Da ein Geschäftsmodell stets auf der zugrundeliegenden Unternehmensstrategie basiert, muss jeder an der Gestaltung und Implementierung Beteiligte, über die Ziele, das Ausmaß und die Vorteile des neuen Business Models Bescheid wissen.[91] Denn genau wie bei einer guten Strategie, muss eine unternehmensweite Klarheit über die Inhalte und Absichten des innovativen Geschäftsmodells herrschen. Erreicht werden soll, dass sich jeder Mitarbeiter mit dem neuen Business Model identifizieren kann, wofür Wissen über geschäftsmodellspezifische Zusammenhänge nötig ist.
CAMILLUS (2008) fasst die Unternehmensstrategie mitunter als „wicked problem“ auf, wobei einige der Charakteristika der Unternehmensstrategie auch auf innovative Geschäftsmodelle anwendbar sind:[92]
Es sind Stakeholder mit unterschiedlichen Prioritäten und Werten involviert
Das Business Model ist häufig komplex
Es gibt aufgrund des innovativen Charakters keine Präzedenzfälle
Deutlich wird, dass ein innovatives Business Model kein simples Unterfangen ist und sich neben dem großen Neuigkeitsgrad zudem durch hohe Komplexität und Unsicherheit auszeichnet.
Des Weiteren muss vor, während und nach der Business Model-Entwicklung der Notwendigkeit von Change Management Rechnung getragen werden, wenn es sich um eine Business Model-Innovation eines etablierten Unternehmens handelt. Es gilt die gesamte Organisation auf radikale Änderungen vorzubereiten, die sich durch das neue Geschäftsmodell ergeben. Diese Veränderungen können einzelne Partialmodelle oder sogar das gesamte Geschäftsmodell betreffen und stellen entweder Chancen oder Risiken für das Unternehmen dar.[93] In diesem Kontext tritt häufig die Problematik auf, dass die Unternehmensleitung ihre jetzige Machtposition auf der Basis des bestehenden Business Models erlangt hat und diese deshalb als äußerst komfortabel ansieht, was zur Folge haben könnte, dass ein neues Geschäftsmodell unter Umständen als Bedrohung interpretiert wird.[94] Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit durchaus gegeben, dass die Unternehmensleitung den Change-Prozess hinauszögert oder sogar zu verhindern versucht.
Change Management ist ein zunehmend propagierter Begriff, der in der Praxis häufig für viele Dinge eingesetzt wird, die mit organisationalen Veränderungen zu tun haben. KOTTER (2007) schlägt für ein Change-Projekt einen achtstufigen Prozess vor, der im Folgenden kurz dargestellt wird.[95]
Wichtigste Voraussetzung für ein effektives Change-Konzept ist es, in der gesamten Organisation ein Gefühl der Notwendigkeit von Veränderungen zu erzeugen. Die Mitarbeiter müssen die Meinung vertreten, dass der Status Quo gefährlicher ist als das bislang Unbekannte. Anschließend muss ein Gremium, bestehend aus Mitgliedern des Top-Managements zusammengestellt werden, welches den Change-Prozess mit ausreichend Einfluss steuern kann. Ein Change-Vorhaben benötigt dabei eine Vision, die an alle Mitarbeiter kommuniziert werden muss. Die am Change-Prozess beteiligten Mitarbeiter müssen in die Lage versetzt werden, an der Verwirklichung der Vision mitzuwirken. Damit die Mitarbeiter für den gesamten Prozess motiviert bleiben, sind kurzfristige Teilerfolge dementsprechend zu honorieren. Um die Prozess-Dynamik aufrechtzuerhalten, müssen nach und nach neue Teilprojekte gestartet werden. Zuletzt müssen die Veränderungen institutionalisiert und dafür Sorge getragen werden, dass gegenwärtige und zukünftige Führungskräfte und Mitarbeiter die neu geschaffenen Werte und Strukturen internalisieren und durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen. Mit anderen Worten, sind die Personalakquisitions- und Personalentwicklungssysteme so zu gestalten, dass sie im Einklang mit den neuen organisationalen Rahmenbedingungen stehen.
Um die genannten Problematiken kontrollieren zu können, muss das Geschäftsmodell neben einem transparenten Design- und Implementierungsprozess, einen kontinuierlichen Controlling-Prozess durchlaufen (vgl. Abb. 6).
