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Clinical Reasoning und Empathie in der Physiotherapieausbildung. Darstellung und Evaluation eines Unterrichtskonzeptes zur Förderung der emotionalen Kompetenz in der frühen Ausbildungsphase der Physiotherapie

AutorBarbara Wilhelmi-Hempelmann
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl124 Seiten
ISBN9783961460281
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Das Anforderungsprofil während der dreijährigen Physiotherapieausbildung ist vielfältig und erfordert neben der Vermittlung der beruflichen Handlungskompetenzen zunehmend die Schulung der sozialkommunikativen Kompetenzen. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Clinical Reasoning Denk- und Handlungsstrategien. Um auf zukünftige Problemstellungen im physiotherapeutischen Prozess besser vorbereitet zu sein, sollte dieser Problemlösungsprozess von den Auszubildenden bewusst reflektiert werden. Denn spätestens im Praktikum erfahren die Berufsanfänger aufgrund des zeitintensiven und körpernahen Kontaktes eine emotionale Nähe zum Patienten. Dabei müssen sie lernen, zwischen eigenen Gefühlen und den Gefühlen der Patienten zu unterscheiden. Ausbildungsziel ist daher, neben dem Erlernen eines einfühlsamen Verständnisses für den Patienten vor seinem gesamten Lebenshintergrund, auch die Bewusstmachung einer professionellen Grenze zum Patienten. Die hier verlangten Fähigkeiten werden oft als Empathie oder emotionale Kompetenz bezeichnet. Vor diesem Hintergrund soll das Buch ein besonderes Unterrichtskonzept im Clinical Reasoning zur Förderung dieser Kompetenzen in der frühen Ausbildungsphase darstellen und evaluieren.

Barbara Wilhelmi-Hempelmann, B.A. Gesundheitspädagogik, geboren 1966 in Bergisch Gladbach, ist Physiotherapeutin und Lehrerin an der Physiotherapieschule der Uniklinik Köln. Ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin absolvierte sie von 1987 bis 1989 an der Uniklinik Mainz. Mit dem einjährigen Anerkennungsjahr in den Fachbereichen Orthopädie und Neurologie erlangte sie 1990 die staatliche Anerkennung. Nach mehreren Jahren Berufserfahrung im stationären Bereich mit den Schwerpunkten Innere Medizin und Unfallchirurgie, sowie als Mitarbeiterin in einer neurologisch-orthopädisch ausgerichteten Physiotherapiepraxis, begann sie 1994 an der Physiotherapieschule der Uniklinik Köln ihre Unterrichtstätigkeit. Es folgten Fortbildungen in der Funktionellen Bewegungslehre, der Manuellen Therapie, der Craniosacralen Osteopathie und diverse Lehrerseminare. Von 2013 bis 2016 absolvierte die Autorin erfolgreich ein berufsbegleitendes Studium im Fach Medizinalberufe mit dem Schwerpunkt Gesundheitspädagogik an der Diploma Hochschule Nordhessen. Im Laufe der letzten Jahre hat sie sich intensiv mit der Kommunikation im physiotherapeutischen Prozess und den Clinical Reasoning Denk- und Handlungsstrategien beschäftigt. Diese Themen gehören heute mit zu den Schwerpunkten ihrer Lehrtätigkeit.

