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E-Book

Blutgeld

Undercover bei den Hells Angels

AutorNeal Hall
VerlagHannibal Verlag Edition Koch
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783854453987
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Gerichtsreporter Neal Hall hatte Zugang zu allen Tonbändern, Protokollen und Zeugenaussagen. Zahlreiche Hells Angels werde mit ihren eigenen Worten vorgestellt: Raub, Drogenhandel, Prostitution - es offenbart sich eine kriminelle Szene, die mit brutalen Mitteln gegen jeden vorgeht, der sich ihr in den Weg stellt oder gar versucht, sie zu betrügen oder zu verraten. Michael Plante war so ein Verräter, den die Polizei und die Justiz massiv für Ermittlungen und Anklagen einsetzen konnten. Reihenweise wanderten Hells Angels ins Gefängnis, nach teils dramatischen Gerichtsverhandlungen. Am Ende war das gefürchtete Chapter praktisch nicht mehr existent. Neal Hall öffnet dem Leser durch seine detaillierte Recherche ein Fenster zur unglaublichen Welt der mächtigsten Motorrad-Bande unserer Zeit. Ein spannendes Buch, das umfangreichen Einblick in die Abgründe der Hells Angels liefert.

Neal Hall ist ein preisgekrönter Reporter der Tageszeitung Vancouver Sun, als deren Rockmusik-Kritiker und Gerichtsreporter er auch die Titelgeschichten verantwortet. Aufgewachsen ist er in Vancouvers East End, einer Hochburg der Hells Angels.

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Leseprobe

Einleitung

In seiner Jugend nannten sie ihn Big Mike, besonders wegen seines prallen Bizeps und wegen des muskulösen Brustkorbs. Man kannte ihn auch unter dem Namen „Sherman“, denn sein Körperbau glich einem Sherman-Panzer.

2002 begann der stämmige Gewichtheber Michael Dollard Plante als Rausschmeißer in Vancouvers Marble-Arch-Stripclub zu arbeiten. Er bekam den Job dank der tatkräftigen Unterstützung von Randy Potts, einem aufstrebenden Mitglied der Hells Angels. Zu der Zeit steckte Potts noch mitten im sogenannten „Programm“, einem vierstufigen Ausleseverfahren, das am Ende zur vollwertigen Mitgliedschaft in der berüchtigtsten Outlaw-Biker-Gang der Welt führte. Im örtlichen Fitnessclub wechselte Plante oft einige Worte mit den Bikern und trainierte schon bald mit Mitgliedern des East-End-Chapters der Hells Angels in Vancouver. Er gab ihnen Ratschläge für das Stemmen der Gewichte, damit die Biker ihre Muskeln möglichst effizient „aufpumpen“ konnten, und er versorgte sie auch hin und wieder mit illegalen Steroiden.

Einer der Biker, Lloyd „Louie“ George Robinson, lud Plante eines Tages zum gemeinsamen Training in das an der East Georgia Street gelegene Clubhaus des East-End-Chapters ein. Robinson, damals Mitte 40, war langjähriges Mitglied der East End Hells Angels, und sein Bruder John Peter Bryce fungierte als Präsident der Ortsgruppe.1

Das erste Chapter der Hells Angels war in Oakland, Kalifornien, gegründet worden, und nach und nach formierten sich dann auf der ganzen Welt Ortsgruppen. Die Angels begannen in den Siebzigern, ihre Fühler auch nach Kanada auszustrecken, etablierten sich im ganzen Land und gründeten mehr als 30 Chapter.

Das East-End-Chapter gehörte zu den wohlhabendsten und einflussreichsten Ortsgruppen des Landes. Es wurde 1983 gegründet, als die Hells Angels eine lokale Biker-Gang, die Satan’s Angels, mit drei Ortsgruppen in und um Vancouver und einer in Nanaimo auf Vancouver Island, übernahmen und sich einverleibten.

Das East-End-Clubhaus bildete den Schlupfwinkel der Biker, versehen mit Überwachungskameras und abgesichert durch Stahltüren mit elektronischen Schlössern. Es verfügte über eine Privatbar, eine Lounge, einen Versammlungsraum, zwei Schlafzimmer und einen komplett ausgestatteten Fitnessraum.

