Gemeinsam Neuland betreten
Wenn wir mit dem Clickertraining beginnen, betreten wir gemeinsam mit unserer Katze Neuland. Ich nenne es gerne Clickerland, und hier gibt es viel zu entdecken: ein freundschaftliches Miteinander, respektvoller Umgang, Spaß und Lernen mit tollen Leckerchen, Nähe durch Kennenlernen und das Formen einer gemeinsamen Sprache.
Clickern in unserem Sinne ist eine gemeinsame Sprache, die wir mit der Katze zusammen erlernen. Wir verstehen es als ein artübergreifendes Esperanto zur Kommunikation mit Katzen, das viele ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Wichtig ist, dass beide Seiten diese Sprache erlernen und beherrschen. Wenn Katze und Mensch über das Grundvokabular und die Grammatik verfügen, kann die Sprache ständig durch neue Vokabeln und dialektische Ausprägungen weiterentwickelt und verändert werden.
MIT VORURTEILEN AUFRÄUMEN
Es geht beim Clickern darum, gemeinsam mit der Katze im Laufe des Trainings ein Programm zu erarbeiten und immer wieder neue Übungen oder Varianten zu entwickeln. Der Clicker ist mein Hilfsmittel zur Kommunikation, er ist weder ein Machtinstrument noch eine Fernsteuerung. Katzen werden durch das Clickertraining nicht zu willenlosen Robotern, nur weil sie eine Belohnung, sprich eine positive Verstärkung ihres Verhaltens erhalten. Wenn einige clickerunerfahrene Katzenfreunde hören, dass wir von „Konditionierung auf den Clicker“ sprechen, assoziieren sie damit sofort die Pawlowschen Hunde, denen der Speichel aus dem Fang lief, wenn die Glocke ertönte – so wollen wir unsere Katzen natürlich nicht sehen.
Auch hat die Konditionierung auf den Clicker nichts mit Dominanz, Zwang oder gar Gewalt zu tun. Ich möchte an dieser Stelle jeden Katzenfreund beruhigen: Katzen lassen sich nicht zu etwas zwingen, was sie nicht wollen. Sie lassen sich glücklicherweise auch nicht „brechen“, wie es leider nach wie vor im Hunde- und Pferdetraining zu erleben ist. Katzen werden sich nur auf ein Trainings- oder Spielangebot einlassen, wenn sie Spaß an dem Ganzen gefunden haben und sie darin einen Sinn sehen. Der Sinn kann auch darin liegen, sich ihrem Menschen zuliebe darauf einzulassen. Katzen lassen sich anregen, aber nicht drängen. Sie machen mit, wenn sie wollen. Wir haben es allerdings in der Hand, sie zu motivieren.
WER DEFINIERT DIE SPIELREGELN?
Eine Pionierin des Clickertrainings, die US-Amerikanerin Karen Pyror, nimmt an, die Katze sei beim Clickertraining der Ansicht, sie gebe die Spielregeln vor, indem sie uns aktiv dazu bringt, zu clicken und Leckerchen herauszurücken. Nun, wer weiß das schon. Aber eins ist sicher: Wenn Mensch und Tier überzeugt sind, dass sie einen aktiven Part im Geschehen haben, so ist es doch für beide ein gleichermaßen befriedigendes Vergnügen. Es ist wie immer eine Frage der Perspektive. Ich mag diese Sichtweise, erinnert sie mich doch an den unter Katzenhaltern weithin bekannten und beliebten Ausspruch: Sie füttern mich, sie kümmern sich um mich, ich muss Gott sein! Und schon die alten Ägypter wussten um das götterähnliche Wesen der Katzen. So wird auch Bastet, die Göttin der Fruchtbarkeit und der Liebe, als Katze dargestellt. „Bastet Rules“ könnte man sagen, was frei übersetzt so viel heißt wie „Bastet gibt den Ton an“ – und ja, unsere kätzischen Freunde wissen schon, wie sie uns am effektivsten lenken. Das entlockt mir immer ein Schmunzeln. Und passt zu unserem Bild vom wunderbaren Clickerland: Ich stelle mir ein kätzisches Paradies vor, in dem den Katzen die schmackhaftesten Köstlichkeiten durch ein wenig Aufwand in den Mund fliegen.
© Birga Dexel
MODERNER BASTETKATER Birga im Kreise ihrer „Katzengötter“
KATZEN WOLLEN LERNEN UND GEFORDERT WERDEN
Neben den bereits erwähnten Vorbehalten gegenüber der Konditionierung von Katzen gibt es noch andere Gründe, warum Katzenfreunde sich erst in den letzten Jahren vom Clickertraining überzeugen ließen, obwohl sie doch mit einer ausgesprochen intelligenten Spezies zusammenleben.
Nach wie vor hält sich hartnäckig die Meinung, Katzen wollten und könnten nicht trainiert oder erzogen werden. Eine sehr traurige Konsequenz dieser Denkweise ist, dass unzählige Katzen mit schwierigen Verhaltensweisen einfach weggegeben werden, und damit für viele Katzen eine Odyssee von einem Halter zum nächsten beginnt, bis sie sogar in manchen Fällen tierschutzwidrig eingeschläfert werden. Mit den Jahren bin ich Zeugin vieler derartig trauriger Katzenschicksale geworden. Jeder Fall, in dem wunderbare Katzenwesen, aufgrund menschlicher Unkenntnis oder fehlender Bereitschaft, eine Lösung zu finden, derart leiden müssen, entsetzt mich und macht mich wütend. Lassen Sie es mich Ihnen sagen: Katzen sind weder lernresistent, noch dumm, noch unwillig. Ich erlebe Katzen täglich als äußerst intelligente, neugierige, wissbegierige Gefährten. Sie haben ihren eigenen Willen und drücken in ihrem Verhalten ihre eigene Persönlichkeit aus – genau deswegen schätzen wir sie auch so außerordentlich. Ob eine Katze Spaß daran hat, mit uns zu arbeiten, hängt vor allem von der Wahl der richtigen Mittel ab, wie wir ihr die Aufgaben schmackhaft machen und sie zum Mitmachen motivieren. Dazu gehören eine angenehme Atmosphäre, Geduld und ein freundlicher Umgang. Es ist wie bei uns Menschen: Der Ton macht die Musik.
