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E-Book

Caesar

AutorChristian Meier
VerlagPantheon
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl592 Seiten
ISBN9783641244910
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Das Standardwerk über Caesar in edler Neuausstattung
Die Faszination für seine Person ist bis heute ungebrochen: ob als Feldherr, Politiker, Redner oder Schriftsteller - Caesar ist der Inbegriff eines römischen Staatsmannes. Und dabei ist er charmant, verwegen, tatkräftig und leidenschaftlich, und das nicht nur in Staatsangelegenheiten. In dieser einzigartigen Biografie beleuchtet Christian Meier das Leben des Imperators ausgehend von Caesars Jugend in Rom, über seinen politischen Aufstieg und Amtsantritt als Konsul, die ersten innenpolitischen Erfolge und spektakulären Feldzüge bis hin zu seiner Ermordung 44 v. Chr. Die faktenreiche Lebensgeschichte eines der wichtigsten Männer der Antike.

Christian Meier, geboren 1929 in Stolp/Pommern, ist emeritierter Professor für Alte Geschichte und einer der herausragenden Historiker Deutschlands. Von 1980 bis 1988 war er Vorsitzender des Verbands der Historiker Deutschlands, von 1996 bis 2002 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Für seine wissenschaftliche Arbeit wurde er mit hohen und höchsten Auszeichnungen geehrt; auch erhielt er 2003 den Jakob-Grimm-Preis für deutsche Sprache. Er hat zahlreiche Werke zur Antike veröffentlicht, darunter 'Caesar' (1982), und 'Athen' (1993). Darüber hinaus greifen Publikationen wie 'Das Verschwinden der Gegenwart. Über Geschichte und Politik' (2001) sowie 'Von Athen bis Auschwitz' (2002).

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Leseprobe

Caesar und Rom – zwei Wirklichkeiten

Der Senat ruft gegen Caesar den Notstand aus · Caesar am Rubicon · Ungeheuerlichkeit des Kriegsgrunds · Standpunkte der Parteien im Zusammenhang der Konstellation · Zwei Wirklichkeiten

Am 1. Januar 49 v. Chr. hatten die Consuln begonnen, mit aller Macht die Absetzung Caesars von seiner Statthalterschaft zu betreiben. Fast neun Jahre hatte er sie innegehabt; ihre Frist war abgelaufen. Nun beabsichtigte Caesar, sich um das Consulat des Jahres 48 zu bewerben und in die römische Innenpolitik zurückzukehren. Eben das aber wollten seine Gegner vereiteln. Noch bevor er überhaupt kandidieren konnte, sollte er sein Kommando niederlegen und als Privatmann nach Rom kommen. Dort sollte ihm der Prozeß wegen verschiedener Verfassungsbrüche gemacht werden, die er sich in seinem Consulat (59 v. Chr.) hatte zuschulden kommen lassen. Und das sollte offenbar unter militärischem Schutz geschehen, damit er das Gericht nicht unter Druck setzen, und wohl auch, damit das Gericht nicht ganz frei von Druck entscheiden konnte. Auf diese Weise, so scheint man gehofft zu haben, ließen sich Caesars politische Existenz vernichten und das Senatsregime voll wieder in Kraft setzen. Gleichgültig ob Caesar wirklich ein Gegner der herkömmlichen Ordnung war oder nicht: Er hatte deren Funktionieren früher nachhaltig gestört. Und es war zu befürchten, daß er verschiedene Forderungen gegen den Willen des Senats durchsetzen und damit so mächtig werden könnte, daß immer neue Konflikte und Niederlagen des Senats vorherzusehen waren. Wenn es ihm jetzt gelang, erneut Consul zu werden.

Schon seit nahezu zwei Jahren hatten Caesars entschiedene Gegner versucht, Roms zentrales Regierungsorgan, den Senat, dazu zu bewegen, ihn abzusetzen. Immer wieder waren sie damit gescheitert, denn Caesar hatte einige Volkstribunen auf seine Seite gezogen, die durch ihr Vetorecht jeden Beschluß gegen ihn vereiteln konnten. Zeitweise ergriffen sie sogar die Offensive und vermochten der Senatsmehrheit Beschlüsse in Caesars Sinn abzuringen. Denn diese Mehrheit war zwar gegen den Proconsul und wünschte durchaus, daß dessen Statthalterschaft bald ein Ende finde. Aber noch mehr als gegen ihn war sie gegen einen Bürgerkrieg. Und daß mit Caesar nicht zu spaßen war, wußte sie, also war sie eher geneigt, ihm nachzugeben.

