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E-Book

Coaching und Beratung in der Praxis

Ein neurowissenschaftlich fundiertes Integrationsmodell

AutorAlica Ryba, Gerhard Roth
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl521 Seiten
ISBN9783608110951
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Wie kann ich meine Klienten dabei unterstützen sich dauerhaft zu verändern? Welche Methoden sind aus neurobiologischer Sicht wirksam? Wie kann integrative Beratung gelingen? Mit diesen grundlegenden Fragen beschäftigen sich die Autoren dieses praxisorientierten Werkes. Führende Experten aus den Bereichen Coaching und Psychotherapie stellen ihre aus neurobiologischer Sicht wirksamen Methoden vor. Dieses Buch versteht sich als praxisorientierte Fortsetzung des erfolgreichen Grundlagenwerks »Coaching, Beratung und Gehirn«. Die dort dargelegten theoretischen Grundlagen werden hier für die praktische Arbeit umsetzbar gemacht. Dadurch entsteht ein erstes integratives Coachingmodell, welches neurobiologische Grundlagenkenntnisse mit hohem Praxisbezug verbindet. Unter anderem erläutert das Buch folgende Punkte anschaulich: • Diagnostik in der Beratung • Beziehungsgestaltung mit dem Klienten • Coachingansätze und ihre Wirkungsweisen • Wirksamkeit und Wirkfaktoren von Coaching • Integratives Beratungsmodell • Zahlreiche Tools, Übungen und Fallbeispiele

Alica Ryba ist Dipl. Kauffrau mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie und wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Roth. Als Inhaberin von ARYBA Coaching in Hamburg führt sie Coachings durch und leitet Personal- und Organisationsentwicklungsprojekte. Hier geht es zur Homepage von ARYBA Coaching.

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Leseprobe

Einleitung


Coaching erlebt seit Jahren einen weltweiten Aufschwung und ist aus vielen Bereichen unseres beruflichen und privaten Lebens nicht mehr wegzudenken. Seit 2002 hat in Deutschland eine Phase vertiefter Professionalisierung eingesetzt, um dem Container-Begriff des Coaching ein seriöses Fundament zu geben (Böning, 2005). Im Rahmen der diesbezüglich geführten Debatte kommt der Wirksamkeitsforschung eine wichtige Rolle zu. Nach Auswertung von vier Metaanalysen kommen Kotte et al. (2016) zu dem Schluss: »Coaching insgesamt wirkt, aber es wirkt nicht immer.«

Die meisten Coaches gehen eklektisch vor und kombinieren verschiedene Methoden aus unterschiedlichen Psychotherapieschulen. Ziel dabei ist, die Wirksamkeit und Effizienz ihrer Intervention zu erhöhen, indem der Klient ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Beratungsangebot erhält. Dies wird von ihnen als ein erfolgsorientiertes und flexibles Vorgehen betrachtet. Der Eklektizismus wird jedoch häufig als ein konzeptloses Herausnehmen und Vermischen unterschiedlicher Techniken kritisiert, dem weder ein theoretischer Hintergrund noch ein Menschenbild zugrunde liegt.

So erscheinen dem nüchternen Betrachter viele Coaching-Angebote weder konzeptbasiert noch empirisch überprüft. Manche Angebote können zwar durchaus Wirksamkeit vorweisen, besitzen aber kein wissenschaftlich fundiertes Konzept einschließlich eines Erklärungsmodells für den Erfolg ihrer Interventionen. Wünschenswert ist beides – eine wissenschaftliche Fundierung und ein Wirkungsnachweis, der internationalen Standards genügt.

Vor diesem Hintergrund haben wir, Alica Ryba und Gerhard Roth, im Jahr 2016 unser Buch »Coaching, Beratung und Gehirn – Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte« vorgelegt, in dem wir nach Analyse gängiger Coaching- und Psychotherapiekonzepte die Grundlagen eines integrativen und wissenschaftlich fundierten Coaching zu umreißen versuchten (vgl. Kapitel 1.1 – Zusammenfassung). Im Zentrum standen dabei unser »Vier-Ebenen-Modell« von Gehirn und Psyche und das Modell der sechs psychoneuralen Grundsysteme, die zusammen von uns inzwischen »Transformationsmodell« genannt werden (siehe Kapitel 3.1), und die entsprechenden Schlussfolgerungen für das Coaching.

Unser Buch hat in den zwei Jahren nach seinem Erscheinen eine sehr günstige Aufnahme erfahren, aber es besteht die Notwendigkeit einer weiteren positiv-kritischen Diskussion. Wir sehen die für wirksames Coaching zentrale Herausforderung darin, eine effektive Integration der verschiedenen Interventionen auf Basis einer kohärenten Theorie zu entwickeln. Hierfür bieten sich neurowissenschaftliche Erkenntnisse hervorragend an.

Ein solcher integrativer Ansatz wird nicht nur im Coaching, sondern auch in der Psychotherapie in Überwindung »schulischen« Denkens seit längerem gefordert, z.B. von Klaus Grawe (2004), ist aber nur mit erheblichem kritischen Aufwand zu erreichen. Eine wissenschaftliche Fundierung besteht in einem konsistenten Erklärungsmodell für die Ursachen und Gründe der Probleme, die durch Coachingmaßnahmen behoben werden sollen, sowie für die genauen Wirkungsweisen der Maßnahmen. Grundaussage unseres Buches war und ist, dass Coaching-Maßnahmen einen hohen Grad an Passung hinsichtlich der Persönlichkeit des Klienten, der Art und Stärke seiner Defizite sowie seiner Ressourcen und deren Vorgeschichte haben müssen. Kurz gesagt: Vieles wirkt, aber nicht bei jeder Person und bei allen Problemen. Coaching muss deshalb in seinen Maßnahmen stets sehr flexibel vorgehen.

