Die Begriffe Hillbilly Music und Old-Time Music werden parallel für den gleichen Musikstil verwendet, wobei der Begriff Hillbilly Music im amerikanischen Volksmund üblicher ist, aber einen negativen Beigeschmack impliziert. Bill C. Malone und Ronnie Pugh geben im New Grove Dictionary of Music and Musicians folgende Definition an: “Hillbilly music. A term used for Country music until at least World War II, and now used principally by scholars to describe the music during the years 1920-41 before it became nationally popular and commercial.”[3]
In The Encyclopedia of Country Music wird der Begriff Old-Time Music von Charles Wolfe wie folgt erklärt: “The term “old-time music” is generally used to refer to the styles and repertoires that dominated commercial country music’s first decade, roughly from 1924 to 1935.”[4]
Bereits hier gibt es Unstimmigkeiten zwischen den Definitionen, sowohl bei den Jahreszahlen, als auch bei der Kommerzialisierung der Musik. Charles Wolfe gibt an, Old-Time Music sei der erste kommerzielle Country-Music-Stil, während Bill C. Malone und Ronnie Pugh der Meinung sind, dass die Musik nicht kommerziell war.
Obwohl das New Grove Dictionary of Music and Musicians den Begriff Hillbilly Music und nicht Old-Time Music aufführt, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff Old-Time Music verwendet. Den Beginn 1923 bestimmt die erste Field Recording Session von Ralph Peer für die Okeh Plattenfirma, die als erste mit dem Terminus Old-Time Music eine Musikrichtung definierte. Das Gründungsjahr der Blue Grass Boys, in dem unbewusst aus Old-Time Music Bluegrass Music entstand, stellt gleichzeitig das offizielle Ende der Periode dar. Aus der Entstehung des Begriffs durch die Plattenfirmen kann auch geschlossen werden, dass die Musik von Beginn an kommerziell genutzt wurde. Sie war allerdings nur auf regionaler Ebene populär. In Folge des minimalen Marktanteils konnten nur niedrige Verkaufszahlen erreicht werden.
“What is country music?” lautet der erste Satz in Paul Kingsburys Einleitung in The Encyclopedia of Country Music. Er beantwortet die Frage, indem er aufzählt, welche unterschiedlichen Musikrichtungen unter die Rubrik Country Music fallen: “old-time, honky-tonk, western swing, Cajun, bluegrass, rockabilly, country-pop, country-rock, folk-country, new traditionalism, hot country, and even insurgent or alternative country.” [5]
Das New Grove Dictionary of Music and Musicians beschreibt Country Music kurz als “A popular music style.”[6] In der weiteren Ausführung werden kurz verschiedene Musikrichtungen (auch Bluegrass) beschrieben, die zu diesem Genre gehören.
Der Begriff Country Music umfasst dementsprechend alle Arten der traditionellen und traditionell orientierten amerikanischen Popularmusik, insbesondere auch Bluegrass Music. Country Music wird fälschlicherweise oft lediglich mit der kommerziellen “Mainstream“-Country Music in Verbindung verbracht, wie Country-Pop, Country-Rock und Western Swing. Diese Musikrichtungen sind nur in geringem Maße traditionell orientiert.
Bluegrass beschrieb zunächst eine bestimmte Grasart, die zwar grün ist, aber auf weiten Feldern gesehen ins Bläuliche schimmert. Ihr lateinischer Name lautet Poa Pratensis und wird in gemäßigten Klimazonen häufig als Rasen angelegt. Ursprünglich stammt dieses Gras aus Europa und Asien und wurde von den frühen Siedlern nach Nordamerika gebracht. Schon damals bemerkten diese, dass die Gegend um das heutige Lexington, Kentucky, extrem fruchtbaren Erdboden hat und somit für Landwirtschaft und im Speziellen für die Poa Pratensis gute Wachstumsbedingungen bietet. So erhielt die Region den Namen The Blue Grass.[7] Folgende Darstellung verdeutlicht die Ausbreitung dieser Region in Kentucky:
(R. Gerald Alvey, Kentucky Bluegrass Country, Jackson und London 4/1995 (1. Auflage 1992), S.XX)
In Kentucky wird zwischen innerem und äußerem Blue Grass unterschieden, wobei der innere Blue Grass (hier die schwarz gekennzeichneten Flächen) eine klar definierte geographische Region abgrenzt, die ein eigenes Ökosystem darstellt. Der äußere Blue Grass wird durch kulturelle Zugehörigkeit bestimmt.[8]
Als es üblich wurde, für die Staaten der USA “Nicknames“ auszurufen, wurde für Kentucky The Blue Grass State gewählt.