© Andreas Friese
ESME Die ehemalige Zuchtkatze hat im Clickertraining eine sie ausfüllende Aufgabe gefunden.
VORAUSSETZUNGEN FÜR ERFOLG
In diesem Zusammenhang wird auch verkannt, dass die Katze über eine klare Kommunikation verfügt. Wir müssen allerdings zuerst ihre oftmals subtile Laut- und Körpersprache kennen und lesen lernen. Dies ist die essentielle Grundlage für ein gemeinsames Clickertraining. Hat der Halter die Signale der Katze verstehen gelernt, kann er auch adäquat reagieren. Erst dann wird sie sich motivieren und begeistern lassen. Oder lapidar ausgedrückt: Ich muss zuerst verstehen können, wie mein Gegenüber „tickt“. Dann funktioniert auch die Verständigung mithilfe der neuen Sprache: mit unserem „Katze-Mensch-Esperanto.“
Oft fällt dem Menschen als Gruppenwesen die Kommunikation mit anderen in sozialen Gruppen lebenden Tieren wie Hunden deutlich leichter. Offensichtlich sind Lautgebung und die Körpersprache der Hunde für viele eindeutiger. Bei Katzen müssen wir ganz speziell unsere Intuition, Empathie, unsere feinen Antennen nutzen und auf gemachte Erfahrungen zurückgreifen. Eine Katze zum Mitmachen zu motivieren, ist per se für einen Anfänger wesentlich schwieriger, als einen Hund zum gemeinsamen Spiel aufzufordern. Die meisten Hunde gehen auf menschliche Angebote und Kontaktversuche sehr viel schneller und begeisterter ein als Katzen. Mit Katzen zu arbeiten und zu kommunizieren, ist eine größere Herausforderung, die aber eine große Freude bereitet.
© Andreas Friese
PFOTE AUF HAND Filou und Birga üben sich im Katze-Mensch-Esperanto.
COPY CATS – MEISTER DER NACHAHMUNG
Katzen lernen unter anderem durch Beobachtung und Nachahmung, deswegen ist es auch so wichtig, dass Sie, sollten Sie in einem Mehrkatzenhaushalt leben, möglichst mit allen Katzen gemeinsam clickern. Auch die passiv zuschauende Katze erlernt das Gesehene.
Katzen müssen im Sprachgebrauch für die Illustration ganz unterschiedlicher Sachverhalte herhalten. Zwei Ausdrücke aus dem Englischen umschreiben das besonders anschaulich: So heißt in der Kriminalistik der Nachahmungstäter im Englischen „copy cat“, wohl auch deswegen, weil Katzen so gut im Nachahmen – im Kopieren – sind. „Herding cats“ (wörtlich: Katzen hüten) beschreibt eine Aufgabe, die wir im Deutschen mit „Flöhe hüten“ bezeichnen und die für uns eigentlich nicht lösbar ist. Dabei wird unterstellt, dass die Katze sowieso nur macht, was sie will, und der Mensch keinerlei Einfluss auf ihr Verhalten hat. Wir sprechen im Deutschen salopp auch davon, dass etwas „für die Katz“ ist, wenn es vergebens oder umsonst war. Wahrscheinlich prägen negative Sprachbilder uns mehr, als uns bewusst und lieb ist. Machen Sie nicht den Fehler, an diesen Vorurteilen festzuhalten. Wenn wir hingegen bewusst an unserer eigenen Wahrnehmung und Kommunikation arbeiten, können wir diese antiquierten Klischees Lügen strafen.
Halten wir uns an die Copy Cats. Katzen sind großartige Nachahmer, wir müssen ihre Beobachtungsgabe und Neugierde nur nutzen. Dann ist das Clickertraining auch nicht „für die Katz“. Versprochen!
BELOHNUNG ZÄHLT! LOBEN IST WICHTIG
Beim Clickertraining arbeiten wir nur mit positiver Bestärkung: Belohnen, Loben, Ansprache. Während wir üben, gibt es keine negativen Reaktionen: kein „Nein“, kein Schimpfen, keine Bestrafung. Unerwünschtes Verhalten wird ignoriert – erwünschtes Verhalten wird belohnt. Insbesondere, wenn das erwünschte Verhalten direkt nach dem Unerwünschten erfolgt, ist es ganz wichtig, dieses enthusiastisch zu würdigen und mit etwas Köstlichem zu belohnen. Wir drücken damit aus: „Ja, richtig! Genau dieses Verhalten möchte ich von dir. Gut gemacht!“
Katzen sind viel schlauer als manch einer denkt. Sie finden schnell heraus, wann und wie sie zu ihrem erwünschten Ergebnis kommen und wann der Aufwand für sie zu groß wird. Sie sind wahre „Meister der Energieeffizienz“. Das hat seinen Sinn: Da in der freien Natur die Jagd sehr anstrengend und aufwendig ist und ihr Leben und das der Nachkommen von Jagderfolgen abhängt, dürfen sie ihre Energie nicht verschwenden. Auch Hauskatzen reagieren, ungeachtet eines täglich gefüllten Napfes, noch so ursprünglich....