1.1 Was ist ein Projekt?
„Es ist ein Projekt, wenn man von einer Sitzung zur anderen rennt ...“ So charakterisieren nicht selten an Projekten beteiligte Mitarbeiter ihre Erfahrung über den Arbeitsablauf. „Und zur eigentlichen Arbeit kommt man kaum mehr“, wird als Konsequenz aus der „Projektitis“ beklagt.
Trotzdem werden immer wieder Projektaufträge formuliert, Projektleiter bestellt und Projekte irgendwie zu ihrem Abschluss gebracht. Das liegt wohl daran, dass man in der praktischen Arbeit erkannt hat, dass sich bestimmte Probleme innerhalb der arbeitsteiligen Aufbauorganisation kaum mehr lösen lassen.
Abb. 1.1: Zwei Arten von Aufgaben: Routine und Projekt
Pyramide
In der Pyramide als Symbol einer Organisation sind zwei Arten von Aufgaben dargestellt (Abb. 1.1). Die vertikalen Linien teilen die Aufgaben nach Funktionen oder Sparten, die horizontalen nach Hierarchieebenen. In dieses Bild lassen sich die Definitionen von Lehrbüchern und Richtlinien der Praxis hineindenken.
Gitter
Das Gitter bedeutet die Fassbarkeit, die Möglichkeit der Ordnung von Routineaufgaben in Funktionsbeschreibungen, die auf längere Sicht ihre Gültigkeit behalten. Routine ist hier nicht im Sinne von monoton, einfach, geringwertig gemeint, sondern im Sinne von Wiederholung. Das französische Wort route passt hier ganz gut: Die Route, die Straße, das, was laufen muss und damit auch der Automatisierung bzw. Computerisierung besonders zugänglich ist. Alle Funktionsbeschreibungen zusammen müssten die Aufgaben zur Erfüllung des Unternehmenszweckes abdecken.
Qualle
Die Aufgabenart „Qualle“ wird aber gerade bei guter Organisation der Routineaufgaben immer häufiger identifiziert: Sie fließt über Ressortgrenzen und hierarchische Ebenen. Daraus wird in der Praxis ein Projekt. Qualle ist das Merkwort für ein unstrukturiertes Problem, von dem am Anfang nur die Konturen erkennbar sind.
Angesichts dessen, dass nur die Umrisse erkennbar sind, geht es umso mehr darum, den Blick nach vorne zu lenken, das Denken in die Zukunft zu richten. Größere Klarheit erreichen wir erst, wenn wir uns in so ein Problem hineindenken – das auf uns zukommt oder auf uns zuzukommen scheint, denn bei genauem Hinsehen, gemeint ist Hindenken, stellt sich manchmal heraus, dass das vermeintliche Problem gar keines ist. Wir lassen es auf uns zukommen und merken dann, dass sich das Problem in Luft auflöst. Darauf können wir uns aber nicht verlassen. Wenn es nämlich dann doch eines ist, bekommen wir Schwierigkeiten, weil die Zeit zur Erarbeitung einer Lösung sehr knapp ist. Ad-hoc-Entscheidungen entpuppen sich dann auch schnell als Abschlagen eines Kopfes der Hydra, aus deren Wunde zwei oder mehrere Köpfe, d. h. Probleme, nachwachsen. Das führt dazu, dass wir vor lauter Kopfabschlagen, also Tagesproblemelösen in der Art von Feuerwehreinsätzen, für die Gestaltung der Zukunft kaum mehr Zeit haben. In der griechischen Mythologie hat es Herakles geschafft, die Hydra zu besiegen. Aber er war schließlich ein Halbgott.
In Abb. 1.1 sind einige wichtige Merkmale für Routineaufgaben und Projekte angeführt. Das wohl typischste Merkmal für ein Projekt ist, dass eine praktikable Lösung nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Funktionsbereiche, also fachübergreifend oder interdisziplinär, erreicht werden kann. Das Projekt, dargestellt als Qualle in der Organisationspyramide, macht deutlich, was mit fach- und hierarchieübergreifend gemeint ist. Das Bild macht auch deutlich, dass die Qualle in die Organisation eingebettet ist und von den im Unternehmen vorhandenen Funktionen und Fähigkeiten abgedeckt wird.
In der praktischen Arbeit im Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung wird die Bezeichnung „Projekt“ oft inflationär verwendet. Man hört, liest und spricht von Entwicklungsprojekten, EDV- bzw. IT-Projekten, Beteiligungsprojekten, Organisationsprojekten, Weiterbildungsprojekten. In einer Seminarreihe über Projektplanung und -steuerung bei einem Automobilhersteller ging es auch immer wieder um die Frage „Was ist bei uns überhaupt ein Projekt?“.
Merkmale
An Merkmalen wurden genannt: Außerhalb des normalen Rahmens, einmalig oder zumindest neuartig, zeitlich begrenzt, betrifft Fachleute verschiedener Abteilungen, Bereiche, Ressorts. Alle eingeführten, permanent ablaufenden Vorgänge seien jedenfalls kein Projekt.