Anfang Januar setzen dann die entschiedenen Gegner Caesars alle Hebel in Bewegung, um den Senat zu einem Beschluß zu bringen. Anhänger werden aufgeboten, Alarm geschlagen, eine mächtige, mitreißende Stimmung erzeugt. Man beschließt, wenn Caesar nicht bis zu einem bestimmten Tag sein Kommando niedergelegt habe, handle er gegen die Republik. Die Volkstribunen legen dagegen ihr Veto ein. Da sie nicht bereit sind, einzulenken, wird am 7. Januar der »äußerste Senatsbeschluß« gefaßt, das senatus consultum ultimum; grob gesagt: Es wird der Notstand ausgerufen.

Die caesarianischen Volkstribunen verlassen daraufhin, als Sklaven verkleidet, die Stadt in einem der Mietwagen, die an den Stadttoren zu stehen pflegten (das war damals das normale Beförderungsmittel für längere Reisen – neben Pferd und Sänfte –, das Gespann konnte unterwegs gewechselt werden). So gefährdet war die Freiheit des römischen Volkes, wollten sie damit sagen, daß nicht einmal deren eigentliche Wächter, zu deren Schutz sich das Volk einst eidlich verpflichtet hatte, ihres Lebens mehr sicher sein konnten.

1 Caesar. Bildnis aus Tusculum in Turin: das einzige plastische Porträt Caesars, das noch zu dessen Lebzeiten entstanden sein dürfte.

Caesar befand sich zu dieser Zeit im äußersten Südosten seiner Provinz Gallia Cisalpina, in Ravenna. Dort erhielt er am Morgen des 10. Januar 49 – nach unserem Kalender Mitte November – durch einen Kurier die Nachricht von dem Senatsbeschluß und der Flucht der Volkstribunen. Sofort setzte er ohne viel Aufhebens eine Truppe in Richtung Ariminum (Rimini) in Marsch. Das war die erste größere Stadt im eigentlichen Bürgergebiet Italien, jenseits des Rubicon, der Grenze seiner Statthalterschaft. Der Entschluß war unerhört kühn. Denn Caesar hatte nur eine Legion bei sich, fünftausend Mann und dreihundert Reiter. Das Gros seiner Armee stand noch in Gallien. Aber er wollte das Überraschungsmoment nützen und die gegnerischen Vorbereitungen durchkreuzen.

Caesar widmete sich in Ravenna zunächst Routinegeschäften. Er inspizierte eine Gladiatorenschule. Danach begab er sich ins Bad – sei es bei einem Gastfreund, sei es in einem öffentlichen Badehaus: Es hatte sich damals schon eine gewisse Badekultur ausgebildet, und Caesar pflegte sich sehr sorgfältig. Schließlich legte er sich im Kreise einer größeren Gesellschaft zu Tisch. Als die Dunkelheit einbrach, beurlaubte er sich – man möge sich nicht stören lassen, er käme demnächst zurück – und fuhr davon. Nicht auf direktem Wege. Eine unserer Quellen berichtet, er habe sich in der Dunkelheit verfahren. Einer anderen zufolge hat er absichtlich erst eine andere Richtung gewählt, um dann unbeachtet den Weg nach Süden einzuschlagen. Einigen Freunden hatte er insgeheim aufgetragen, sie möchten ihm folgen, jeder für sich. Spätestens am Rubicon traf man zusammen.

Dort hielt Caesar inne. Er zögerte. Noch einmal ließ er – angesichts des kleinen, damals nach starken Regengüssen reißend dahinströmenden Flüßchens – dem Hin und Her der Argumente freien Lauf, setzte sich ihm aus und wiederholte seine Entscheidung. Für einen Moment erschien ihm das Vorhaben, in dem er schon mittendrin steckte, noch einmal von außen; und was er Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen begonnen hatte, distanzierte und verdichtete sich ihm zu einem einzigen großen Schreckbild. Alle möglichen Konsequenzen seines Beginnens traten ihm in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit vor Augen; es könnte ihn durchaus geschwindelt haben.

