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Christoph Willibald von Gluck

Große Komponisten

AutorAnton Schmid
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl600 Seiten
ISBN9783849602314
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Eine der ausführlichsten Biografien über Christoph Willibald von Gluck ist diese von Anton Schmid aus dem Jahre 1854.

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Leseprobe

Vierter Abschnitt. Gluck's zweite Kunstperiode. (1748–1754.) Gluck's Wirken in Wien.


 

Die dramatische Musik stand bei Gluck's Ankunft in Wien auf einer bedeutenden Stufe damals möglicher Blüthe: denn diese hatte in der Haupt- und Residenzstadt mit den Fortschritten der Kunst in Italien gleichen Schritt gehalten.

Wir finden uns jedoch nicht veranlasst, an diesem Orte bis auf die Uranfänge dramatischer Bestrebungen in Oesterreich zurückzugehen; wir begnügen uns zu bemerken, dass ihre ersten geregelten Spuren unter dem kunstliebenden Kaiser Ferdinand III. begannen, und unter der Regierung des Kaisers Leopold I., der die Tonkunst in einem hohen Grade begünstigte, förderte und unterstützte, die erfreulichsten Fortschritte machten.

Musikalisch-dramatische Vorstellungen von entschiedener Bedeutung finden wir daher erst seit dem Anfange der Regierung des letztgenannten Monarchen im Jahre 1657. Der Kaiser spielte selbst sehr fertig das Clavier; auch komponirte er eine bedeutende Anzahl von Arien, Cantaten, Opern und selbst Kirchenmusikstücken, deren viele in dem Archive der k.k. Hofbibliothek noch heute sorgfältig aufbewahrt werden. Bei dieser liebevollen Hinneigung zur Kunst, die den hohen Gliedern des erlauchten Hauses Habsburg überhaupt eigen war, besonders bei den, dem Kaiser Leopold eigenen ungewöhnlichen Kenntnissen und Fähigkeiten gewannen dessen Bemühungen zu Gunsten der Tonkunst auch mehr Plan, einen besseren Zweck und einen bleibendern Erfolg; und so verdankt Wien ihm die weitere Verbreitung dieser Kunst, so wie der Liebe zu ihr nicht nur am Hofe, sondern auch bei Allen, die einigermassen auf Bildung Anspruch machten. Von den vielen rühmlichen und denkwürdigen Leistungen dieses erhabenen Monarchen zu jenem Zwecke möge nur Folgendes hier erwähnt werden:

Kaiser Leopold sammelte und unterhielt eine ansehnliche Kapelle von Sängern und Instrumentisten, zumeist Italienern. Im J. 1659 liess er auf dem Reit- (jetzt Josephs-) Platze ein grosses Schauspielhaus errichten, das schon drei Reihen Logen, und Gallerien für die Zuschauer umfasste. Unter den ausserordentlich glänzenden Festen, womit man im J. 1666 sein Beilager mit der spanischen Infantin Margaretha Theresia feierte, wurde auch eine grosse Spektakel-Oper: "Il Pomo d'oro" betitelt, mit Musik von dem damaligen, in der Geschichte der Kunst berühmten Theater-Intendanten, Pater Antonio  Cesti, abgehalten, zu welcher auf dem heutigen inneren Burgplatze ein ungeheueres Theater von Holz erbaut worden war. Kaiser Leopold selbst, sein Hof und der hohe Adel trugen Sorge für eine so reiche und prachtvolle Darstellung, als kaum jemals irgendwo stattgefunden haben mag. Betrug doch die Zahl der auf der Bühne erscheinenden Personen gegen tausend. Talander liess im J. 1708 eine weitläufige Beschreibung dieser Prunk-Vorstellung in Leipzig drucken.