Ein wichtiger Diskussionspunkt betrifft die Frage, wie Coaching sich von Psychotherapie unterscheidet. Manche Coaches vertreten die Auffassung, Coaching sei etwas für Gesunde und ziele vornehmlich auf berufliche Probleme und Tätigkeiten ab. Psychotherapie habe hingegen mit Belastungen und Störungen von Persönlichkeit und Psyche zu tun. Eine solche scharfe Abgrenzung nach Gesundheit und Krankheit trifft jedoch auf zahlreiche begriffliche und praktische Schwierigkeiten. De facto zeigt sich, dass es einen großen Überschneidungsbereich der beiden Beratungsverfahren gibt. Thematisch rücken im Coaching die Wechselwirkungen zwischen Personen und ihrer Professions- und Organisationswelt in den Fokus. Genau dies macht den besonderen Mehrwert dieses Beratungsformates aus. Rein geschäftliche Themen werden in diesem Rahmen somit selten bearbeitet, ebenso wenig wie schwere psychische Störungen. Aber das große Kontinuum der arbeitsbezogenen Probleme zwischen diesen beiden Polen ist Thema des Coaching. Die Persönlichkeit des Klienten spielt dabei eine große Rolle, auch wenn andere Faktoren auf individueller, Team- und Organisationsebene relevant sein können.

In Unternehmen und Verwaltungen haben scheinbar rein organisatorische Probleme nahezu immer auch mit Personen und Persönlichkeiten zu tun, mit den Einstellungen, Verhaltensweisen und Motiven der Vorgesetzten sowie Mitarbeitern. Jede soziale Interaktion und Kommunikation wird bestimmt von der Persönlichkeit der Beteiligten. Selbst beim Wunsch einer Leistungssteigerung kommt der Coach nicht umhin, sich mit der Persönlichkeit, der Befindlichkeit und Motivationslage des Klienten hinreichend zu befassen. Natürlich kann die Persönlichkeit im Coaching stärker oder weniger deutlich im Vordergrund stehen, aber ganz ohne ihre Berücksichtigung kommt kein Coaching aus.

Es ist deshalb für ein fundiertes Coaching-Konzept erforderlich, hinreichend Kenntnisse darüber zu haben, wie sich Persönlichkeiten in ihrer Vielfalt entwickeln, von welchen wichtigen Faktoren dies abhängt und wie und in welchem Maße man die Persönlichkeit eines Menschen als Privatperson und als beruflichen Partner ändern kann.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich Neurowissenschaftler bemüht, in enger Zusammenarbeit mit Persönlichkeits-, Entwicklungs- und Sozialpsychologen, Psychiatern und Psychotherapeuten die neurobiologischen Grundlagen der Entwicklung der Persönlichkeit und Psyche und damit auch die Möglichkeiten und Grenzen der Veränderbarkeit des Fühlens, Denkens und Handelns zu erkennen. Dazu liegt inzwischen eine kaum mehr überschaubare und oft schwer verständliche Fachliteratur vor, was erklärt, dass diese Erkenntnisse bisher nur wenig Eingang in das Coaching gefunden haben. Bisherige Versuche eines »Neuro-Coaching« wurden fast ausschließlich von Nicht-Neurobiologen vorgenommen und können deshalb kaum einer wissenschaftlichen Fundierung des Coaching dienen.

Ein damit zusammenhängender Diskussionspunkt ist der Rückgriff auf Erklärungsmodelle und Verfahren der Psychotherapie. Diese wurden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit in den vergangenen zwei Jahrzehnten einer rigorosen Überprüfung unterzogen. Die Wirksamkeitsstudien betreffen folgende Punkte:

(1)
Psychotherapie wirkt, allerdings weniger, als jeweils angegeben. Über alles hinweg wirken psychotherapeutische Maßnahmen bei einem Drittel der Patienten gut und langfristig, bei einem weiteren Drittel nur mäßig bzw. nicht langfristig, und beim letzten Drittel überhaupt nicht. Dies ist im Übrigen bei der Pharmakotherapie genauso.
(2)
Zwischen den unterschiedlichen Richtungen gibt es über alles hinweg keinerlei Wirksamkeitsunterschiede, d.h. je nach Patient, Störung und Lebensumständen ist das eine Verfahren im Vergleich zu anderen wirksamer oder weniger wirksam bis unwirksam.
(3)
Psychotherapeutische Verfahren müssen auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen, nämlich auf der Ebene des subjektiven Erlebens, des Verhaltens und der Körperbefindlichkeit.
(4)
Ein wichtiger Wirkungsfaktor – und oft der wichtigste – ist das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut, »therapeutische Allianz« genannt. In diesem Zusammenhang ist anstelle von rein kognitiven und rein gesprächsorientierten Verfahren die Ausrichtung auf Emotionen, Bindung und Empathie zentral.

Für das Coaching sind diese Erkenntnisse sehr bedeutsam, denn sie stellen ein starkes Plädoyer dar für ein integratives und individualisiertes Vorgehen auf den unterschiedlichen Ebenen, auf denen sich die Defizite und Störungen manifestieren (Erleben, Verhalten, Körper). Wir haben den Eindruck, dass das vorliegende Buch einen wichtigen Schritt in diese Richtung...

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