In Deutschland existiert eine Vielzahl von Gesetzen, Ordnungen und Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Normen, Richtlinien und technischen Regelwerken, die bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben hinsichtlich brandschutztechnischer Belange zu beachten sind.
Auch der zunehmende europäische Einfluss auf die nationale Bauvorschriftenlage bewirkt einen ständigen Veränderungsprozess, den der planende und überwachende Ingenieur im Auge behalten muß.
In diesem Kapitel sollen daher die rechtlichen Zusammenhänge des baulichen und anlagentechnischen Brandschutzes erläutert und die wichtigsten Gesetze, Vorschriften und Normen, die für die Brandschutzsicherheit elektrotechnischer Anlagen relevant sind, benannt und kurz beschrieben werden.
Die Gesetzgebungskompetenzen in der Bundesrepublik Deutschland sind in Artikel 72 GG verankert. Hier wird den Ländern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung innerhalb der Landesgrenzen erteilt (Art. 72 Abs. 1 GG), was auch der Grund für 16 unterschiedliche Landesbauordnungen ist.
Die Kompetenzen des Bundes werden auf Bereiche beschränkt, in denen ein gesamtstaatliches Interesse an bundeseinheitlichen Regelungen besteht (Art. 72 Abs. 2 GG). Dem Bund obliegt somit das Bauplanungsrecht, aus dem das Baugesetzbuch (BauGB) hervorgegangen ist, das hauptsächlich Angelegenheiten des Städtebaurechts, der Flächennutzung und Bebauungsfragen regelt. Allerdings hat der Bund durch andere Gesetzgebungskompetenzen die Möglichkeit, Rechtsverordnungen zum regelnden Eingreifen zu erlassen (Art. 80 Abs. 1 GG), was sich z. B. in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) widerspiegelt, in der konkrete bauordnungsrechtliche Anforderungen beschrieben sind.
In zahlreichen Gesetzen, Verordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften werden auf Landes- oder Bundesebene mehr oder weniger direkt Anforderungen an Bauwerke und deren technische Einrichtungen beschrieben. Diese Fülle von zu beachtenden Regeln ist in der Praxis für viele Betroffene häufig nicht mehr zu durchschauen, zumal es durchaus auch unterschiedliche Forderungen aus den jeweiligen Gesetzen geben kann, was den Planer dazu bewegen sollte, sich möglichst früh Klarheit über die Grundlagen seines Planungsauftrags zu verschaffen.
Was jedoch in fast allen rechtlichen Regelwerken auftaucht, ist ein Bezug auf die anerkannten Regeln der Technik wie DIN- oder VDE-Normen, in denen Maßstäbe für ein technisch einwandfreies Handeln definiert werden. Oft wird die Frage gestellt, inwieweit diese Regeln und Normen rechtlich verbindlich sind, und es herrscht die Meinung vor, daß es zwar sinnvoll ist, diese Regeln zu beachten, eine rechtliche Verpflichtung dazu aber nicht bestünde. Daß dies ein Trugschluss ist, soll im nachfolgenden Unterkapitel am Beispiel eines Bundesgesetzes gezeigt werden.
Die rechtliche Gewichtung der einzelnen Vorschriften in Deutschland folgt einem klar definierten, hierarchischen Prinzip, das in Abb. 5 dargestellt ist.[25] Der Detaillierungsgrad nimmt dabei von oben nach unten immer weiter zu.
Abb. 5: Hierarchie technischer Regeln
An oberster Stelle stehen neben dem Grundgesetz die allgemeinen Gesetze. Bundesgesetze werden nach Gegenzeichnung durch den Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt verkündet. Landesgesetze werden analog dazu vom jeweiligen Ministerpräsidenten unterzeichnet und in entsprechenden Mitteilungsmedien bekannt gemacht. Auch bei einigen Ordnungen handelt es sich um Gesetze (bspw. Landesbauordnung – Landesrecht). In Gesetzen sind zumeist Ermächtigungen zum Erlass von Verordnungen enthalten.
Verordnungen sind wie Gesetze zu behandeln und daher ebenfalls für jedermann verbindlich. Sie werden von Verwaltungen bzw. Behörden aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Ihnen sind i. d. R. entsprechende Durchführungsrichtlinien zugeordnet. Diese Richtlinien haben zwar keinen Gesetzescharakter, beschreiben aber technische Möglichkeiten zur verordnungskonformen Umsetzung.