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Leseprobe
Kapitel 8. Empathie Training: Dr. Dipl.-Psych. Tobias Altmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent, sowie Prof. Dr. Marcus Roth, Universitätsprofessor für Differentielle Psychologie an der Universität Duisburg-Essen, haben ein spezielles Training zum Umgang mit Empathie für soziale Berufe in Pflege, Sozialer Arbeit und Erziehung entwickelt. 8.1 Zielsetzung des Empathie- Trainings: Die genannten Berufsgruppen, hier darf die Physiotherapie sicherlich mitgezählt werden, sind häufig intensiv mit menschlichen Problemen konfrontiert und empathisches Verhalten und Verstehen ist fundamental für ihren Arbeitsalltag. Das erfordert zum Teil eine hohe emotionale Anforderung und gleichzeitig die Fähigkeit der professionellen Abgrenzung. Diese Berufe stehen in Konflikt zwischen Mitfühlen und Zeitdruck. Dies führt oft zu Belastungs-und Erschöpfungssyndromen, die unweigerlich der eigenen Gesundheit schaden. Ein Beleg für diese emotionale Überforderung im Arbeitsalltag lässt sich im ersten Experteninterview finden: 'C: (...)Also ich würde mir wünschen, dass jeder den Satz im Kopf behält, dass er mit dem er gerade zu tun hat, so umgeht, wie er selber sich wünscht wie mit ihm umgegangen wird. Und das geht leider bei vielen über die Jahre verloren. Mir war das immer ganz wichtig. Die zehn Jahre in der Neurologie haben mich geprägt und haben aber auch viel Kraft gekostet, die letzten zwei Jahre waren nicht mehr so gut (...) Und ich habe mir immer gesagt, wenn der Punkt kommt, dass ich diesen Satz irgendwie vergesse und damit auch den Patienten vergesse, den Umgang mit ihm, dann muss ich irgendetwas anderes tun, und wenn es Pferdestriegeln oder sonst etwas ist. B: Jetzt muss ich in diesem Zusammenhang noch eine Frage stellen: (...)Könnte es auch sein, das es manchmal zu viel Empathie war? Oder man sich zu viel auf den Patienten eingelassen hat (...)? C: Ja, ich denke, das ist genau der 'Eiertanz', den man da jeden Tag zu bewältigen hat. Je mehr ich mich öffne, desto mehr nehme ich natürlich auch auf. Ich bin davon überzeugt, dass man so eine Arbeit nur eine begrenzte Zeit machen kann. Wenn man es zu lange macht, dann schalten sich Mechanismen ein, die man beim Personal, oder bei vielen sehen kann, die zu lange das gemacht haben, dann kommen so Verdrängungen und Abwehrmechanismen'. Diese Kollegin hat tatsächlich nach zehn Berufsjahren in der Neurologie für sich entschieden, dass sie diesen emotionalen Herausforderungen nicht mehr gewachsen ist. Nach längerer Erkrankung hat sie einen Arbeitswechsel innerhalb der Klinik vorgenommen. Es geht in diesem Training also nicht um den Einsatz von mehr Empathie, sondern um den richtigen Umgang mit Empathie. Das Ziel ist auch die Vermeidung von emotionalen Fehlbelastungen durch unreflektierte Empathie. 8.2 Hintergrund des Trainingsprogramms: Altmann und Roth geben zunächst eine Definition zu Empathie mit Bezug zum aktuellen Kenntnisstand in der Psychologie und stellen in diesem Kontext das sogenannte Empathie-Prozessmodell vor. Dieses Modell ist die Basis für das Training und soll gleichzeitig ein Verständnis für ungünstiges, empathisches Reagieren, den sogenannten empathischen Kurzschlüssen, vermitteln. Das Ziel des Trainings ist das Bewusstmachen und letztendlich die Vermeidung solcher Reaktionen im beruflichen Alltag. Um dies zu verwirklichen werden Elemente der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg vermittelt. 8.3 Empathie- Prozessmodell: Es werden vier Phasen des Empathie- Prozessmodell unterschieden. Die erste Phase ist die Wahrnehmung relevanter, emotionaler und situativer Informationen. Dies kann zum Beispiel in einer Interaktion das gesprochene Wort, die Mimik, die Gestik oder auch die Körperhaltung des Gesprächspartners sein. Die Wahrnehmung beinhaltet demnach alles, was man sieht und hört. Die zweite Phase zeigt das mentale Modell, welches eine Interpretation der Wahrnehmung unter Einbeziehung der bisherigen persönlichen Erfahrungen darstellt. Die dritte Phase entsteht zeitgleich mit dem mentalen Modell. Sie beschreibt das persönliche Erleben der Emotion, ausgelöst durch die Interpretation der wahrgenommenen Situation als abgeschwächtes inneres Abbild der Emotion des Gesprächspartners. Die vierte Phase beinhaltet die Antwort, beziehungsweise die Reaktion, die sehr unterschiedlich ausfallen kann. Eine mögliche empathische Reaktion ist das Nachfragen oder das Anbieten von Hilfe. Eine weitere Möglichkeit ist aber auch ein Ignorieren oder Verdrängen der Situation. In diesem Trainingsprogramm werden besonders die zweite, und die vierte Phase fokussiert. Die zweite Phase kann man gut steuern und reflektieren. So kann eine professionelle, empathische Antwort hilfreich und angemessen in die Situation einfließen. 8.4 Empathischer Kurzschluss: Der empathische Kurzschluss ist nach Altmann und Roth eine kommunikative Abkürzung in einer belastenden Situation. Diese Situation soll schnellst möglich beendet werden, um die eigene innere Spannung zu reduzieren. Damit wird aber eine Fortführung der Kommunikation verhindert. In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis der Selbst-Andere-Differenzierung wichtig. Es muss die Frage gestellt werden, welche die eigenen Emotionen sind und welche durch Empathie entstanden sind aber eigentlich zu der anderen Person gehören. Der empathische Kurzschluss entsteht durch den Versuch, eine unangenehme, empathisch entstandene Emotion im Inneren zu vermeiden, indem die emotionale Situation im Außen durch eine Entwertung, eine Validierung, beendet wird. Altmann und Roth vergleichen diesen Kurzschluss mit einer Fehlbelastung bei körperlicher Arbeit. Sie führt auf Dauer zu Unzufriedenheit und Enttäuschung des Therapeuten und des Patienten. Hinzu kommt die Unterschätzung der Tragweite einer existentiellen Bedrohung durch den Therapeuten in Form von 'das wird schon wieder' oder 'das bekommen Sie schon hin'. Diese Äußerungen bagatellisieren und verleumden die subjektiv empfundene Bedrohung durch die Erkrankung. Das kann bei Patienten zu Schuldgefühlen führen und stört die therapeutische Beziehung erheblich. Das Ziel des Trainingskonzeptes ist, den empathischen Kurzschluss und dessen langfristige Folgen zu vermeiden. Daraus ergeben sich zwei Ziele: Die Reflektion des eigenen Handelns und die Vermittlung von alternativen Verhaltensweisen. 8.5 Die präventive Kraft der Gewaltfreien Kommunikation: Eine nähere Einführung zum Thema 'gewaltfreie Kommunikation' gibt das schon erwähnte Standardwerk von Marshall B. Rosenberg: 'Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens' von 2010. Auch hier lassen sich wieder vier Schritte als konkrete Anweisung beschreiben. Der erste Schritt ist die Beschreibung einer wahrgenommenen Situation. Der zweite Schritt ist die Äußerung der Gefühle, welche in dieser Situation aktiv sind. Der dritte Schritt ist die Formulierung des nicht erfüllten Bedürfnisses. Der letzte Schritt beinhaltet die konkrete Bitte, wie das Bedürfnis erfüllt werden kann. Zu jedem Schritt gibt es einen sogenannten Gegenpol, er zeigt auf was jeweils nicht ausgedrückt werden soll. Es soll erstens eine Beobachtung und keine Bewertung sein. Zweitens sollen Gefühle und keine Gedanken genannt werden. Es sollen auch die Bedürfnisse und keine Strategien formuliert werden. Der letzte Schritt ist die Formulierung einer Bitte ohne Forderungscharakter.
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