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E-Book

Clown Grimaldi

Vollständige Ausgabe

AutorCharles Dickens
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl261 Seiten
ISBN9783849609733
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Joseph Grimaldi (geboren 18. Dezember 1778 in London; gestorben 31. Mai 1837 ebenda) war der Erfinder des modernen Clowns. Grimaldis in zwei Bänden erschienene Memoiren (1838) wurden von Charles Dickens herausgegeben. Sie sind ein ergiebiges Dokument für die Geschichte der populären Bühnen in London. (aus wikipedia.de)

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Leseprobe

Fünftes Kapitel.


 


Ein wunderliches Vorkommnis. – Ein lakonisches Schreiben. – Zwei wichtige Auftritte mit Mr. Hughesund, ein spaßhafter Auftritt mit einem neidischen Freunde. – Zurüstungen zu Grimaldis Verheiratung. – Erschöpfung nach den Strapazen mit einer neuen Rolle.

 

Es war heller Tag geworden. Die Sonne ergoß ein mildes Licht über die stillen Straßen, in denen man nur Leute erblickte, die zu Wasser oder zu Lande gekommen waren. Obwohl Grimaldi von Kindesbeinen an in London gelebt hatte, war ihm doch weit weniger davon bekannt als vielen Nichtlondonern, die die Hauptstadt nur einige Male besucht haben. So hatte er den Stadtteil, wo er sich jetzt befand, samt dem Tower, noch nie gesehen.

 

Seine Aufmerksamkeit wurde, da ihm alles neu war, durch tausenderlei Dinge fortwährend und aufs angenehmste beschäftigt.

 

Da fiel sein Auge plötzlich auf einen am Boden liegenden Gegenstand. Er stieß mit dem Fuße daran, und es klimperte. Da bückte er sich und erkannte nun in dem von Schmutz bedeckten Gegenstande eine große, mit Goldstücken gespickt volle Netzbörse.

 

Wie gelähmt von dem Anblick, sah er fortwährend vor sich, hin, ohne daß er sich getraute, die Börse anzurühren. Endlich konnte er sich aber nicht mehr beherrschen, guckte sich nach allen Seiten um, und nahm, als er sich unbemerkt und allein sah, die Börse in die Tasche.

 

Kaum aber bückte er sich, so fiel ihm ein zweiter Gegenstand in die Augen: ein dünnes Päckchen Papier. Auch das hob er mechanisch auf, und wer vermöchte sein Erstaunen zu schildern, als er, es untersuchend, wahrnahm, daß es einzig aus Banknoten bestand?

 

Noch immer war niemand zu sehen. Nicht einmal kommen hörte man jemand. Grimaldi ging in der Straße eine ganze Stunde hin und her, faßte jeden, der an ihm vorbeiging, scharf ins Auge, so scharf, daß jeder hätte meinen müssen, er wolle um etwas fragen, wolle fragen, ob jemand etwas verloren habe...

 

Aber nein! Niemand suchte oder fragte, oder gab durch irgend ein Anzeichen Unruhe oder Ärgernis zu erkennen.

 

So kehrte er, ohne jemand zu fragen, von dem sich hätte annehmen lassen, daß er die Grimaldis Meinung nach unermeßliche Summe verloren haben könne, schließlich langsam nach dem Postamte zurück.

 

Die ganze Zeit über und noch stundenlang nachher befand er sich in einer fast unbeschreiblichen Unruhe, war es ihm doch nicht anders zu Mute, als ob er einen schrecklichen Diebstahl begangen hätte, der alle Augenblicke entdeckt und schimpflich bestraft werden würde. Er zitterte dermaßen, daß er kaum gehen konnte. Das Herz hämmerte ihm förmlich, und Angstschweiß trat ihm aufs Gesicht. Je länger er über seine Lage sann, desto größer wurde seine Unruhe und seine Besorgnis. Wer würde, wenn man soviel Geld bei ihm fände, glauben wollen, daß er es gefunden hätte? Mußte es nicht all und jedem viel wahrscheinlicher vorkommen, daß er es entwendet habe? Und wenn er des Diebstahls angeklagt würde, durch welches Zeugnis könnte er sich rechtfertigen?

 

Mehr denn einmal fühlte er sich versucht, seinen Fund wegzuwerfen und auf und davon zu rennen, und nur durch die Besorgnis, daß er gesehen werden, daß er verhehlt werden könne, daß er so verwirrte Antworten geben könnte, daß man erst daraufhin die Anklage wegen Diebstahls gegen ihn erheben möchte, bestimmte ihn, diesen Einfall nicht zu verwirklichen. Nun sollte man aber meinen, es sei doch ein großes Glück, eine stattliche Summe Geldes zu finden; bei Grimaldi war dies aber keineswegs der Fall, er fühlte sich im Gegenteil kreuzunglücklich darüber und konnte all die quälenden Gedanken keine Minute los werden.

 

Nun kam er in die Gracechurch-Kirche, fand aber das Postamt noch immer geschlossen und machte sich deshalb durch die City-Road auf den Heimweg, die damals zwischen zwei, nur beim »Engel von Islington« durch ein paar Häuser unterbrochene von Obst- und Handelsgärten hindurch führte.

 

Diese Örtlichkeit erlaubte ihm seinen Schutz genauer zu beaugenscheinigen. Die Goldstücke, die die Börse enthielt, waren lauter Guineen; die Banknoten, die das Päckchen bildeten, schwankten zwischen fünf und fünfzig Pfund. Aber nach irgend einem Ausweis über Namen, Wohnort oder Persönlichkeit des Eigentümers suchte er vergebens.

