„Die, die verrückt genug sind, zu denken, sie könnten die Welt verändern, sind die, die es auch tun.“
Steve Jobs (1955‒2011)
Veränderungen sind an der Tagesordnung, doch wir versuchen die meisten davon mit Strategien zu bewältigen, die nicht zu neuen Lösungen führen, sondern zusätzlichen Stress verursachen. Das müsste so nicht sein, denn wir haben heute das Wissen, damit anders umzugehen.
Statt Probleme konsequent zu lösen, verplempern wir eine Menge wertvoller Lebenszeit und Ressourcen damit, sie zu bekämpfen, ihnen aus dem Weg zu gehen, sie anderen Leuten in die Schuhe zu schieben oder sie nicht wahrhaben zu wollen. Probleme versperren den Weg und fordern uns auf, sie wegzuräumen. In der Regel bestehen sie aus alten Lösungen, Gewohnheiten oder Verhaltensweisen, die irgendwann hilfreich und sinnvoll waren, heute unter geänderten Rahmenbedingungen aber nicht mehr dienlich sind. Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Wenn wir sie als Schätze der Veränderung bewusst wahrnehmen und sie dementsprechend behandeln, lässt sich aus dem Alten völlig Neues erschaffen.
Im Laufe unseres Lebens lernen wir eine Reihe nützlicher Routinen, mit deren Hilfe wir unseren Alltag gestalten. Unser Gehirn sorgt dafür, dass sie als Gewohnheiten abgespeichert und automatisch abgerufen werden können. Alles in allem erleichtern sie uns das Leben und geben uns Sicherheit. Sie hindern uns jedoch auch daran, Neues anzunehmen oder auf Unerwartetes angstfrei zu reagieren.
Seit 25 Jahren beschäftige ich mich wissenschaftlich und ganz praktisch mit der Gestaltung von Veränderungsprozessen, meistens in Organisationen. Dabei begleite ich Menschen, sich neue Wege zu ebnen und sie zu gehen. In dieser Zeit bin ich selbst durch verschiedene Veränderungsprozesse gegangen und konnte sie am eigenen Leibe erfahren. Es sind immer die Übergänge, die so schwierig sind. Das Gewohnte lässt sich nicht so leicht abstreifen und das Neue ist einem noch nicht vertraut.
Veränderungen prägten mein Leben. Meine Kindheit verbrachte ich auf einem Bauernhof. Nach der Schule wurde ich Krankenschwester und war sowohl in der Psychiatrie als auch und in der Orthopädie tätig. Hier hatten Menschen mit schwerwiegenden Umbrüchen zu kämpfen und mussten ihre Leben teilweise völlig neu ausrichten. Im Juli 1988 verließ ich die DDR. Obwohl ich mir nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dem grauen Osten zu entkommen, war es nicht gerade leicht, mich an die neue Welt zu gewöhnen. Die Ausreise aus dem Osten und das Aufnahmeprozedere in Westberlin hatten ordentlich an den Nerven gezehrt. In den Galeries Lafayette in Paris überforderte mich schließlich die farbenprächtige Fülle so sehr, dass ich einfach umgekippt bin. Der anschließende Skiurlaub führte trotz Skischule zu einer schweren Knieverletzung mit mehreren gerissenen Bändern. Zu viele Veränderungen in zu kurzer Zeit waren für meine Gesundheit nicht förderlich.
Mit einem Gips um das gesamte linke Bein begann ich mein Produktionstechnikstudium an der TU Berlin. Durch Prof. Gerd Kamiske, der uns vorlebte, was er lehrte, wurde ich auf das Konzept des Kaizen (auch bekannt als kontinuierlicher Verbesserungsprozess) von Taiichi Ōno, aufmerksam. Darin geht es um das konsequente Lösen von unvorhergesehenen im Tagesgeschäft auftretenden Problemen sowie das kontinuierliche gemeinschaftliche Beseitigen von Verschwendungen aller Art. Dieser einfache Ansatz hat mich so sehr inspiriert, dass mich das Thema Veränderung nie wieder losgelassen hat. Meine gesamte wissenschaftliche Auseinandersetzung kreiste um den Plan-Do-Check-Act-Zyklus (vgl. Kap. 6.1), in dem die ganze Welt der Sozialpsychologie steckt.
Durch eine systemische Weiterbildung wurde mir schnell klar, dass man für ein tieferes Verständnis von Veränderungen in Organisationen Praxis braucht. Ich suchte das wahre Leben und fand es im Inhouse-Consulting-Team eines großen Konzerns. Das war mein großes Glück, denn wir hatten den Auftrag, Kaizen zu implementieren. Dafür erhielten wir ein Menge Weiterbildungsmöglichkeiten, lernten von Organisationsentwicklern, die wir uns zur Unterstützung ins Haus holten und fuhren nach Japan, um Kaizen vor Ort zu erleben. Stück für Stück lernten wir Methoden, deren Ursprung in der Aktionsforschung und Gruppendynamik des Sozialpsychogen Kurt Lewins lag, und wendeten sie erfolgreich an.
