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Cattitude

Wie wir Katzen in der Tierarztpraxis verstehen und ihnen das Leben leichter machen. Zusatzmaterial online: Protokolle und Besitzerfragebögen

AutorAngelika Drensler
VerlagSchlütersche
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783842690288
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Kann die Katze Tierarzt lernen? Der Unterschied zwischen Hunden und Katzen ist sehr viel größer als angenommen. Nur wer Katzen versteht, kann ihnen stressige Situationen ersparen. Katzen-Wohlbefinden ist das neue Schlagwort. Hierfür bietet das Konzept der katzenfreundlichen Praxis unendliche Möglichkeiten. Die Autorin liefert mit ihren Praxisbeispielen und Tipps entsprechende Anregungen, die vom Praxisteam ohne viel Aufwand umgesetzt werden können und der Katzen den Tierarztbesuch erleichtern.

Dr. med. vet. Angelika Drensler ist Fachtierärztin für Kleintiere mit eigener Kleintierpraxis in Elmshorn; eine der ersten Praxen Deutschlands, die von der ISFM (International Society of Feline Medicine) als 'Cat friendly Clinic' zertifiziert wurden. Angelika Drensler ist Gründungsmitglied der 'Deutschen Gruppe Katzenmedizin' und Leiterin der Arbeitsgruppe Katzenmedizin der DGK-DVG.

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Leseprobe

Um sowohl die Tierarztbesuche, als auch das Leben für unsere Samtpfoten zu erleichtern, müssen wir nicht nur verstehen, was Stress bedeutet, sondern auch, wie Katzen ihre Umwelt wahrnehmen( Abb. 4-1). Nur dann können wir uns in sie hineinversetzen und unangenehme Empfindungen vermeiden oder wenigstens reduzieren.

Abb. 4-1 Alle Sinne hellwach

Abb. 4-2 Die schönen, großen Augen der Katze sehen anders als unsere.

4.1Der Sehsinn


Der Aufbau des Katzenauges unterscheidet sich nicht wesentlich von dem des Menschen. Allerdings ist das Auge der Katze sehr groß im Verhältnis zur Körpergröße ( Abb. 4-2).

Der durchschnittliche Durchmesser des Katzenauges beträgt 22 mm, der unserer Augen 25 mm. Diese Tatsache und die Anordnung der Augen etwas seitlicher an dem kleineren Kopf bewirken, dass Katzen ein sehr weites Gesichtsfeld von 200° haben (Mensch 180°), was ihnen bei der Suche nach Beute zugutekommt. Nur im mittleren Gesichtsfeld (90 bis 100°) haben die meisten Katzen binokulares Sehen. Eine Ausnahme bilden viele Siamkatzen, die erblich bedingt eine verringerte Fähigkeit zum Stereosehen haben. Viele dieser Tiere zeigen deutliches Schielen – ein Versuch, die nicht passenden Bilder des rechten und linken Auges in Übereinstimmung zu bringen.

Der sehr kurze Abstand zwischen Pupille und Netzhaut im Katzenauge stellt sicher, dass möglichst wenig Licht auf dem Weg zur Wahrnehmung verloren geht. In der Netzhaut befinden sich Stäbchen und Zäpfchen, die Lichtreize in Informationen umwandeln, welche über den Sehnerven zum Gehirn weitergegeben werden. Die Zahl der Stäbchen ist bei der Katze etwa dreimal so hoch wie bei uns. Weil die Stäbchen für die Wahrnehmung von Licht verantwortlich sind, kann die Katze auch noch in Dämmerung oder Dunkelheit deutlich mehr sehen als der Mensch. Andererseits ist die Zahl der Zäpfchen bei der Katze deutlich niedriger. Zäpfchen sind für das Farbsehen zuständig. Die Katze hat 16-mal weniger Nervenzellen zum Farbvergleich. Sie wird als dichromatisch eingeschätzt, was bedeutet, dass sie zwei Farben, Gelb und Blau, sowie deren Mischfarben, z. B. Grün unterscheiden kann, während der Mensch zusätzlich Rot zu seinem gesehenen Farbspektrum zählt. Wir können uns eine Welt in Grün nicht gut vorstellen, doch für die Katze sind Rottöne nicht wichtig für die Jagd. Wenn sie die Umgebung in gedämpften Grüngrautönen sieht, kann sie sich umso besser auf geringste Bewegungen, die von Beutetieren stammen, konzentrieren.

