von Moir, nämlicher Farbe; Rock und Camisol mit doppelten und breiten Gold-Borten. Es war für den Erzherzog Maximilian gemacht. Der Nannerl ihr Kleid war das Hofkleid einer Erzherzogin. Es ist weiss brochirter Taffent, mit allerhand Garnirungen. – – – – –
(Leopold M. Brief No. 4.)
Wien, 30. October 1762.
– – – – Glück und Glas, wie bald bricht ein Essigkrug! Ich dachte es fast, dass wir vierzehn Tage nach einander zu glücklich waren. Gott hat uns ein kleines Kreuz zugeschickt, und wir danken seiner unendlichen Güte, dass es noch so abgelaufen ist. Den 21. waren wir Abends um sieben Uhr abermals bey der Kaiserin. Woferl war schon nicht recht wie sonst. Später zeigte es sich, dass der Woferl eine Art Scharlach-Ausschlag hatte. Die Herrschaften hatten nicht nur die Gnade, sich täglich um die Umstände des...