Bei den Verwaltungsvorschriften handelt es sich um Dienstanweisungen, die von obersten Dienstbehörden an untergeordnete Behörden erteilt werden. Hieraus entsteht für Bauherren oder Planer grundsätzlich noch keine Verpflichtung, es muß allerdings damit gerechnet werden, daß entsprechende Genehmigungsbehörden die Inhalte der erhaltenen Dienstanweisung im Rahmen ihrer Möglichkeiten als zusätzliche Anforderungen z. B. in Baugenehmigungen umsetzen werden. Dadurch können diese Dienstanweisungen indirekt wieder Verordnungscharakter erhalten.
Bereits im Grundgesetz (GG), der Hauptsäule unseres Rechtssystems, wird in zwei Artikeln die Grundlage für den Brandschutz gelegt. So wird hier nicht nur das Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit geregelt (Art. 2 Abs. 1 GG), sondern auch der Gebrauch von Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit gemäß dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ beschrieben (Art. 14 Abs. 2 GG). Wie schon zuvor genannt, regelt das Grundgesetz auch die Gesetzgebungskompetenzen hinsichtlich des Bauordnungsrechts und stellt die Rechtsgrundlage für den Erlass weiterführender Gesetze und daraus folgender Verordnungen dar.
Auch im Strafgesetzbuch (StGB), das als wichtigste Grundlage des deutschen Strafrechts zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und dem Schutz der Rechtsgüter der Bürger dient, wird Bezug auf den Brandschutz genommen. So kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer „bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues (…) gegen die anerkannten Regeln der Technik verstöß und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet“ (§ 319 Abs. 1 StGB). Auch fahrlässige Brandstiftung (§ 306d Abs. 1 und 2 StGB) sowie das Herbeiführen einer Brandgefahr (§ 306f Abs. 1-3 StGB) durch fehlerhafte Planung und Ausführung können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) oder die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) sind üblicherweise Grundlage von Werkverträgen für die Planung und Ausführung von Baumaßnahmen. Sowohl im BGB (§ 641a Abs. 3 S. 4 BGB) als auch in der VOB (§ 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B) wird eine mangelfreie Sache als eine Sache definiert, die den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
In einigen Gesetzen, wie z. B. im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftgesetz – EnWG) wird konkretisiert, was unter allgemein anerkannten Regeln der Technik zu verstehen ist. So heißt es dort, daß die „Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik“ vermutet wird, „wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (…) eingehalten werden“ (§ 49 Abs. 2 EnWG). Die Einhaltung des VDE-Regelwerkes besitzt somit auch gesetzlichen Charakter.
Das Bauproduktengesetz (BauPG) regelt das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten von und nach den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Dieses Gesetz zielt auf europäisch einheitliche Normen und Zulassungen für zulassungspflichtige Bauprodukte ab, die jedoch im Bereich des Brandschutzes noch in der Entwicklungsphase sind. Als Übergangsregelung wird im BauPG ein nationales Nachweisverfahren für Bauprodukte mit bauaufsichtlicher Relevanz beschrieben. Auf die daraus resultierenden Bauregellisten, die das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) herausgibt, wird auch in den Landesbauordnungen Bezug genommen.[26]
Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten in Arbeitsstätten. In der ArbStättV werden u. a. auch grundlegende Anforderungen an Rettungswege, Vorhaltungen von Feuerlöschern und die Erfordernis einer Sicherheitsbeleuchtung beschrieben. Konkretisiert werden die Anforderungen aus der ArbStättV durch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR). Aus elektrotechnischer Sicht sind hier vor allem die ASR 2.3 (Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan) und die ASR 3.4/3 (Sicherheitsbeleuchtung, optische Sicherheitsleitsysteme) relevant. In Kürze soll sich hier auch die ASR A2.2 (Schutz vor Entstehungsbränden) einreihen, von der bereits ein Entwurf besteht.
Auch das Landesrecht besitzt eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Verwaltungsvorschriften und bauaufsichtlich eingeführten Normen. Die größte Bedeutung besitzen die Bauordnungen der Länder und ihre abgeleiteten Sondervorschriften, wie z. B. Versammlungsstättenverordnung (VStättV), Hochhausrichtlinien, Leitungsanlagenrichtlinien (LAR) usw.
Landesbauordnungen gelten für bauliche Anlagen und Bauprodukte. Sie regeln Bebauungsflächen auf Grundstücken,...