Corporate Governance ist insbesondere nach den jüngsten spektakulären Unternehmenszusammenbrüchen und -krisen ein intensiv diskutiertes Thema sowohl in den USA als auch in Europa und Japan. Hauptziel der Corporate Governance ist es, Aktionäre und andere Anleger vor Vermögensschädigungen zu schützen, die überwiegend durch dolose Handlungen entstehen.[53] Vor allem die Trennung von Eigentum und Kontrolle in Aktiengesellschaften erfordert eine (gesetzliche) Regelung. Die Corporate Governance soll hierzu die Machtverteilung zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen des Unternehmens abgrenzen und koordinieren sowie auftretende Interessenkonflikte lösen.[54]
Der aus dem angelsächsischen Sprachraum übernommene Begriff betrifft die Führung, Verwaltung und Überwachung von (börsennotierten) Unternehmen. Es werden Verhaltensregeln gesetzt und eingehalten, nach denen ein Unternehmen geleitet werden soll.[55] Die Führung, Verwaltung und Überwachung sollte sich an den maßgeblichen Interessen der Shareholder (Anteilseigner) und der Stakeholder (alle relevanten Bezugsgruppen) orientieren. Neben dem Vorstand existieren eine Reihe weiterer Funktionsträger, die für die Umsetzung der Corporate Governance verantwortlich sind, z. B. die Interne Revision, das Controlling, der Aufsichtsrat, die Qualitätskontrolle und der Abschlussprüfer.[56]
Eine eindeutige Definition von Corporate Governance, die allen Unternehmen in verschiedenen Ländern gerecht wird, gibt es nicht, da sich unterschiedliche Gesellschaften auch in ihrer Organisationsstruktur, Zielsetzung, Größe und regionalen/globalen Aktivitäten unterscheiden. In den letzten Jahren haben sich jedoch Normen zur Corporate Governance entwickelt, in denen Anforderungen und Erwartungen an Unternehmen gestellt werden. Diese sind generell landesabhängig und müssen von den Unternehmen erfüllt werden, um den Bedürfnissen der jeweiligen Interessensgruppen zu erfüllen. Folgend sind einige wichtige Normen auf dem Gebiet der Corporate Governance:
COSO: Internal Control – Integrated Framework, USA 1994
KonTraG, Deutschland 1998
Deutscher Corporate Governance Kodex, Deutschland 2002
TransPuG, Deutschland 2002
Sarbanes-Oxley Act, USA 2002[57]
Die diversen Unternehmenszusammenbrüche und -krisen haben in den letzten Jahren weltweit zu einer großen Anzahl von generellen Kodizes geführt. Diese Corporate Governance Regelungen haben zwar keinen Gesetzescharakter, sollen aber Unternehmen zu einer mehr oder weniger freiwilligen Selbstbindung veranlassen.[58] In Deutschland führten die Krisen und Pleiten insbesondere zum Kritik des dualistischen Führungssystems (Vorstand und Aufsichtsrat) von Kapitalgesellschaften. In den maßgeblichen Industrieländern wurden bzw. werden immer noch deshalb vom Gesetzgeber neue Initiativen verlangt. Durch verschärfte Vorschriften und Anforderungen soll hierbei das Vertrauen an eine einwandfreie Unternehmensführung und zuverlässige Überwachung wiederhergestellt werden.[59] Die Diskussionen um die „richtige“ Unternehmensführung und -kontrolle wurden durch die zunehmende Globalisierung der Kapitalmärkte erweitert, da z.B. institutionelle Investoren und Analysten den Bedingungen der Unternehmensführung größere Berücksichtigung widmeten.
Die Einführung eines einheitlichen deutschen Corporate Governance Kodex beruhte allerdings nicht primär auf den genannten Kritikpunkten. Vielmehr ist die Entstehung durch die Vorgeschichte geprägt, zumal es in Deutschland beispielhaft seit 1998 schon das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) gibt.[60] Um die Jahrtausendwende war in vielen Ländern ein starker Anstieg von Kodizes, Guidelines, Principles, u. ä. zu verzeichnen. In Deutschland gab es entgegen dem weltweiten Trend keinen Kodex. Es war auch zunächst keiner geplant.
