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Case Management in der Palliativpflege: Theorie und Praxis

AutorLars Wolfgang Fruth
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl42 Seiten
ISBN9783956848513
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Das Leben mit einer Karzinomerkrankung ist durch langwierige Therapien, einen häufigen Wechsel von Progredienz und Remission, soziale und psychische Veränderungen und durch finale Krankheitsphasen gekennzeichnet. Die Herausforderung des Gesundheitssystems besteht darin, den an Krebs Erkrankten die notwendigen Hilfestellungen zugänglich zu machen. Aspekte der medizinischen, pflegerischen, sozialen, psychologischen und rehabilitativen Versorgung sind zu berücksichtigen. Da im stationären Setting Tumorpatienten häufig als Wiederkehrer und in einem finalen Stadium ihrer Erkrankung versorgt werden müssen, kann ein spezialisiertes Case Management als Instrument zu einer optimierten Steuerung der Hilfemöglichkeiten installiert werden. Hier lassen sich die Stärken eines Case Managements auf der individualisierten Fallebene nachzeichnen und die Prozessoptimierung auf Systemebene in Bezug auf interdisziplinäre Kooperation herausstellen. Dieses Buch zeigt die Schnittstellenproblematik auf, die im Rahmen einer palliativen Versorgung zwischen dem stationären und ambulanten Setting besteht und entwirft Lösungsmöglichkeiten durch gezielte Case Management-Prozesse.

Lars Wolfgang Fruth, geboren 1980 in Marl, Westfalen, absolvierte zunächst eine grundständige Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger. Es folgte eine Fachweiterbildung für onkologische Pflege und Palliative Care gemäß DKG-Richtlinien. Im Anschluss