Da ich mehr darüber wissen wollte, studierte ich für zwei Summer Sessions an der University of California in Berkeley Organizational Behavior und Business Communication. Im nahen Silicon Valley herrschte Mitte der 1990er Jahre bereits die Aufbruchstimmung des digitalen Zeitalters. Die Art und Weise, wie hier anwendungsorientiert Wissen vermittelt wurde, inspirierte mich. 1998 hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen meiner Tätigkeit an der TU Berlin eine siebenteilige Veranstaltungsreihe „Veränderungsmanagement“ als Prüfungsfach anzubieten. Die Studierenden sollten aus ihrem eigenen Erleben sowie ihren persönlichen Erfahrungen heraus lernen und sich selbst dabei entwickeln. Dafür vermittelte ich praxiserprobte Methoden in Rollen- und Planspielen. Es wurden eigene Projekte geplant und sogar kleine Filme gedreht. Wir hatten viel Spaß!
Damals war das neu, anders und für manche ‒ insbesondere Nichtstudierende ‒ befremdlich. Inzwischen hat sich Change Management vom teilweise belächelten Randthema zu einer Kerndisziplin für jede Führungskraft gemausert. Es wird als Gestaltungsmethodik zur Entwicklung von Organisationen verstanden, um die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen, die Mitarbeiter in Netzwerken zu verbinden und insgesamt gemeinsam den Erfolg zu sichern.
Märkte, Technologien und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern sich in immer kürzeren Zyklen und fordern die Organisationen heraus, sich zu wandeln. Vertraute Vorgehensweisen müssen ständig überdacht und lieb gewonnene Gewohnheiten abgelöst werden. Das geht genauso häufig mit der Angst einher: „Ich-weiß-nicht-wie-das-geht“, wie mit dem Gefühl von Verlust. Es erzeugt Emotionen, die immer berücksichtigt werden müssen. Menschen können Veränderungen nur schrittweise vollziehen, sonst werden sie überfordert und gehen in eine Abwehrhaltung, um sich zu schützen. Und dann geht erst einmal gar nichts mehr.
Allzu häufig wird zu viel auf einmal angegangen und bei der Umsetzung zu unstrukturiert vorgegangen. Die emotionale Seite der Veränderung wird zu wenig bedacht. Es wird nicht berücksichtigt, dass für geplante Maßnahmen entsprechend Zeit zur Einführung eingeräumt werden muss.
Stattdessen werden ungeduldig große Erfolge erwartet, dann zu früh das Scheitern verkündet und zu schnell wieder aufgegeben. Das erzeugt Frustration bei denjenigen, die sich mit viel Einsatz engagiert haben. Veränderungen werden so als schmerzhafte Einschnitte wahrgenommen, und das muss zwangsläufig zu Widerständen gegen das Neue führen. Fatal wird es, wenn sich das „Zu-schnell-zu-viel-auf-einmal“ wiederholt. Dann wird der Schmerz chronisch und die Menschen ziehen sich in die innere Emigration zurück. Sie verbinden die negativen Erlebnisse mit der Veränderung und speichern sie ab.
Die Neurowissenschaften belegen die uralten Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Lern- und Entwicklungsfähigkeit. Abrupte Veränderungen führen uns in Notfallmechanismen, die das Gehen neuer Wege zunächst nicht befördern, sondern eher alte Gewohnheiten verstärken. Verhaltensänderung ist nur in kleinen Schritten möglich. Radikale Umbrüche oder Kehrtwenden bringen ähnlich wie Radikaldiäten meist nicht die erhofften Resultate, sondern sind zumeist mit einem Jojo-Effekt verbunden.
Es ist kein Geheimnis, dass erfolgreiche Unternehmen von glaubwürdigen bis hin zu charismatischen Personen geführt werden, die mit vollem Herzen ihrem Leitbild folgen und ihre Mitarbeiter immer wieder dafür begeistern. Sie stecken Etappenziele, um im täglichen Geschäft Erfolgserlebnisse markieren und feiern zu können. Das wiederum motiviert für die nächsten Schritte. Veränderung braucht Beharrlichkeit und eine vertrauensvolle Atmosphäre.
Seit 2005 bin ich als selbständige Trainerin und Moderatorin (Facilitator) tätig, meistens in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Um hier möglichst effektiv zu sein, habe ich eine einfache Beratungs- und Trainingsmethodik entwickelt, die es ermöglicht, in kleinen Einheiten mit den Mitarbeitern lebendige Strukturen zu gestalten, in denen sich die Menschen gegenseitig bei ihrer Entwicklung so unterstützen, dass die Organisation sich kontinuierlich entfaltet.
In dem hier vorliegenden Buch habe ich mein Handwerkszeug zusammengefasst. Es sind sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen als auch die Methoden mit praktischen Anleitungen beschrieben, damit Sie sie für die Gestaltung Ihrer Veränderungsvorhaben nutzen können.
So erhalten Sie einen Überblick über den Begriff und dessen Geschichte. Es werden das Wesen, die Ebenen und die Psychologie von Veränderungsprozessen anhand der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse und der mythologischen Erzählstruktur erläutert.
Im Kern folgt jedes Veränderungsvorhaben grundsätzlichen Prinzipen, die mit einfachen Methoden gestaltet werden können. Jedes Vorhaben ist dabei jedoch genauso einzigartig wie die Menschen, die es erschaffen und verwirklichen.
Sie finden hier eine anschauliche Anleitung für ein gemeinschaftliches Entwicklungs- und Wachstumsprogramm. Alle Aspekte werden aufeinander aufbauend dargestellt. Ergänzende Artikel zu diesem Buch finden Sie auf http://www.energetic-change.de.
Also fangen Sie an, egal an welcher Position Sie sind. Veränderung ist immer und überall möglich, jeden Tag aufs Neue....