Er stand lange schweigend. Dann bezog er die Freunde in sein Abwägen ein. Einer von ihnen, Asinius Pollio, hat in seinen Historien darüber berichtet. Sie sind nicht überliefert; aber durch zwei antike Autoren ist Pollios Bericht in leicht unterschiedlicher Brechung auf uns gekommen. Ihm zufolge kreisten Caesars Gedanken um das Unglück, das er allen Menschen zumutete, wenn er jetzt den Schritt zum Kriege tat. Er überschlug, »wieviel Unglück der Übergang allen Menschen verursachen wird«. Er suchte, sich und seinen Entschluß im Urteil der Nachwelt zu sehen. Der eine unserer Gewährsmänner läßt Caesars Überlegungen klar sich zuspitzen auf die fatale Alternative: »Der Verzicht auf diesen Übergang wird mir Unglück verursachen, der Übergang aber allen Menschen.«

Offenbar also sprach Pollios Bericht vom Unglück aller Menschen. Und es besteht kein Grund daran zu zweifeln, daß auch Caesar damals davon gesprochen hat. Die militärischen Ressourcen der Gegner erstreckten sich über den ganzen Mittelmeerraum. Es war zu befürchten, daß sie sie mobilisierten. Folglich konnte er sich kaum darüber täuschen, daß der Krieg, den er gerade beginnen wollte, potentiell den ganzen Mittelmeerraum – und das hieß nach damaligem Verständnis die ganze Menschheit – in Mitleidenschaft ziehen konnte. Wohl mochte er hoffen, daß man billiger davonkam. Eben deswegen lag ihm ja daran, die Entscheidung so rasch herbeizuzwingen. Wenn jedoch damals am Rubicon die ganze Tragweite des Unternehmens in so gespenstisch überscharfer Klarheit plötzlich vor Caesars Augen trat, dann mußte die Gravitation dieses Eindrucks wohl auf das Schlimmste stehen.

Nur, wenn das Unglück aller Menschen auf der einen Waagschale lag, lag dann auf der anderen bloß dasjenige Caesars? War die zweite Seite der Alternative so eindeutig klar, so fatal, wie sie bei unserem Gewährsmann erscheint? Wurde der Krieg nur geführt, weil sich Caesar nicht absetzen, nicht in Rom vor Gericht ziehen lassen wollte? War er also allein gegen alle und so sehr auf sich gestellt? Und falls es sich wirklich so verhielt, konnte er das ohne alle Selbsttäuschung so sehen und vor den Freunden am Rubicon so unumwunden aussprechen?

»Schließlich aber raffte er sich mit Leidenschaft aus dem zweifelvollen Abwägen auf und wandte sich dem Bevorstehenden zu.« Mit den Worten: »Der Würfel soll geworfen werden« setzte er über den Rubicon, um nach rascher Fahrt noch vor Morgengrauen mit seinen Soldaten in Ariminum einzumarschieren. Der Ausspruch war ein Zitat aus einer Komödie des Menander. Die Version: »Der Würfel ist gefallen« ist eine falsche Wiedergabe. Denn hier war nicht gewürfelt worden, sondern das Würfeln begann erst, das mit höchsten Einsätzen verbundene Spiel eines Krieges, in dem Fortuna ein gewichtiges Wort mitzusprechen hatte. Das war Caesar so deutlich bewußt wie wenigen anderen; er meinte aber auch, in der Gunst der Göttin zu stehen.

In Ariminum stießen dann die aus Rom gewichenen Volkstribunen zu Caesar. Er führte sie vor seine Soldaten. In einer Ansprache erklärte er – nach eigenem Bericht –, der Senat habe den rechtmäßigen Einspruch der Tribunen mit Waffengewalt unterdrückt. Ganz unberechtigterweise habe er das senatus consultum ultimum beschlossen. Caesar legte »alle Rechtsbrüche dar, die seine Gegner die ganze Zeit über gegen ihn begangen hatten«. Und jetzt wollten sie ihm sogar das Kommando nehmen. Er rief daher die Soldaten auf, »Ansehen und Ehre ihres Feldherrn, unter dessen Führung sie neun Jahre lang so glücklich für das Gemeinwesen gefochten, so viele Schlachten erfolgreich geschlagen und ganz Gallien und Germanien befriedet hatten, gegen seine Gegner in Schutz zu nehmen«. So begann der Bürgerkrieg, der Caesar dann – mit kurzen Unterbrechungen – an die fünf Jahre lang in Anspruch nahm, der sehr viel Blut kostete und die ganze römische Welt tief und...

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