III. Rechtsgeschäft und Willenserklärung
Um die rechtlichen Beziehungen zwischen Personen zu ändern, sind i.d.R. Rechtsgeschäfte erforderlich. Ein Rechtsgeschäft ist das Handeln von Personen durch eine oder mehrere Willenserklärungen zur Herbeiführung einer Rechtsfolge.
Von den Rechtsgeschäften sind Realakte zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um tatsächliche Handlungen, an die Rechtsfolgen geknüpft werden, ohne dass es notwendigerweise auf den Willen ankommt.
Beispiele:
Besitzerlangung (§ 854 BGB), Eigentumserwerb durch Verbindung mit einem Grundstück (§ 946 BGB)
Rechtsgeschäfte lassen sich nach der Zahl der Beteiligten folgendermaßen einteilen:
Einseitige Rechtsgeschäfte erfordern lediglich eine Willenserklärung. Für das wirksame Zustandekommen eines streng einseitigen Rechtsgeschäfts bedarf es lediglich der Abgabe einer Willenserklärung, unabhängig von der Kenntnis einer weiteren Person.
Beispiele: Testament (§ 1937 BGB), Auslobung (§ 657 BGB)
Ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft wird mit Zugang (§ 130 BGB) wirksam.
Beispiele: Kündigung (z.B. § 314 BGB), Anfechtung (§ 143 BGB)
Beschlüsse sind gleich gerichtete Willenserklärungen mehrerer Personen in Personenvereinigungen.
Beispiel:
Die Mitglieder einer GbR beschließen die Auflösung der Gesellschaft.
Gesamtakte sind übereinstimmende Willenserklärungen, die auf den gleichen Zweck gerichtet sind.
Beispiel:
Die Mitglieder einer Wohngemeinschaft, die eine Wohnung gemeinschaftlich gemietet haben, geben jeweils Kündigungserklärungen gegenüber dem Vermieter ab.
Verträge setzen mindestens zwei übereinstimmende, aufeinander bezogene Willenserklärungen voraus. Bei einseitig verpflichtenden Verträgen hat nur eine Vertragpartei Pflichten.
Beispiele: Schenkung (§ 516 BGB), Bürgschaft (§ 765 BGB)
Bei unvollkommen zweiseitigen Verträgen entstehen für eine Vertragspartei in jedem Fall Pflichten, für die andere aber nicht notwendigerweise.
Beispiel:
Bei einem Auftrag entstehen in jedem Fall Pflichten für den Beauftragten (§ 662 BGB), nur wenn der Beauftragte notwendige Aufwendungen hatte, ist der Auftraggeber zu deren Ersatz verpflichtet (§ 670 BGB).
Gegenseitig verpflichtende Verträge sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Leistung gerade deshalb erbracht wird, um die Gegenleistung zu erlangen (Synallagma). Für diese Verträge gelten die besonderen Vorschriften der §§ 320 – 326 BGB.
Beispiele: Kaufvertrag (§ 433 BGB), Mietvertrag (§ 535 BGB), Werkvertrag (§ 631 BGB)
Eine weitere Einteilung betrifft die Rechtsfolge. Hiernach sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte zu unterscheiden. Durch das Verpflichtungsgeschäft werden Rechte und Pflichten begründet, durch das Verfügungsgeschäft ein bestehendes Recht übertragen, verändert oder aufgehoben.
So umfasst z.B. die vollständige Abwicklung eines Kaufvertrags ein Verpflichtungsgeschäft (schuldrechtlicher Vertrag nach §§ 433 ff. BGB) und zwei Verfügungen über den Kaufpreis und den Kaufgegenstand (sachenrechtliche Übereignung nach §§ 929 ff. BGB). Man spricht insofern vom Trennungsprinzip.
Nach dem darauf aufbauenden Abstraktionsprinzip sind auch die Wirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft voneinander unabhängig.
Voraussetzung für das Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes sind eine oder mehrere Willenserklärungen. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung (objektiver Tatbestand) des Willens (subjektiver Tatbestand), eine Rechtsfolge herbeizuführen.
Der subjektive Tatbestand hat mehrere Elemente:
- Handlungswille
Handlungswille setzt voraus, dass eine Handlung bewusst gewollt ist. Daran fehlt es z.B., wenn eine Person zusammenzuckt und dies wie ein zustimmendes Nicken aussieht.
- Erklärungsbewusstsein
Erklärungsbewusstsein liegt vor, wenn dem Handelnden bewusst ist, dass er irgendeine rechtserhebliche Erklärung abgibt.
Beispiel: Eine Person, die sich unwissentlich in einer Versteigerung befindet, winkt einem Bekannten zu. Hier fehlt es am Erklärungsbewusstsein.