Wir möchten die Kriterien um eines erweitern, den Komplexitätsgrad. Wenn z. B. in einer kleinen Firma ein Auftrag erteilt wird, neue Abteilungsbezeichnungen und Türschilder in allen Büros anzubringen, würden wir es noch nicht als Projekt bezeichnen, auch wenn oben genannte Kriterien zutreffen. Das Anwenden von Projektmanagementmethoden und der Aufbau eines Projektberichtswesens wären viel zu viel bürokratischer Aufwand für die Tätigkeiten, die es zu erledigen gilt. Der gleiche Auftrag für einen internationalen Konzern würde ohne Projektplanung und Koordination jedoch schwerlich erfolgreich abzuwickeln sein.
Damit nicht jede größere Maßnahme zu einem Projekt wird empfehlen wir, dass jede Firma oder Geschäftseinheit für sich selbst definiert, ab welchem Komplexitätsgrad (Anzahl involvierter Mitarbeiter/Abteilungen, Aufwand etc.) von einem Projekt gesprochen wird.
Woher kommen die Projekte?
„Vom Kunden!“, wird die Antwort aus einem Unternehmen mit Einzelauftragsfertigung oder einer Engineeringfirma lauten. Das ist das operative, das laufende Geschäft eines solchen Unternehmens. Aber wie ist das mit dem Entwicklungsprojekt eines Automobilunternehmens, dem Informationstechnologieprojekt einer Handelsfirma, dem Beteiligungsprojekt einer Versicherung, dem Globalisierungsprojekt einer Bank, dem Internetprojekt eines Computerherstellers? Die Idee für solche Projekte kann von überall her im Unternehmen kommen. Projektideen mit mehr oder weniger klaren Umrissen sind oft auch Input für die strategische Planungskonferenz. Zuständig für die Entscheidungen in der strategischen Planung ist in jedem Unternehmen das oberste Führungsgremium bzw. der Inhaber.
Wichtig ist, dass Aufträge und Projekte nicht einfach auf die Routineaufgaben draufgepackt werden. Das führt zur Überlastung der Mitarbeiter, die sich schließlich auf die Qualität der Ergebnisse auswirkt. Er oder sie wird sich in so einer Situation fragen: Was soll ich vernachlässigen, die laufenden Aufgaben oder die Arbeit am Projekt? Was ist spannender? Wofür gibt es mehr Anerkennung?
Schauen wir uns daher das Zusammenwirken der Projektcontrolling-Elemente im Unternehmensquerschnitt an. Die Abb. 1.2 zeigt den geschlossenen Projektcontrolling-Regelkreis, der eine Integration der Projektplanung mit der Unternehmensplanung herstellt.
Projektcontrolling-Regelkreis
Zunächst beauftragt die Geschäftsführung ihre strategischen Projekte bzw. sie delegiert die Umsetzung von Kundenprojekten. Die Projektverantwortlichen setzen eine Projektplanung – abgestimmt mit den Fachbereichen – auf.
Der Projektstrukturplan bringt Übersicht in ein Projekt und erlaubt das Herunterbrechen komplexer Projekte in arbeitsfähige Arbeitspakete, für die es einen Verantwortlichen geben muss. Für jedes Arbeitspaket werden nun Zeitaufwand, daraus resultierender Personalaufwand und notwendige Sachkosten geplant und mit einem Termin belegt. Diese Arbeitspakete sind nun Arbeitsauftrag für die Fachbereiche, die für die termingerechte und technisch (fachlich) einwandfreie Abwicklung zuständig sind. Nun gilt es, diese Arbeitspakete in die Kostenstellenplanung der Fachbereiche zu integrieren. Eine Möglichkeit ist es, die Arbeitspakete in der Leistungs- und Kostenstellen-Planung wie Kostenarten zu berücksichtigen. Die Summe aller Arbeitspakete aus Projekten und Tagesgeschäft ergibt das Fachbereichsbudget. Nach „Konsolidierung“ aller Bereichsbudgets wird geprüft, ob die Summe aller Projekte zur Summe erlaubter Kosten bzw. Summe vorhandener Ressourcen passt. Bei Abweichung wird einerseits nach Effizienzsteigerungen gesucht, andererseits mittels Projektpriorisierung im Planungsprozess so lange „geknetet“, bis die Summe der Projekte und Ressourcen bzw. Kosten zusammenpassen.
Wir haben in der Praxis noch keinen integrierten Budgetprozess gesehen, in dem die Rechnung – das Budget – nach der ersten Runde aufging. Typischerweise durchlaufen sie den Regelkreis im Uhrzeigersinn zwei bis drei Mal. Dabei sind im Speziellen die Moderationsqualitäten der Controller gefragt.
Abb. 1.2: Geschlossener Projektcontrolling-Regelkreis