Robinson, zutiefst beeindruckt vom gestählten und überaus muskulösen Körperbau seines Kumpels, bat diesen, sein Krafttraining zu überwachen. Bei einer dieser gemeinsamen Übungseinheiten wurde Plante Zeuge, wie sein Schützling aus der Rückenlage mehr als 180 Kilogramm stemmte, was bei den anderen Hells Angels entsprechend Eindruck machte.

Schon bald eilte Plante der Ruf eines zuverlässigen Freundes der Biker voraus, woraufhin diese ihm verschiedene Jobs übertrugen. Zusätzlich zu der Tätigkeit als Rausschmeißer im Stripclub machte er sich als Verstärkung beim Eintreiben ausstehender Zahlungen nützlich. Seine Muskelpakete schüchterten die Schuldner ein und versetzten sie in Angst und Schrecken. Plantes Job bestand darin, diesen Leuten klarzumachen, dass sie weniger Ärger – und keine Schmerzen – zu befürchten hatten, wenn sie freiwillig und schnell zahlten.

Meist reichten ein furchteinflößender Blick und einige einschüchternde Androhungen aus, doch falls notwendig, wurde auch Gewalt angewandt. Manchmal zog Plante sogar eine Waffe. Im Januar 2003 bedrohte er einen Mann, der Randy Potts Kutte gestohlen hatte, die diesen als „Abhänger“ auswies. Als der Dieb aus dem Haus kam, feuerte Plante mit einer .38er Pistole drei Mal in die Luft. „Ich wollte ihm nur Angst einjagen, ihn bluffen“, erinnerte er sich später und gab an, dass er zur Tarnung ein Sweatshirt mit Kapuzenmütze trug.

Während seiner „Karriere“ beim Club verübte Plante sieben Anschläge, doch die meisten Zeugen bekamen schnell kalte Füße und weigerten sich, Anzeige gegen ihn zu erstatten. Er wurde lediglich wegen eines Angriffs auf einen Mann im Fitnesscenter verurteilt.

Doch dann kam der Tag, der sein Leben für immer verändern sollte und an dem er sich entschied, als Maulwurf für die Polizei zu arbeiten.

Im Juli 2003 wurde Plante, damals 36 Jahre alt, der Auftrag erteilt, das Büro von James Betnar aufzusuchen, einem Geschäftsmann aus Vancouver, der nach Polizeiinformationen David Patrick O’Hara 20.000 Dollar schuldete. Zu der Zeit gehörte O’Hara zum Mission-Chapter der Hells Angels, das die Gegend um Vancouver unsicher machte.2

Alles begann wie ein Routinejob. Randy Potts beauftragte Plante, besagten Betnar aus seinem Büro zu holen und ihn zu O’Haras luxuriösem Haus in Surrey, einem Vorort von Vancouver, zu bringen, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Während der 40-minütigen angespannten Fahrt breitete sich eine unangenehme Atmosphäre im Wagen aus. Betnar war klar, was ihn erwartete, und er sagte kaum ein Wort. Am Ziel der Reise angekommen, parkte Plante vor einer großen Werkstatt, in der O’Hara an Dragster-Bikes schraubte. Er erklärte Betnar, dass O’Hara drinnen warte, um mit ihm Klartext zu reden.

Plante saß dann draußen und hörte Betnar, der drinnen verprügelt wurde, schreien. Schließlich torkelte Betnar mit blutigen Striemen auf Gesicht und Armen aus der Tür. Unter unerträglichen Schmerzen humpelte er zu Plantes Auto.

Die meisten Opfer der Hells Angels hätten kein Sterbenswörtchen über eine Prügelattacke verloren, und das Leben der mächtigsten Gang an der Ostküste hätte seinen gewohnten Lauf genommen. Doch Betnar wandte sich an die Polizei, die ihm das anbot, ihn ins Zeugenschutzprogramm aufzunehmen, ein Verfahren, das mit einem Umzug einherging. Im Anschluss an Betnars Aussage wurden Plante und O’Hara verhaftet und wegen Erpressung angeklagt.3

Man brachte Plante in das Gefängnis in Surrey. Nachdem er einige Stunden in der Zelle gesessen hatte, fällte er eine Entscheidung, die sein Leben von Grund auf umkrempeln sollte.