Seitdem war es gewöhnlich, dass der Hof sich mit Schauspielen und Opern ergötzte, die auf dem grossen kaiserlichen Theater, in verschiedenen Zeiten auch in den kaiserlichen Lustschlössern, aufgeführt wurden. Von dem letztgenannten Jahre bis 1695 hatte die Kaiserstadt mit Pest, Krieg und andern Unglücksfällen zu kämpfen, wesshalb diese Vergnügungen freilich eine traurige Unterbrechung erlitten.

Bei der zweiten türkischen Belagerung im J. 1683 wurde selbst das grosse Theater, weil es von Holz erbaut war und der Stadt Gefahren drohte, niedergerissen. In besseren Zeiten liess Kaiser Leopold dieses Haus zu erneuerten Vorstellungen wieder herstellen; doch gegen des Jahrhunderts Ende wegen des schönen Zweckes wieder abbrechen, um an dieser Stelle das herrliche Hofbibliotheks-Gebäude errichten zu lassen. Dagegen liess er seit dem Jahre 1697 ein neues grosses Theater hinter der Burg bauen, das jedoch zwei Jahre hernach, noch vor seiner Vollendung, von Neuem abbrannte.

Kaiser Leopold hinterliess einen ungeheuren Musikalien-Vorrath; es ist jedoch nur ein Theil davon auf die Gegenwart gelangt, der in der k.k. Hofbibliothek noch jetzt Jedermann zur Einsicht gestattet, oder zum Studium mitgetheilt wird.

Kaiser Joseph I. erbte seines erlauchten Vorfahren Musikliebe. Er vermehrte und verbesserte die Kapelle, setzte ihr den Marchese di Santa Croce, Einen der grössten Musikkenner seiner Zeit, als Oberhaupt vor, und gab der italischen Oper eine schönere Oertlichkeit. Dieses, von den Gebrüdern Bibiena erbaute Theater umfasste zwei Säle: einen kleineren, der im Carneval für italische Schauspiele, sonst auch für andere Hoffeste verwendet wurde; dann einen grösseren, der das eigentliche, zur Aufführung ernster italischer Opern bestimmte Hoftheater war. Dieses galt für das grösste und schönste Gebäude dieser Gattung in damaliger Zeit, so wie die darin gegebenen Aufführungen der musikalischen Kompositionen, die Ausführung, die Pracht der Kleidungen und Dekorationen, die Tänze und andere Ausschmückungen Alles übertrafen, was man bis dahin in Wien gesehen hatte.

Dieses schöne Opernhaus wurde im Jahre 1748, gerade in dem Jahre der Ankunft Gluck's in Wien, abgebrochen und zu einem öffentlichen Redoutensaale bestimmt. Nach dem Jahre 1752 wurden beide Säle vereinigt, durchaus von Stein erbaut, und, mit mancher, dem jetzigen Zweck angemessenen Veränderung und Verschönerung bis zu unseren Tagen den öffentlichen Redouten gewidmet.

Kaiser Karl VI. begünstigte und unterstützte die Tonkunst nicht weniger, als sein hoher Vorgänger. Namentlich vervollkommnete er die Kapelle, so, dass sie keiner gleichzeitigen nachstand. Auch er spielte mehrere Instrumente und besass nebstbei noch andere musikalische Kenntnisse, und ein überaus feines, ausgebildetes Gehör, dem kein Fehler in der Ausführung entschlüpfte. Er erhob die Oper zu einer Vollkommenheit, Pracht und Herrlichkeit, die ihr weder vor-noch nachher eigen gewesen war. Zwar besassen die ersten Bühnen Italiens wohl einzelne grössere Gesangs-Individuen, aber weder einen Dichter, wie Metastasio, noch ein so vollendetes Orchesterspiel (unter Fux's Leitung), noch eine so ausgesuchte und geschmackvolle Pracht der Tänze, Dekorationen und anderen Ausschmückungen. Im grossen Opernhause wurde alljährlich nur Eine grosse Oper gegeben; sonst wäre weder jene Vollkommenheit der Ausführung bei einem so übergrossen Personale, noch jener Aufwand in die Länge der Zeit möglich gewesen. Die erste Vorstellung hatte jedesmal am 4. November, dem Namenstage des Kaisers Statt; dann wurde sie wiederholt. Jedem anständig Gekleideten war es erlaubt ihr beizuwohnen, und – ohne Eintrittsgeld, Sonst war auf diesem Theater nur bei ganz besonderen Festen Oper. So wurde bei der Vermählung der Erzherzogin Maria Theresia das grosse Prachtwerk "Achille in Sciro" von Antonio Caldara gegeben. Dagegen sah man im Sommer alljährlich eine Oper in der k.k. Favorite (der heutigen Theresianischen Ritter-Akademie auf der Wieden), und zwar die erste Vorstellung stets am 28. August, dem Geburtstage des Kaisers: denn die Favorite war in dieser Jahreszeit der gewöhnliche Aufenthalt des allerhöchsten Hofes.