- Geschäftswille
Der Geschäftswille bezweckt, mit der Erklärung eine ganz konkrete Rechtsfolge herbeizuführen. Dies setzt nicht voraus, dass der Erklärende eine ins Einzelne gehende Vorstellung darüber hat, wie der angestrebte Erfolg rechtstechnisch herbeigeführt wird.15
Beispiel: Viktor möchte seinen gebrauchten Pkw für 7.500 € verkaufen. Verschreibt er sich bei seinem Angebot an Kurth und gibt den Kaufpreis mit 5.700 € an, so fehlt ihm der Geschäftswille für einen diesbezüglichen Kaufvertrag.
Der fehlende Handlungswille hat zur Folge, dass keine Willenserklärung vorliegt. Demgegenüber führt der fehlende Geschäftswille16 und nach h.M. auch das fehlende Erklärungsbewusstsein nicht zu einer unwirksamen Willenserklärung. Diese ist dann aber ggf. anfechtbar.17
Die Äußerung des Willens (= Erklärung) kann ausdrücklich oder konkludent (schlüssig) erfolgen. Bei einer konkludenten Willenserklärung gibt der Erklärende durch sein Handeln seinen rechtlich erheblichen Willen zu erkennen.
Beispiel:
Der Kunde eines Supermarktes legt die Waren wortlos der Kassiererin vor. Damit erklärt er konkludent, diese zum am Regal angegebenen Preis kaufen zu wollen.
Eine ausdrückliche Willenserklärung kann in verschiedenen Formen abgegeben werden:
- mündlich
- Textform (§ 126b BGB)
- schriftlich (§ 126 BGB)
- in elektronischer Form (§ 126a BGB, SignaturG)
- öffentlich beglaubigt (§ 129 BGB)
- notariell beurkundet (§ 128 BGB, BeurkG)
Grundsätzlich gilt Formfreiheit, in besonderen Fällen schreibt das BGB jedoch bestimmte Formen vor, z.B. bei Grundstücksgeschäften nach § 311b I S. 1 BGB notarielle Beurkundung, bei der Bürgschaft nach § 766 S. 1 BGB die Schriftform oder bei Mieterhöhungen nach § 559b I S. 1 BGB die Textform. Gesetzliche Formvorschriften haben vor allem Beweis- und Warnfunktion.
Bei formfreien Willenserklärungen, die weitergehende Folgen haben, ist jedoch die Schriftform u.a. aus Beweisgründen zu empfehlen.
Schweigen ist normalerweise nicht als Willenserklärung zu werten. Nur in besonderen Fällen gilt Schweigen ausnahmsweise als Willenserklärung:
- Schweigen wird vertraglich als Willenserklärung vereinbart
Beispiel: Ein Buchhändler vereinbart mit einem Kunden, dass dieser dem Kunden alle neu erscheinenden Bücher eines Autors zusendet und dass der Kunde diese abnimmt, wenn er sich binnen zwei Wochen nach der Zusendung nicht gegenteilig äußert.
- Schweigen wird gesetzlich als Willenserklärung normiert (z.B. § 108 II S. 2 BGB, Schweigen = Ablehnung der Zustimmung, Schweigen auf ein Angebot im Rahmen des § 362 I HBG = Annahme)
- Schweigen als Zustimmung auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Um wirksam zu werden, muss eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die einem Abwesenden gegenüber abgegeben wird, nach § 130 I BGB dem Empfänger zugehen. Der Zugang gilt als erfolgt, wenn die Erklärung in den gewöhnlichen Machtbereich des Empfängers gelangt ist, so dass er unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.18
Beispiel:
Dem Empfänger wird die schriftliche Erklärung in den Briefkasten eingeworfen. Erfolgt der Einwurf aber z.B. erst um 22:00 Uhr, geht die Erklärung erst am Folgetag zu.
Unerheblich ist hingegen, ob und wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Der Zugang kann auch bei Abwesenheit, z.B. während des Urlaubs, erfolgen.19 Erfolgt die Erklärung per Übergabe-Einschreiben, so geht diese erst dann zu, wenn der Empfänger das Schreiben tatsächlich erhält.
Erfolgt der Zugang aufgrund einer in der Sphäre des Empfängers liegenden Ursache nicht, so ist danach zu unterscheiden, ob sich der Empfänger die Ursachen zurechnen lassen muss. Ist der Empfänger zur Annahmeverweigerung berechtigt, so geht die Erklärung nicht zu.
Beispiel:
Eine per Brief abgegebene Erklärung wurde unzureichend frankiert. Der Empfänger soll Nachporto entrichten und verweigert deshalb die Annahme.
Verhindert der Empfänger den Zugang jedoch treuewidrig (Zugangsvereitelung), so steht dies dem Zugang...