Er nahm Kontakt zur RCMP [Royal Canadian Mounted Police, Bezeichnung für die kanadische Polizeibehörde] auf, die ihr Büro direkt neben dem Knast hatte, und erklärte sich grundsätzlich bereit mit der Polizei zusammenzuarbeiten.

Die Beamten versuchten schon seit Jahren, die Gang zu unterwandern, und die Tatsache, dass Plante in einem Vertrauensverhältnis zu den East-End-Angels stand, wirkte sich auf den weiteren Verlauf der Deals positiv aus.

Die Polizei mutmaßte, dass das East-End-Chapter eine wichtige Rolle bei der Kontrolle des Kokaingeschäfts spielte und dass es sich mögliche Konkurrenten mit Gewalt vom Halse hielt.

Die Beamten gingen außerdem davon aus, dass eine Expansion in den Bereichen Produktion und Handel mit synthetischen Drogen wie Ecstasy und Methamphetamin – auf der Straße auch als Crystal Meth bekannt – und von Geschäften im Bereich der Internet-Pornografie und des Online-Glücksspiels aus.

Plante wurde in einen Verhörraum gebracht, wo er auf zwei Mounties traf, die später seine Kontaktleute bei der Polizei wurden. Einer der Beamten fragte ihn mit Nachdruck, warum er bereit sei, mit der Polizei zu kooperieren. Er wollte sichergehen, dass Plante nicht vorhatte, in die Rolle eines Doppelagenten zu schlüpfen, denn als solcher hätte er die Überwachungsmaßnahmen der Behörde den Kumpeln aus der Biker-Szene verraten können. Plante erzählte dem Beamten kurz und bündig seinen Lebenslauf und betonte dabei, dass ihm die jetzige Situation überhaupt nicht behage.

Der Mountie führte ihm unmissverständlich vor Augen, dass ihm eine Anklage wegen Erpressung ohne Zweifel eine Haftstrafe einbringen werde. Während des Gesprächs wurde dem eingeschüchterten Plante aber auch mitgeteilt, dass die Polizei im Falle einer Zusammenarbeit die Anschuldigungen unter den Tisch fallen lassen könnte …

Plante zögerte zunächst, auf das konkrete Angebot einzugehen. Er wusste, dass Leute, die sich gegen die Hells Angels stellten, diesen Verrat in der Regel mit dem Leben bezahlten.

Der Beamte gab Plante Bedenkzeit, übergab ihm seine Karte und sagte, er könne ihn bei einem eindeutigen Entschluss jederzeit anrufen.

Nachdem er in die Zelle zurückgekehrt war, dachte Plante über sein Leben nach. Ihm war klar, dass ihm mindestens einige Jahre im Knast blühten. Unter dem Vorwand, seinen Rechtsanwalt anrufen zu wollen, bat er um die Möglichkeit eines Telefonats. Er wollte erfahren, was die Mounties genau von ihm verlangten.

„Wir werden Ihnen die Spesen erstatten und abwarten, wie es so läuft“, lautete die Antwort.

Plante erkannte, dass es bei einer Zusage keinen Weg mehr zurück gab. Das ihm so vertraute Leben wäre vorbei. Er hatte gehört, wie die Biker über „Ratten“, wie Polizeispitzel in der Unterwelt hießen, redeten.

„Nur eine tote Ratte ist eine gute Ratte“, hatte man ihm wiederholt zu verstehen gegeben.

„Blutgeld“ ist die packende Geschichte der Zerschlagung der Hells Angels in Vancouver. Sie basiert auf Material, das der Krone im Zusammenhang mit dem Prozess zugänglich gemacht wurde, auf Mitschnitten von Abhöraktionen, Zeugenaussagen vor Gericht und Interviews mit der Polizei und Personen der kriminellen...

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