Abbildung 6: Gesamtprozess von Business Model Innovation[96]
Etablierte Unternehmen sollten diese Teilschritte zusätzlich mit einem Change Management-Programm aktiv begleiten. Die Designphase schafft durch die Entwicklung der Partialmodelle den konzeptionellen Rahmen des Geschäftsmodells und bildet die Grundlage für die Implementierung. Die Implementierung des Geschäftsmodells berücksichtigt alle ausgestalteten Partialmodelle und bereitet das Business Model auf die operative Nutzung vor. Sobald das Geschäftsmodell implementiert ist, muss es auf Basis eines maßgeschneiderten Controlling-Systems gesteuert werden, um eine langfristig starke Performance und Nachhaltigkeit sichern zu können.
Wie bereits dargestellt, kann eine Business Model-Innovation sowohl von einem Start-up-Unternehmen als auch einem etablierten Player durchgeführt werden (vgl. Kap. 2). WIRTZ (2011) führt an, dass viele Wissenschaftler Start-up-Unternehmen einen durch Intuition geprägten Design-Prozess empfehlen, da der hohe zeitliche Aufwand für eine systematische Planung in der Gründungsphase einen gelungenen Geschäftsstart konterkarieren kann.[97] Um den Komplexitätsgrad des Design-Prozesses daher gering zu halten, wird ein Prozess eingeführt, der in Form eines Rahmenwerks eng mit klassischen Konzepten aus dem Innovationsmanagement verwandt ist.
Einerseits bildet der Design-Prozess die wesentlichen Schritte zur Gestaltung eines innovativen Geschäftsmodells ab, andererseits bieten die bereits erläuterten Partialmodelle einen Überblick über die geplanten Strukturen und Prozesse im Unternehmen.[98]
Zielsetzung des Design-Prozesses ist es deshalb, die Inhalte aller Partialmodelle konzeptionell zu gestalten und zu harmonisieren, um in der Folge Anpassungsbedarfe zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit des Geschäftsmodells zu erhöhen.[99] Im weiteren Verlauf wird ein Design-Prozess eingeführt, der sich in vier Phasen gliedern lässt (vgl. Abb. 7).
Abbildung 7: Prozessdarstellung Business Model Design[100]
Ausgangspunkt ist die Ideenfindung mit Hilfe von Kreativitätstechniken, an welche sich der Prozess der Ideenbewertung anschließt. Nachdem die generierten Ideen hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Sinnhaftigkeit bewertet worden sind, werden Prototypen der eruierten Geschäftskonzepte konzipiert. Der Designprozess schließt mit der Auswahl des lukrativsten Konzepts im Rahmen der Beschlussfindung ab.
Innovative Ideen lassen sich nur unzureichend durch eingefahrene Denkmuster erzeugen. Sie entstehen vielmehr durch schöpferische und kreative Gedankenprozesse, welche durch eine Vielzahl an Kreativitätstechniken unterstützt werden können. CLEGG und BIRCH (2007) veranschaulichen 75 verschiedene Techniken, die in der Praxis zum Einsatz kommen können.[101]
Tabelle 14: Klassifizierung der Kreativitätstechniken[102]
In Tab. 14 werden einige Kreativitätstechniken aufgeführt, die sich in die Kategorien Assoziation, Konfrontation, Kombination und Imagination einteilen lassen. Allerdings sind die meisten Varianten in der unternehmerischen Praxis entweder unbekannt oder werden als wenig zweckmäßig angesehen. Prinzipiell ist es sinnvoll, mehrere Kreativitätstechniken miteinander zu kombinieren um die beteiligten Personen auf verschiedene Arten kreativ zu stimulieren, was in der Folge die Generierung eines breiteren Spektrums an Geschäftsmodell-Ideen ermöglicht.[103]
In der unternehmerischen Praxis haben sich insbesondere Verfahren, wie z.B. Brainstorming, Methode 6-3-5, Mindmapping oder auch Morphologie etabliert, die im Folgenden kurz skizziert werden (vgl. Tab. 15)
Tabelle 15: Praktisch relevante Kreativitätstechniken[104]
Eine weitere Methodik zur Ideengenerierung besteht in der Beobachtung von Konsumenten, Unternehmen und anderen Organisationen. Dabei ist höchster Wert auf verhaltenstechnische Merkmale der betrachteten Individuen bzw. Gruppierungen zu legen, was zu neuartigen und eventuell auch unorthodoxen Ideen hinsichtlich der Gestaltung des künftigen Geschäftsmodells führen kann.[105]
Aus dem Vorangegangenen wird deutlich, dass der Ursprung eines neuen Geschäftsmodells entweder eine Push- oder Pull-Innovation darstellt. Push-Innovationen sind dabei direkt vom Unternehmen getrieben und beinhalten die Kreation einer...