„We like to think we make our decision based on careful thoughts, but most of our decisions and actions come from our unconscious. The unconscious is smart, efficient, and fast. We couldn't survive without it."
(Weinschenk 2009a:13)
Um die Flut an Information des Alltags erfassen zu können, entscheiden und handeln Menschen meist unbewusst. Diese unbewussten Entscheidungsmuster ermöglichen es, ohne ständige kognitive Überlastungen zu leben. Die Persuasionsforschung ist ein Bestandteil der Medienwirkungsforschung und beschäftigt sich im Allgemeinen mit der Frage, welche Bedingungen Einfluss auf den Kommunikationsprozess haben (z. B. Inhalt der Botschaft oder Emotionalität). Welche Erkenntnisse die Persuasionsforschung zur Entstehung und Motivation von Entscheidungen liefert und wie diese in ein persuasives Webdesign integriert werden, wird in diesem Kapitel erarbeitet.
Durch die Ausarbeitung von theoretischen Grundlagen werden Methoden abgebildet, die in einem persuasiven Webdesign vorzufinden sind. Interdisziplinäre wissenschaftliche und psychologische Erkenntnisse werden in den praktischen Kontext des E-Commerce gesetzt. Die so gebildeten Abhängigkeiten sollen die Zusammenhänge beider Disziplinen (wissenschaftlich/psychologisch und wirtschaftlich/marketingorientiert) darstellen und belegen. So wird die Ausgangsbasis für eine Theoriebildung geschaffen. Darauf aufbauend wird analysiert, welche persuasiven Designmethoden auf der jeweiligen Theorie beruhen. So kann Ursache und Wirkung begründet werden. Durch die Darstellung und Bewertung der Theoriebildung werden Lösungsansätze für die Implementierung eines persuasiven Designs dargestellt. Da das Gebiet der Persuasionsforschung zahlreiche Teilaspekte beinhaltet werden innerhalb dieser Thesis nur relevante Aspekte für die Konzeption und Gestaltung einer Website beleuchtet.
In diesem Kapitel wird eine historische Einordnung des Forschungsfeldes vorgenommen und die wichtigsten Persuasionsansätze dargestellt. Nach der theoretischen Beleuchtung der einzelnen Modelle wird die praktische Relevanz untersucht, um Strategien für ein persuasives Design entwickeln zu können. Dies wird anhand der Analyse und Auswertung von bestehenden, erfolgreichen E-Commerce Webseiten[2] gemessen. Analysiert wird, welche Elemente der dargestellten Persuasionsforschung im Webdesign integriert wurden. Um die theoretischen Erkenntnisse praktisch zu belegen und so mögliche Wirkungsweisen darzustellen, werden diese Websites zur Analyse verwendet.
Bereits Aristoteles beschäftigte sich vor über 2000 Jahren mit der Kunst der erfolgreichen Kommunikation und legte mit seiner Theorie zur Rhetorik den Grundstein für die heutige Persuasionsforschung. Er definierte dabei Rhetorik als „Fähigkeit [...], das Überzeugende, das jeder Sache innewohnt, zu erkennen" (Aristoteles 1999a:11). In dieser Aussage kann bereits das Kernelement und eine erste terminologische Annäherung an den Begriff der Persuasion hergestellt werden: es geht darum, Menschen zu überzeugen.
Definitionen zum Begriff Persuasion sind in der Fachliteratur zahlreich vorhanden. Der Begriff Persuasion entstammt dem lateinischen persuadeo und wird im Deutschen mit überzeugen und überreden übersetzt (vgl. Pons o.J.b). Zur Differenzierung dieser unterschiedlichen Übersetzungen unterscheidet der Duden:
Überzeugen: „(einen anderen) durch einleuchtende Gründe, Beweise dazu bringen, etwas als wahr, richtig, notwendig anzuerkennen" (Duden o.J.a)
Überreden: „durch [eindringliche Zu]reden dazu bringen, dass jemand etwas tut, was er ursprünglich nicht wollte" (Duden o.J.b)
Die Differenzierung der beiden Begriffe liegt vorrangig im Kriterium der argumentativen Qualität. Auch in der Dauer liegt eine mögliche Differenzierung. So stellt sich das Überzeugen als mehr linear-prozessorientiert dar, das Überreden ist punktuell auf ein Ereignis ausgerichtet (vgl. Ortak 2004:61).
Zur weiteren Eingrenzung des Begriffs der Persuasion werden relevante Definitionen aus der Fachliteratur dargestellt und erläutert.