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3, Analyse der Schnittstellen- und Versorgungsprobleme: Das deutsche Gesundheitssystem ist gekennzeichnet durch die weiterhin immanente Trennung der Versorgungsbereiche ambulant, stationär, Rehabilitation und Pflege, Gesundheits- und Sozialwesen, Professionellen-Hilfe und Laienarbeit (Ehrenamt). Das daraus resultierende eher unkoordinierte Parallelwirken verschiedener Leistungserbringer in den Versorgungsstrukturen führt so nicht zu geeigneten bzw. bedarfsgerechten Lösungen für betroffene Erkrankte, da die Verantwortungsreichweiten der einzelnen 'Dienstleister begrenzt sind, und nur ein bedingtes Verantwortlichkeitsgefühl daraus resultiert. Zudem verliert der Nutzer den Überblick bei der Vielzahl an Angeboten und kann das für ihn passende nicht heraus selektieren. Das zu Grunde liegende Fallbeispiel zeigt, dass nicht die für den Erkrankten sinnvollste und optimale Versorgung gewählt wurde. Die Zuführung zu den optimalen Versorgungsstrukturen und eine kontinuierliche Begleitung wären jedoch angezeigt gewesen. Anstatt den gesamten Krankheitsverlauf zu begleiten und daraus den aktuellen Bedarf abzuleiten wurde bisher lediglich nur auf einzelne Abschnitte Bezug genommen, so dass die Diskrepanz zwischen den wirklichen Bedürfnissen des Betroffenen und dem Angebot der Krankenversorgung immer größer wird und eine Unter- bzw. Überversorgung, wenn nicht gar eine Fehlversorgung daraus resultiert. 3.1, Diskontinuität / Desintegration und deren Folgen: Mit dem continuum of care (Weil, 1985) und dem Konzept des Unterstützungsmanagements (Wendt, 1995) gibt es bereits umfangreich diskutierte Ansätze zur Lösung der Fragen nach einer von der WHO 1978 bei der Konferenz in Alma-Ata festgeschriebenen Forderung nach einer kontinuierlichen Gesundheitsversorgung. Diese scheint jedoch auch heute noch nicht erfüllt. Diskontinuität und Desintegration sind nach wie vor ein präsentes Problem in der Gesundheitsversorgung. Nach Ewers bezeichnet der Begriff Integration die räumliche Dimension des Versorgungsgeschehens und dabei die Systemperspektive. Greifen die notwenigen Strukturen und Prozesse innerhalb des Versorgungssystems nicht ineinander wird dies als Desintegration bezeichnet. Häufig liegt dieser ein Festhalten an strukturellen und professionsbezogenen Grenzen zu Grunde. Ist die zeitliche Dimension der Versorgung in Hinsicht auf die Nutzerperspektive und ein episodenhaftes Agieren, so ist die anfangs beschriebene Kontinuität nicht mehr gewährleistet. In der Folge stellt sich Diskontinuität ein. (Ewers & Schaeffer, 2003; Schaeffer 2000b) Diskontinuität und Desintegration als wesentliche Problemstellungen der Gesundheitsversorgung werden im Fallbeispiel wie folgt deutlich: In erster Linie treten Kommunikationsdefizite in den Fokus der Falldarstellung. Ebenso kommen Schnittstellenprobleme zum Tragen. Zuletzt mangelt es an Kooperation und Vernetzung der Leistungserbringer und Versorger. Ein fehlendes Angebot ist das Resultat dieser Konstellation. Die so entstandenen Versorgungsdefizite, die zu einem Teil auch als Folge der Medikalisierung auftreten und mit einer defizitären Patienten- und Ergebnisorientierung einhergehen, bewirken in der Konsequenz nachteilige Effekte auf Krankheitsverlauf, Krankheitsbewältigung und Begleitung in der palliativen Erkrankungsphase. Zudem werden die 'Co-Erkrankten', in diesem Fall vorwiegend die Ehefrau als familiäre Hauptbezugsperson, hinsichtlich der eigenen Belastungen nicht ausreichend berücksichtigt und begleitet. Die Kommunikationsdefizite im Einzelnen: Onkologische Erkrankungen sind geprägt durch psychosozialen Belastungen. Im Vordergrund steht die Bewältigung alltagspraktischer Probleme, emotionaler Sorgen, psychischer Belastungen, spiritueller/religiöser Belange und körperlicher Probleme, die sowohl krankheitsbedingt, als auch therapieinduziert sein können. In den Phasen von Diagnoseschock über Remission, Progredienzangst bis hin zur Palliation sind die vorher benannten Kernelemente des täglichen Lebens ständig in Frage gestellt und bedürfen daher einer kontinuierlichen Betreuung durch professionelle Akteure. In dem Beispiel von Herrn H. sieht sich der Betroffene auf sich alleine gestellt. Lediglich die behandelnde Onkologin nimmt sich für das Aufklärungsgespräch ausreichend Raum und Zeit, wobei diese Herrn H. nicht über die Eventualität einer CHT hinreichend informiert hat. Eine Erstbetreuung durch einen Psychoonkologen hat nicht stattgefunden. Ebenso gab es seitens der Klinik keine ausreichende Kommunikation an dem Hausarzt, dessen Rolle im gesamten Erkrankungszeitraum eine untergeordnete Rolle spielte. Auch wurden die Belange der Ehefrau nicht zur Kenntnis genommen. Diese hatte im Krankheitsverlauf die Last der Erkrankung ihres Ehemannes alleine zu tragen. Hinzu kam die Doppelbelastung in Bezug auf die berufliche/finanzielle Problematik und das Krankheitsgeschehen. Sie war es zudem, die auch den besorgten Sohn betreute. Eine externe Hilfestellung blieb aus. Dies war ein Grund mit dafür, dass Frau H. nicht den geeigneten Umgang mit ihrem schwer erkrankten Ehemann erlernen konnte. Häufige Konflikte führten zu einer weiteren Belastung der Paarbeziehung und machten stellten eine außerordentliche Hürde bei der Krankheits- und Alltagsbewältigung dar. Die Schnittstellenprobleme im Einzelnen: Schnittstellenprobleme treten erstmalig bei der Entlassung nach der ersten Operation zu Tage. Zwar hat es ein Entlassungsmanagement, wie es der nationale Expertenstandard (DNQP) vorsieht, gegeben, jedoch ist dieses nur auf kurze Sicht und nicht prognostisch ausgelegt worden. Mit einem Case Management-Ansatz hätte die Reichweite der Versorgung vergrößert werden können. Auch wenn nach dem zweiten Klinikaufenthalt in 2009 wegen starker Nebenwirkungen unter der CHT der Sozialdienst mit der Pflegeeinstufung und der Hilfsmittelversorgung befasst war, so kam es schließlich doch zu Versorgungsbrüchen auf der beruflich, sozialen Ebene, da das selbstständige Ehepaar mittlerweile erhebliche Finanzprobleme zu lösen hatte. Die Beantragung von finanziellen Hilfen stellte das Ehepaar auf eine weitere Probe, da dieses die Beiträge für die PKV zu zahlen nicht mehr in der Lage war. Schließlich zeigen sich erhebliche Versorgungslücken in der Phase der Verschlechterung. Lediglich die Klinik stellte sich als Ansprechpartner heraus, ambulante Hilfeleistungen wurden von Herrn und Frau H. nicht in Anspruch genommen. Durch die geringe Integration und Information des Hausarztes kam es zu häufigen Klinikeinweisungen und eine schleichend einsetzende Symptomkontrolle. Erst als die Beschwerden zu groß wurden, suchte Herr H. erneut die Klinik auf, eine hausärztliche Betreuung war jedoch in mehreren Phasen angezeigt. Eine ambulante palliative Versorgung war schließlich durch einen Mangel an Angeboten nicht möglich, so dass Herr H. im Krankenhaus verstarb.
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