 

Ein richtiger Schwindel befiel ihn. Die Hände zitterten ihm. Auf der Straße zu zählen, wäre ihm nicht möglich gewesen. Zu Hause aber zählte er seinen Fund: die Guinen beliefen sich auf 380 Stück, die Summe der Banknoten ergab 200 Pfund. In Summa hatte er also annähernd 600 Pfund gefunden.

 

Zwischen 7 und 8 Uhr kam er nach Hause, legte sich sogleich zu Bett und schlief mehrere Stunden. Als er erwachte, hatte sich über den Eigentümer der von ihm gefundenen Geldsumme noch nicht das mindeste herausgestellt. Er hätte es gar gern sein eigen genannt: aber es sich ungerechterweise zuzueignen, widerstrebte ihm, und darum nahm er sich vor, kein Mittel, das zur Entdeckung des Eigentümers führen könnte, unversucht zu lassen.

 

Trotz aller Erregtheit unterließ er aber nicht, den Rat zu befolgen, den ihm Mariechen gegeben, und noch einmal an den Papa zu schreiben.

 

Darauf überlegte er sorgsam, wie er sich am besten betreffs seines Fundes verhalte, und ging abends zu einem alten guten Freunde seines Vaters, der immer auf ihn viel gehalten hatte, und von dem er wußte, daß er ihm nur zum guten und rechten raten würde. Mit diesem Manne hatte er eine lange Unterredung, er machte geltend, daß ihm viel daran gelegen sei, das Geld im eigenen Nutzen zu verwenden, der alte Herr untersagte es ihm jedoch rundweg und mit so schlagenden Gründen, daß er sich seinem Urteil unterwarf und demgemäß handelte.

 

Acht Tage lang vigilierten nun beide in allen Londoner Blättern unter den Verlustanzeigen, ob sich eine Person nach dem Funde erkundige, aber sie fanden nirgendswo etwas. Nun erließen sie selbst eine diesbezügliche Anzeige unter der Gruppe Gefundene Gegenstände, mit genauer Angabe der Einzelheiten wo und wann die Geldsumme gefunden worden, wo und wie dieselbe abzuholen sei, u. s. w., aber es meldete sich niemand, und Grimaldi hat bis zu seiner letzten Lebensstunde nicht die geringste Spur von der Person entdecken können, die das auf so eigentümliche Weise in seinen Besitz gelangte Geld verloren hatte. Sein Großvater mütterlicherseits hatte übrigens einen halbwegs ähnlichen Fall erlebt. Es war seine Gewohnheit, am Donnerstag früh den Leadenhall-Markt zu besuchen, und zwar in der Regel mit ziemlich viel Geld im Beutel, da er dort alles einzukaufen pflegte, was er im Laufe der Woche brauchte.

 

So hatte er einmal 400 Pfund meist in Gold und Silber bei sich. Unweit von der königlichen Börse bemerkte er, daß ihm eine seiner Schuhschnallen aufgegangen war. Da ihm der schwere Geldbeutel beim Bücken hinderlich war, – er war nämlich ein gar wohlbeleibter Herr – zog er ihn aus der Tasche, setzte ihn auf einen Balken, zog die Schnalle fest, ging weiter, dachte aber mit keinem Atem mehr an seinen Beutel. Erst als er die Einkäufe bezahlen wollte, die er auf dem Markte gemacht, fiel ihm ein, wo er ihn hatte stehen lassen. Wie ein Sturmwind sauste er wieder an die Stelle zurück, wo er sich die Schuhschnalle festgemacht hatte, fand auch richtig den Balken wieder – und richtig auch noch den Beutel! Auf offner Straße! – Seitdem hat er aber nichts mehr stehen lassen, so alt er geworden ist.

 

Vier angstvolle Tage folgten nun, und vier angstvollere Wochen waren bereits vergangen, denn sechshundert Pfund und eine junge Frau standen auf dem Spiele. Da endlich – am fünften Tage – kam ein Brief von Mr. Hughes, die langersehnte Antwort!... Aber was stand in dem Briefe? Einen kürzeren mochte der Postbote wohl seit langem, oder überhaupt noch nicht ausgetragen haben, denn weiter nichts stand drin als die Worte:

 

»Lieber Grimaldi, Sie werden mich in einigen Tagen sehen.

 

Ihr ergebener

 

R. Hughes.

 

Also weder günstig, noch ungünstig! Man konnte aus der einzigen Zeile lesen, was man wollte. Aber es war wenigstens kein direkter Korb! Und als eine Beleidigung persönlicher Natur hatte Mr. Hughes Grimaldis Ansuchen nicht aufgefaßt. Das war immerhin ein Vorteil, wenn auch noch kein großer... Mr. Hughes schien also mit sich reden lassen zu wollen. Zu diesem Schlüsse gelangte Joe nach vielem Überlegen, und durch Mariechens Wiederkunft wurde er auch nicht trübseliger gestimmt.

 

Aber auf ihres Papas Schreiben schien sie nicht viel geben zu wollen, denn sie las es kaum durch, als Joe es ihr zeigte, sagte vielmehr, als er sich darüber wunderte:

 

»Ja, Sepp, wenn ich dir die Wahrheit sagen soll, so ist Papa schon wieder zu Hause. Gestern habe ich ihn zum ersten Male wiedergesehen und er sagte mir bei der Gelegenheit, ich solle dir sagen, daß er dich am Montag früh in seiner Stube erwarte.«

 

Grimaldi schnitt ein Gesicht, wie ein Gerber, dem alle Felle weggeschwommen sind.

 

»Aber sei doch nicht töricht,« tröstete ihn Mariechen »ich sollte meinen, du könntest eher recht vergnügt dreinschauen.«

 

Aber Grimaldi wußte nicht, ob er hoffen oder fürchten müsse, und so brauchte es Zeit und...

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