Tabelle 4 Definitionen Persuasion
Die dargestellten Definitionen gehen alle von einem Prozess aus der das Ziel hat eine Einstellungsänderung hervorzurufen. Aufgrund dieser Übereinstimmungen und des daraus resultierenden Prüfungsverfahrens (argumentative Qualität) und des linear-prozessorientierten Auftretens (Dauer) beim Rezipient, kann folglich bei der Verwendung des Begriffs Persuasion von einem Prozess der Überzeugung ausgegangen werden. Eine wichtige Erkenntnis bietet besonders die Definition von Perloff, die impliziert, dass eine Persuasion immer auch eine SelbstÜberzeugung ist. So kann zwar die Botschaft mit stimulierenden Inhalten geschmückt oder wirksame Argumente dargestellt werden, es liegt dennoch immer an der Person selbst ob diese überzeugt wird oder nicht.
Einstellungen können in implizit und explizit unterteilt werden. Explizite Einstellungen werden bewusst erlebt und können daher wiedergegeben werden. Implizite Einstellungen stellen unbewusste Bewertungen dar (vgl. Aronson/Wison/Akert 2008:199ff).
Eine Einstellungsänderung kann weiterhin nach Wirth und Kühne (2013) in eindimensionale (sogenannte Valenzdimension, positiv oder negativ) und dreidimensionale Einstellung unterschieden werden. Die dreidimensionale Einstellung enthält dabei folgende Komponenten (vgl. Wirth/Kühne 2013a:315):
affektiv (Empfindung, Stimmung, Gefühl, Emotion)
kognitiv (Gedanken, Vorstellungen, Überzeugungen)
konativ (=verhaltensbezogen, Handlung und Handlungsabsicht)
Als eine der ersten Studien zur empirischen Forschung der Effektivität persuasiver Botschaften gilt der sogenannte Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung (Yale Attitude Change Approach) von Hovland (1951). Dabei erforschte Hovland, wie sich Einstellungen durch mediale Botschaften ändern. Der Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung stellt dabei verschiedene Determinanten dar, die einen Einfluss auf den Entscheidungsprozess und somit die Einstellung haben. Die Ergebnisse von Hovland (1951:653ff) werden im Folgenden dargestellt.
Die Effektivität einer Persuasion hängt nach dem Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung von folgenden Kriterien ab:
Merkmale der Quelle (Glaubwürdigkeit, äußere Erscheinung/Attraktivität)
Inhalt der Botschaft (effektiv wenn Persuasions-Versuch nicht erkennbar, zweiseitige Argumentation)
Merkmale des Rezipienten (intelligente, selbstbewusste Menschen schwerer zu überzeugen, Stabilisierung der Einstellung mit zunehmendem Alter)
Die Studien von Hovland legen den Grundstein für die heutige Forschung des Wirkungsprozesses einer Persuasion. Die Erkenntnisse werden in der Fachliteratur oft kritisiert, gelten teilweise als widerlegt. Trotzdem (oder gerade wegen dem Hervorrufen von weiteren Forschugnsfragen) bildeten die Erkenntnisse oft die Grundlagen für folgende empirische Untersuchungen. So wurde beispielsweise aus der Erkenntnis, dass die Merkmale des Rezipienten die Persuasion beeinflussen, das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty und Cacippo entwickelt (siehe 3.3 Rhetorik im Bezug zu Elaboration-Likelhood-Modell).
Die Theorie der Rhetorik bildet grundlegende Erkenntnisse über den Persuasionsprozess. Moderne Ansätze der Persuasionsforschung beziehen sich immer wieder auf die Wirkungsweisen der Rhetorik und belegen die Relevanz dieser Grundlagenforschung.
Um ein Verständnis für die Persuasion zu entwickeln, werden die Grundlagen der Rhetorik nach Aristoteles im folgenden Teil dargestellt. Weiterhin werden die Inhalte auf aktuelle, praxisbezogene persuasive Strategien übertragen, um so die bestehende Relevanz zu belegen.
Aristoteles erforschte, dass alle Menschen nahezu täglich Menschen überzeugen, um diese zu einem bestimmten Ziel zu bringen. Um Menschen zu einer anderen Einstellung zu bewegen, gibt er drei verschiedene Typen zur Überzeugung an:
Ethos
Pathos
Logos
Um ein Maximum an Überzeugung zu erreichen, sollten nach Aristoteles alle der genannten Typen angewandt werden. Ethos bezieht sich auf den Übermittler der Botschaft. Dieser sollte glaubwürdig und aufrichtig sein, bestenfalls besteht ein Vertrauensverhältnis. Pathos bezieht sich auf die Emotionen, die beim Zielpublikum ausgelöst werden. Logos bezieht sich auf den eigentlichen Inhalt, also was gesprochen wird und mit welchen Geschichten oder Fakten der Inhalt ausgeschmückt wird (vgl. Borg 2004a:2).
Die Überzeugungstypen Ethos, Pathos und Logos werden im Folgenden näher betrachtet und die daraus resultierenden wie...