Allerdings erschienen im Jahre 2000 einige selbst ernannte Kodizes. Um der Entwicklung einer Vielzahl von Kodizes auf dem freien Markt Einhalt zu gebieten, entschied sich die deutsche Regierung für die Erarbeitung eines einheitlichen Kodex. Somit konnte gewährleistet werden, dass nicht eine Reihe verschiedener Kodizes nebeneinander existierten. Um die Corporate Governance auch von Seiten des Gesetzgebers zu verbessern wurden zwei Regierungskommissionen eingesetzt, zum einen die „Regierungskommission Corporate Governance – Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts“ und zum anderen die „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“. Den Deutschen Corporate Governance Kodex hat letztendlich die zweite Kommission entworfen, der auf die Arbeit der ersten Kommission aufbaute. Er wurde am 26. Februar 2002 verabschiedet.[61]
Der Corporate Governance Kodex hat das Ziel, den deutschen Standort für internationale und nationale Investoren attraktiver zu machen. Insbesondere werden folgende internationale Kritikpunkte an der deutschen Unternehmensverfassung aufgegriffen:
mangelnde Ausrichtung auf Aktionärsinteressen
duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat
mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung
mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte
eingeschränkte Unabhängigkeit der Abschlussprüfer[62]
im Wesentlichen durch eine Kommunikations- und Qualitätssicherungsfunktion gekennzeichnet ist. Die Kommunikationsfunktion besagt, dass das deutsche Corporate Governance Modell in Grundzügen dargestellt werden soll. Diese sind vor allem für das Verständnis ausländischer Investoren notwendig, da die institutionelle Trennung von Leitung (Vorstand) und Überwachung (Aufsichtsrat) erheblich von dem amerikanischen Modell abweicht.[63] Als Vertreter der Anteilseigner und unter Berücksichtigung der Unternehmensinteressen hat der Aufsichtsrat den Vorstand zu überwachen.[64] Zudem sind die Vorschriften des Governance nicht einheitlich zusammengefasst, sondern über viele Gesetze verstreut, so dass eine übersichtliche Darstellung sicherlich zur Erhöhung der Transparenz beiträgt.
Die Qualitätssicherungsfunktion drückt aus, dass durch die Aufnahme bewährter Best Practices aus diversen Ländern in den Kodex Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung gesetzt werden sollen. Zu den Standards zählt z.B. die Empfehlung, einen mehrköpfigen Vorstand zu bilden. Somit wird eine Verbesserung der Qualität der Corporate Governance deutscher Unternehmen angestrebt. Auch die Wahl der Form eines Kodex führt dazu, dass im Vergleich zu gesetzlichen Normen flexiblere Anpassungen bei Weiterentwicklungen möglich sind.[65]
Die folgende Abbildung zeigt einen Überblick über die Funktionen des Corporate Governance bzw. deren Funktionsträger, die für die Umsetzung verantwortlich sind und sich an den maßgeblichen Interessen und Wünsche der Shareholder und Stakeholder orientieren.
Abb. 5: Corporate Governance[66]
Der Kodex richtet sich hauptsächlich an deutsche börsennotierte Aktiengesellschaften. Es erfolgt aber auch die Empfehlung an nicht börsennotierte Aktiengesellschaften, die die Regelungen durch Satzung, Geschäftsordnung o. ä. anwenden. Gerade für Unternehmen die einen Börsengang bedenken, sollte die Anwendung im Vorfeld erfolgen. Hinsichtlich der Verbindlichkeit des Kodexes muss jedes Unternehmen jährlich im Geschäftsbericht eine sog. Entsprechenserklärung abgeben. Darin muss offen gelegt werden, welche Regelungen übernommen wurden bzw. bei Nichtanwendung müssen u. U. die Gründe hierfür angegeben werden.[67]
Der Kodex beinhaltet 72 Empfehlungen und 19 Anregungen.[68] Empfehlungen werden gekennzeichnet durch das Wort „soll“. Von ihnen können Unternehmen abweichen. Sie unterliegen dann dem „Comply or Explain“-Prinzip, d.h. sie müssen erklären ob und warum Abweichungen erfolgt sind. Ein Beispiel ist die Empfehlung, dass der Aufsichtsrat sich eine Geschäftsordnung geben soll. Anregungen werden gekennzeichnet durch „sollte“ oder „kann“. Sie sind nach Ansicht der Regierungskommission Ausdruck guter Unternehmensführung. In der Praxis haben sie sich aber noch nicht durchgesetzt. Anregungen haben eine geringere Bedeutung und müssen deshalb bei Abweichung nicht begründet werden. Ein Beispiel für eine Anregung ist, dass der Aufsichtsrat weitere Sachthemen zur Behandlung in einen...