Um zu erklären, wie dieser ursprünglich biologische und geographische Begriff zum Namen einer Stilrichtung wurde, muss auf den Musiker Bill Monroe zurückgegriffen werden. Nachdem er sich musikalisch von seinem Bruder Charlie getrennt hatte, gründete er 1939 seine eigene Band: die Blue Grass Boys. In der frühen Old-Time Music war es Mode geworden, Bands nach der Heimat, beziehungsweise nach Namen von Landschaftsmerkmalen (Berge, Flüsse…) in der Heimat zu betiteln. Bill Monroe stammte aus der Blue Grass-Region, und wählte danach den Namen seiner Band.[9]
Beide Schreibweisen Blue Grass und Bluegrass sind für die Bezeichnung des Musikstils zulässig. Bill Monroe favorisierte zwar erstere Schreibweise, inzwischen hat sich aber die zusammengesetzte Version durchgesetzt.[10]
Zunächst ist die Tatsache interessant, dass in dem Lexikon Die Musik in Geschichte und Gegenwart die Stilrichtung Bluegrass Music nur sehr kurz erwähnt wird. Unter „Vereinigte Staaten von Amerika. B. Volksmusik II. Ansätze zur amerikanischen Volksmusik“ erscheint in einem Satz das „Banjo, das (…) Ende des 20. Jh. für Bluegrass (die ursprüngliche, nicht kommerzialisierte Variante der Country&Western-Music in den Appalachen) (…) unentbehrlich wirkt.“[11] Trotz der flüchtigen Erklärung gibt es Autoren, die dieser Definition zumindest in Punkto Kommerzialisierung widersprechen. So schreibt beispielsweise Thomas Goldsmith: “Bluegrass from its earliest days was a commercial proposition designed for radio, records, and performances in front of admission-paying crowds.”[12] Bluegrass Music ist – wie schon Old-Time Music - zwar eine kommerzielle Musik, aber nicht in dem Maße wie der Mainstream-Country.
Das New Grove Dictionary enthält einen kurzen Artikel von Neil V. Rosenberg, einem bedeutenden Bluegrass-Autoren.[13] Er gibt darin folgende Definition an: “Bluegrass music. A style of American country music that grew in the 1940s from the music of Bill Monroe and his group, the Blue Grass Boys.”[14] Auch in seinem Buch Bluegrass. A History beschreibt Rosenberg Bluegrass als eine Art Hillbilly/Country&Western/Country Music.[15] In seiner weiteren Ausführung geht er auf die Verwendung von nicht-elektrischen Instrumenten ein, betont allerdings, dass der Einsatz des Mikrofons den Klang von Bluegrass definiert.
Ähnlich schreibt Marilyn Kochman in dem ein Jahr zuvor erschienenen Big Book of Bluegrass: ”Strictly speaking, bluegrass is a type of acoustic country music that has evolved from the string bands of the 1920s and 1930s. Fashioned after its founding model, Bill Monroe and his Blue Grass Boys.”[16]
Richard D. Smith schreibt: “Bluegrass is a traditionally oriented country music initially created as the stringband sound of Bill Monroe & his Blue Grass Boys, which became widely imitated and evolved into a distinctive musical genre.”[17]
Alle bisherigen Autoren sind sich in der Aussage einig, dass Bluegrass eine Art von Country Music ist. Smith allerdings geht weiter, indem er beschreibt, dass Bluegrass sich in ein eigenständiges Musikgenre entwickelt hat. Diese Definition wird wohl den meisten Bluegrass-Musikern zusagen, da sie sich immer wieder gegen die Behauptung wehren, Bluegrass Music wäre eine Form der Country Music. Zwar wird Bluegrass Music tatsächlich als eine Art Country Music bezeichnet, jedoch spielt die “kommerzielle Unschuld“[18] im traditionellen Bluegrass eine große Rolle. So setzt sie sich vom Mainstream-Country ab, da sich Bluegrass Music nicht dem Zwang der Kommerzialisierung unterwirft und beispielsweise keine...