Auf direktem Weg nach Neufundland
Kingston (ON) – Sydney (NS)
1800 km – 10 Tage
Ende Mai – Aufbruchsstimmung
Noch einmal verzögerte sich unsere Abfahrt um einen weiteren Tag. Wir hatten bei einem Rundumcheck entdeckt, dass weder Heizung noch Kühlschrank auf Propan funktionierten. So versuchte sich Richard an allen Möglichkeiten, um die beiden Geräte in Gang zu bringen. Wahrscheinlich nur eine Kleinigkeit, doch gewusst wie? Seine gesamten Versuche waren von Misserfolg gekrönt. Dafür versuchte er sich erfolgreicher als Fahrlehrer. Er ließ mich den engen Waldweg zu seinem Cottage fahren, plagte mich mit Rückwärtssetzen und Drehen, ließ mich den Generator in der Wildnis starten und testete mit mir alle Hebel und Schalter. Ich hatte mich an die anderen Dimensionen des Vehikels zu gewöhnen, in Länge sowie in Breite und auch Höhe. Die Automatik war ebenfalls gewöhnungsbedürftig. An Abzweigungen versuchte ich ständig die Gangschaltung zu betätigen. Fehlalarm! Da war nichts! Mein linkes Bein versteckte ich vorsorglich unter dem Sitz, damit es wirklich nicht durch Zuckungen störte. Man glaubt nicht, wie automatisiert manche Handlungen waren. Nach einer knappen Stunde war mein Lehrer mit mir zufrieden und ich musste mich als letzte Prüfung wieder in das Loch vor der Hütte quetschen. Geschafft! Ich hatte bestanden!
Meine Wuffis genossen noch einmal den zusätzlichen Tag in absoluter Freiheit. Hier im Busch herrschte kein Leinenzwang. Sie konnten nach Lust und Laune jeweils erfolglos Eichhörnchen jagen, Chip Monkeys aufstöbern und wilde Truthähne verfolgen. Brav kamen sie immer wieder über kurz oder lang auf meinen Pfiff zurück zur Hütte. Knuffi nahm ab und zu ein erfrischendes Bad im Waldbach, sah anschließend aus wie ein Ferkel und musste zum Abtrocknen vor der Türe warten. Nasse Hunde wurden in dem ordentlichen Haushalt von Karen nicht gerne gesehen.
Wir testeten zwei Nächte unser Bett im Wald, denn Karens Sohn kam zu Besuch und beanspruchte meine Unterkunft. Ich hatte nichts dagegen, etwas kopfüber wegen der Schräglage zu schlafen. Dafür hatte ich einen gewissen Rückzugsbereich für unser Trio und einen Vorgeschmack auf unsere zukünftige Freiheit.
Endlich konnte es losgehen. Wir fuhren an diesem ersten Tag nur hundertfünfzig Kilometer und ließen alle Sightseeing Punkte hinter uns liegen. In Gananoque versuchten wir uns mit 50% Erfolg bei einem RV Händler zwecks Reparaturen. Der Kühlschrank konnte in Gang gebracht werden (… wie vermutet nur eine Kleinigkeit!), doch die Heizung würde einen längeren Check beanspruchen – Wartezeit für einen Termin eine Woche! Das war mir zu lange. Insgeheim beschloss ich, mir das Geld vorerst zu sparen, denn ich fuhr ja dem Sommer entgegen. Schön naiv! Bis zum Herbst war die Heizung vielleicht schon wieder hinüber, wenn ich sie nicht benötigte. Also verschob ich die Werkstatt auf einen späteren Zeitpunkt. Außerdem: Wenn es kälter werden würde, hatte ich immer noch meine beiden lebendigen Wärmflaschen, welche ich um mich wickeln konnte.
Großeinkauf bei Walmart in Brockville. Ich hatte meinen Kühlschrank zu füllen und benötigte noch diverse andere Sachen für mehr Annehmlichkeiten in meinem neuen Zuhause. Gut, dass die Handelskette über große Einkaufswägen verfügte. Die Preise für Lebensmittel und andere tägliche Verbrauchsprodukte in Kanada waren gesalzen! Ich schätzte, sie lagen gut ein Drittel höher als bei uns in Deutschland, wenn nicht sogar um die Hälfte. Mein Budget bedurfte mit Sicherheit einiger Aufstockungen, da das Benzin nicht mehr so günstig war wie auf der vergangenen Reise 2010 – umgerechnet „nur“ 1,00 Euro pro Liter.
Der städtische Campingplatz in Iroquois war mit ein paar kleineren Abweichungen und Drehungen schnell gefunden. Im Normalfall waren die kommunalen Plätze günstiger als die kommerziellen. Für diese Nacht hatte ich den Stellplatz nötig, denn ich musste entsorgen und meine Leitungen vom restlichen Frostschutzmittel befreien: 30.- CAD (gut 21.-€) mit starkem Strom. Wie so oft in Nordamerika war ich mit meinen acht Metern ein Winzling unter den großen Trailern. Neid kam trotzdem keiner auf, denn ich war die beweglichere Schwester der großen Brüder! Wir übernachteten in einer grünen Umgebung, anschließendem Parkgelände und einem Segelflieger-Flugplatz. Ideal für Hundebesitzer! Doch an diesem Abend kam es nur zu einer kleinen Entsorgungsrunde, denn die Einkäufe musste verstaut werden. Außerdem wollte ich endlich eine Kleinigkeit zum Essen, denn seit dem Frühstück hatte ich nichts mehr intus und ohne Siesta war ich in der Regel um neun Uhr abends geschafft.