Einen weiteren Unterschied zwischen Katzen- und Menschenaugen finden wir im Tapetum lucidum, einer Schicht hinter der Netzhaut. Das Tapetum lucidum der Katze, auch Tapetum cellulosum genannt, reflektiert eingefallenes Licht in hohem Maße zurück zu den Stäbchen, sodass die Lichtabsorption schätzungsweise 40 % höher ist als bei uns. Damit die empfindlichen Stäbchen zwar in Dämmerung und Dunkelheit viel Lichtinformation bekommen, aber im Sonnenlicht nicht überflutet werden, hat die Katze eine besondere Pupillenform. Die Pupille kann extrem geweitet (dreimal größer als beim Menschen), aber auch auf einen winzigen Schlitz verengt werden, um den Lichteinfall maximal zu reduzieren. Dazu kommt, dass die Linse der Katze multifokal ist (Lichtfarben werden im Zentrum anders wahrgenommen als am Rand) und eine schlitzförmige Pupille alle Bereiche der Pupille vom Rand bis zum Zentrum mit Lichtinformation versorgt.

Sehr wichtig bei der Suche nach Beutetieren ist die besondere Empfindsamkeit der Augen für schnelle Bewegungen. Dies wird durch die Fähigkeit der Augen, sehr schnelle Bewegungen zu machen, erleichtert. Sie senden in schneller Abfolge Informationen an das Sehzentrum. Dort werden die Informationen abgeglichen mit den vorhergehenden Bildern. Mit 60 Bildern pro Sekunde senden Katzenaugen ihre Informationen dabei doppelt so schnell an das Sehzentrum wie die des Menschen.

Mit all diesen visuellen Fähigkeiten ist die Katze bestens gerüstet für die Jagd nach kleinen Beutetieren am Tage und in der Nacht. Das einzige Defizit im Sehen der Katze liegt in der Sehschärfe, besonders im Nahbereich. Hier, direkt vor ihrem Gesicht, sieht sie die Dinge nur sehr verschwommen. Deshalb muss sie beim Beutegriff andere Sinne zu Hilfe nehmen, z. B. die Tasthaare ( Kap. 4.4). Hier finden Sie zwei Beispiele, die Ihnen einen Eindruck von der Sehfähigkeit von Katzen vermitteln ( svg.to/sehsinn1 und svg.to/sehsinn2).

PRAXISTIPP

Weil die Katze im Nahbereich schlecht sehen kann, ist sie häufig nicht in der Lage, die Wasseroberfläche in einer Trinkschüssel zu erkennen, besonders dann nicht, wenn diese aus reflektierendem Material wie Edelstahl gefertigt ist. Idealerweise ist die Wasserschüssel aus Glas und wird bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Dann kann die Katze den Wasserspiegel sehen und läuft nicht Gefahr, die Nase zu weit einzutauchen ( Abb. 4-3).

Abb. 4-3 Die ideale Wasserschüssel

4.1Der Gehörsinn


Jeder von uns hat tausendmal die Ohren einer Katze gesehen, ohne sich Gedanken über deren schnelle Bewegungen zu machen. Diese sind dazu geeignet, alle Geräusche in der Umgebung einzufangen. Die Ohren bewegen sich teilweise unabhängig voneinander, um keinen Ton zu verpassen. Ein Abgleich der Informationen aus beiden Ohren im Gehirn kann Information über die Lokalisation der Geräuschquelle geben.