Die Bühne und ihre Einrichtung war in eigenthümlicher Weise beschaffen. Jene befand sich im Garten über dem grossen Wasserwerke, und hatte einen ungeheuren Umfang. Die Fontainen und andere Kunst-Wasserbauten wurden bei angemessenen Gelegenheiten mit in die Vorstellung selbst gezogen und so als Dekoration benutzt. Auf dem grossen Wasserbecken fanden wirkliche Wasserfahrten, Schiffbrüche, Seetreffen u.s.w. Statt. Kleinere theatralische Vorstellungen waren an der Tagesordnung. Direktor der Oper unter Kaiser Karl VI. war der Fürst Pio, ein kunsterfahrener Mann; erster Kapellmeister der eben so grosse Theoretiker als Praktiker J.F. Fux; Vice-Kapellmeister der geistvolle und fruchtbare Antonio Caldara, edel und würdevoll in seinen dramatischen, noch mehr in seinen kirchlichen Schöpfungen; Stampiglia, Apostolo Zeno und Metastasio waren die Hof- und Theaterdichter. Die Florentinerin Vittoria Tesi Tramontini zeichnete sich schon damals als Sängerin vor Allen aus.

Im Jahre 1712 liess der Wiener Magistrat das erste Stadttheater nächst dem Kärnthnerthor erbauen, wo in späterer Zeit, als das Theater nächst der Burg das recitirende Schauspiel ganz allein in seine Pflege nahm, die Oper und das Ballet ausschliesslich ihren Sitz, aufgeschlagen hatten. Zuerst wurden hier deutsche, zum Extemporiren eingerichtete Stücke gegeben; im Jahre 1728 aber nach Stranitzky's Tode bekamen Borosini und Sellier ein zwanzigjähriges Privilegium. Sie gaben deutsche Schauspiele, machten den Anfang mit kleinen deutschen Singspielen, führten im Ballhause auf dem Minoritenplatze auch italische Opern auf, und gaben selbst gute Ballette, die mit den deutschen Vorstellungen verbunden wurden.

Nach Kaiser Karl's Tode begünstigten Franz und Maria Theresia das deutsche Theater noch mehr, liessen desshalb im Jahre 1741 im alten Ballhause nächst der Burg das neue noch jetzt bestehende Hoftheater nach dem Plane des Schauspielers und Topographen Weiskern erbauen, und auf diesem, im Wechsel mit dem Kärnthnerthor-Theater die Deutschen spielen. Im Jahre 1743 wurde dieses von dem damaligen Theaterunternehmer Sellier mit hoher Genehmigung erweitert und auch für italische Singspiele eingerichtet. Das erlauchte Herrscherpaar fand an diesen abwechselnden Schauspielen grosses Wohlgefallen, liess aber dafür die ehemaligen grossen, vielen Kostenaufwand erfordernden Opern gänzlich eingehen. Die letzte wurde noch im Jahre 1744 den 8. Jänner gegeben,...

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