Den zweiten Reisetag ließen wir in aller Ruhe angehen. Ich wollte vom Stromanschluss profitieren und den Reisebericht des vergangenen Tages in den PC tippen, sowie kurz mit dem Staubsauger durch unsere kleine Wohnung düsen. Der Abend vorher war für mich zu schnell gelaufen. In der Regel war auf den Campingplätzen in Nordamerika die Abreisezeit erst am frühen Nachmittag. Das gab Freiraum für diverse Unternehmungen. Wir starteten gegen Mittag.
Dreihundert Kilometer lagen vor uns. Ich kalkulierte dafür mehr als vier Stunden ein, da Montreal dazwischen lag. Es reichte die Zeit dazwischen für eine kurze Siesta – dachte ich mir. Kurz vor Montreal ging es über die „Grenze“ in die französischsprachige Provinz Quebec. Im Willkommenscenter deckte man mich mit mehr als ausreichendem Informationsmaterial über die gesamte Provinz ein. Gar nicht so einfach, nach dem vielen Englisch den Schalter im Gehirn plötzlich auf Französisch umzulegen! Es klappte überraschend gut und mit zwei Plastiktüten bewaffnet marschierte ich zum WoMo. Halbe Strecke hinter uns, da konnte ich schnell noch den kostenlosen WiFi Service von „Tim Horten“ in Anspruch nehmen und ein kleines Schläfchen halten. Um 15.30 Uhr war ich fit für neue Überraschungen.
Diese ließen nicht lange auf sich warten. Im Schritttempo ging es vierspurig durch die Millionenstadt Montreal (vier Millionen Einwohner mit den Randgebieten und zweitgrößte Stadt Kanadas nach Toronto). Ständig kamen neue Autobahnkreuzungen. Mir war das GPS eine wahre Hilfe, durch den Großstadtdschungel ans andere Ende zu finden. Ich brauchte mehr als zwei Stunden für die Durchquerung, hatte die Nase voll vom konzentrierten Fahren und steuerte geschafft in Trois Rivères einen Walmart an. Zu allem Überfluss begann es aus allen Schleusen zu gießen und defensives Fahren war angesagt. Die großen Trucks nahmen wenig Rücksicht und brausten an mir als Winzling vorbei wie eine Wasserschleuder. Wie fühlte man sich wohl in einem Pkw?
Gegen 19.00 Uhr stand ich vor besagtem Discounter und war geschafft: dreieinhalb Stunden für knapp zweihundert Kilometer. Es gab Essen für alle Insassen, eine sehr kleine Gassirunde und einen Kurzeinkauf beim Gastgeber. Hui, blies der Wind eisig! Schon bereute ich meinen Entschluss, auf die Reparatur der Heizung verzichtet zu haben. Ich hatte meine Genossen im Visier und kam mit einem heißen Tee gut über die Runden. Wurschtel fühlte sich sowieso in meinem Bett am wohlsten. Wenn es sein musste, kam Knuffi gegen Mitternacht oder frühmorgens dazu. Dann lag ich eingequetscht zwischen beiden Herrschaften, ich unter der Bettdecke, sie oben drauf.
Das war bei kühler Witterung von Vorteil, wirkte sich allerdings nachteilig aus, wenn die Temperaturen über zwanzig Grad kletterten.
Wir wechseln die Seite
Um unserem Ziel Neufundland wieder ein Stückchen näher zu kommen, schafften wir an diesem Tag dreihundertzwanzig Kilometer – diesmal ohne Stress. Gemächlich ging es mit Tempo 80km/h weiter auf dem TC #20 Richtung Nordost. Warum so langsam? Mit Erschrecken hatte ich in den vergangenen Tagen festgestellt, dass mein „Baby“ unter enormen Durst litt. 24 Liter Normalbenzin auf hundert Kilometer. Ich konnte mich nicht entsinnen, dass mein vorheriges Gefährt, gleichen Jahrgangs derartig viel soff. Lag das am Diesel und jetzt am Benziner? Keine Ahnung! Nun versuchte ich zu testen, bei welcher Durchschnittsgeschwindigkeit ich am meisten sparen würde. Um mein Gewissen zu beruhigen, legte ich mit folgender Milchmädchenrechnung los:
Kleines Kalkulationsexempel: Bisher war ich im Schnitt etwa 100 km/ h schnell gefahren.
Benzinkosten: 74 Liter Normalbenzin kosteten zu dieser Zeit im Schnitt 68.- € umgerechnet (Visaabrechnung).Also „π mal Daumen“ ein Liter/knapp 1.-€. (Diesel ist um etliches teurer) Damit kam ich 300 Kilometer. Hundert Kilometer kosteten mich demnach mit meiner großen Kutsche nicht ganz 23.- €
Vergleich zum WoMo daheim: In den Tank passen 80 Liter. Angenommener Preis zu dieser Zeit circa 1,35 € der Liter Diesel, macht rund 110.- €. Damit fahre ich gut 500 Kilometer. So kosten mich 100 Kilometer zuhause in etwa 22,00 €. Nimmt man den höheren Benzinpreis bei uns zur Grundlage, dürfte sich der Differenzbetrag noch weiter angleichen. Mit dieser abendlichen Vergleichsrechnung hatte sich mein Schock etwas gelegt. Immerhin war ich um schwerer und größer als mein deutsches Wuschelmobil, was wiederum zuhause den Kilometerpreis hochtreiben würde. Also akzeptierte ich den Durst meines „Babys“. … Ich hatte sowieso keine Wahl!
Das schlechte Wetter hatte sich zwischenzeitlich gelegt. Die Temperaturen bewegten sich allerdings nicht über der Zehngradgrenze. So war auf der Reise auch im WoMo die Heizung angesagt. Die Sonne kam immer mehr zum Vorschein und ab Quebec war der Himmel blank geputzt. Wir wechselten nach der...