Durch den Aufbau des Mittel- und Innenohres und durch die gute Versorgung mit Nervenzellen (ca. 30 % mehr als beim Menschen) kann die Katze nicht nur besser hören, sondern hat auch ein breiteres Spektrum. Im Hören von sowohl hohen als auch tiefen Tönen ist sie uns deutlich überlegen (48 Hz bis 85 kHz). Damit ist sie zwar zum Aufspüren von Beutetieren wie Mäusen, die sich im Ultraschallbereich verständigen (30 bis 100 kHz), bestens gerüstet, wird aber häufig von unserer „lauten“ Menschenwelt überfordert.

4.3Der Geruchssinn


Das olfaktorische System ist für die Aufnahme von Gerüchen und Pheromonen zuständig. Dafür benutzt die Katze die Nase und das Vomeronasalorgan (VNO oder auch Jacobson-Organ genannt).

In den Epithelzellen der Nasenschleimhaut werden in erster Linie Gerüche aufgenommen. Die Epithelfläche in der Nase der Katze, d. h. die Oberfläche der Nasenmuscheln, ist durch feinere Fältelung etwa zehnmal so groß wie die des Menschen. Die Gerüche kommen passiv – bei der Atmung – oder aktiv – durch Schnüffeln – zu den Epithelzellen, werden dort aufgenommen und als Nervenreiz zum Gehirn weitergeleitet.

Das Vomeronasalorgan befindet sich in der Maulschleimhaut im harten Gaumen. Die zwei Öffnungen liegen als kaum sichtbare Papillen hinter den oberen Schneidezähnen. Das VNO ist spezialisiert auf Pheromone, tierartspezifische Botenstoffe, die in unterschiedlicher Zusammensetzung von verschiedenen Drüsen produziert werden und sehr genaue Informationen enthalten.

EXKURS

Pheromone und pheromonproduzierende Drüsen

Pheromonproduzierende Drüsen bei der Katze finden wir an den Lippen, dem Kinn, den Wangen und Schläfen, an der Schwanzbasis und am Schwanz (Kaudaldrüsen), im Anal- und Urogenitalbereich, in der Mammaleiste und an den Ballen. Sie geben verschiedene Pheromone ab, um unterschiedliche Informationen zu transportieren. Die Pheromone der Kopf- und Kaudaldrüsen markieren unter anderem eine Art Gruppenzugehörigkeit und damit Katzen, Personen und Orte, mit und an denen sich die Katze wohlfühlt. Die Pheromone der Mammaleiste (produziert in Drüsen rund um die Brustwarzen) haben eine besänftigende Wirkung auf die Welpen. Die Pheromone der Ballen dienen in erster Linie der Territorialmarkierung, während die Pheromone der Anal-/Urogenitalregion unter anderem Informationen zum Sexualstatus weitergeben können.

Katzen haben viele bekannte Verhaltensmuster, bei denen sie Pheromone bewusst platzieren und damit die enthaltenen Informationen an andere Katzen weitergeben, ohne Gefahr zu laufen, in direkten und vielleicht unfriedlichen Kontakt mit Artgenossen treten zu müssen.

Das Wissen um die Bedeutung der Pheromone hat geholfen, einige dieser Botenstoffe zu analysieren und nachzubauen. Heute stehen uns synthetische Pheromone „aus den Wangendrüsen“ (Feliway® Classic), „aus der Mammaleiste“ (Feliway® Friends) und „aus den Ballendrüsen“ (Feliway® Scratch) zur Verfügung, um manchmal das Leben einer Katze leichter zu machen.

Die Pheromone werden von der Katze während eines Vorganges, den man Flehmen nennt, aufgenommen. Flehmen ist auch bei anderen Tierarten, z. B. Pferden, bekannt. Dabei werden der Kopf etwas angehoben, das Maul Richtung Quelle ein wenig geöffnet und die Oberlippen etwas gehoben ( Abb. 4-4). Fast unmerklich lässt die Katze geringe Mengen Luft in die Maulhöhle fließen. Die Pheromonmoleküle gehen dabei im Speichel in...

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