Die experimentelle Bestimmung von Gefrierkurven wurde mit einer eigens dafür konstruierten Apparatur durchgeführt. Das verwendete System ist in Abbildung 17 dargestellt.
Abbildung 17: Messzelle zur Bestimmung des Gefrierpunktes von Salz-Wasser-Mischungen.
Die Probe wird dazu in einen aus Polycarbonat bestehenden Probenbehälter eingefüllt. Zur homogenen Temperaturverteilung wird die Lösung mittels eines Magnetrührers kontinuierlich durchmischt. Die Temperaturregistrierung erfolgt über ein NiCr-Ni-Thermoelement, welches zur Korrosionsvermeidung mit Teflon ummantelt wurde. Mehrere zur Verfügung stehende Thermoelemente wurden vor den Messungen mit einem geeichten Thermoelement kalibriert. Die Kalibrierkurven der beiden verwendeten Thermoelemente sind im Anhang A ersichtlich. Der Probenbehälter wird mit einem Harnstoff-Formaldehydharz-Schaum isoliert, welcher von einer dünnen Polystyrolschicht umgeben ist. Dieser wird in einen größeren Behälter gestellt, welcher flüssigen Stickstoff enthält. Der Stickstoff kann über ein kleines, mit einem Stopfen verschlossenes, Loch im Deckel nachgefüllt werden. Mit dieser Messanordnung sind Abkühlgeschwindigkeiten von 1,6 – 2 K∙min-1 (Mittelwert aller durchgeführten Messungen) erreichbar. Die Probe kann auch direkt gekühlt werden, indem die innere Probenisolation weggelassen wird. Die Schmelzkurven erhält man durch einfache Exposition der Probe bei Raumtemperatur, wobei dies mit und ohne innere Isolierung durchgeführt werden kann. Ein Beispiel für eine aufgenommene Messkurve mit langsamen Abkühlen und Aufheizen sowie die zugehörige Auswertung der thermischen Effekte ist in Abbildung 18 aufgeführt. Dabei kann zwischen der Abkühlkurve mit beginnender Eis-Kristallisation und der Auftaukurve mit eutektischer Temperatur und der Temperatur, bei welcher sich das letzte Eis auflöst, sehr gut unterschieden werden. Durch Mehrfachmessungen konnte der Fehler für eine Temperaturbestimmung mit "0,2 K ermittelt werden.
Abbildung 18: Messkurve und Auswertung für eine thermische Analyse (System NaClO4 – H2O (20 Masse%)[291]).
Die Digitalisierung der Temperatur-Zeit-Kurven erfolgt mit einem RedLab TC Modul von Meilhaus Electronics und dem Programm TracerDAQ[292]. Mit diesem Modul ist es möglich acht Proben simultan zu untersuchen. Dabei kommt für die Thermoelemente eine Kaltstellen-Kompensation durch einen eingebauten Umgebungstemperatursensor innerhalb des Modules zum Einsatz. Die Auswertung der aufgenommenen Kurven erfolgt mit dem Onset Tool von Origin 8 ProG[293]. Alle gemessenen Kurven sind unkalibriert (Rohdaten) im digitalen Anhang (CD) dieser Arbeit enthalten.
Die Proben wurden zur Überprüfung des Gehaltes nasschemisch analysiert (Kapitel 8.5) und zusätzlich in verschiedenen Temperiereinrichtungen (Abschnitt 4.1) isotherm gelagert. Die dabei entstehenden Hydrate wurden mittels Röntgen-Einkristallstrukturanalyse (siehe Kapitel 4.2) untersucht. Die überstehenden Lösungen wurden teilweise nasschemisch analysiert (Kapitel 8.5), um isotherme Werte für die Phasendiagramme zu erhalten. Bei der nasschemischen Analyse wurde jeweils ein Ion bestimmt und dadurch die Konzentration des Salzes in der Lösung berechnet. Die Ermittlung der eutektischen Zusammensetzung erfolgte ebenso nasschemisch, indem Temperaturen knapp oberhalb der eutektischen Temperaturen mittels Kryostaten eingestellt und die flüssigen Phasen analysiert wurden. Die erhaltenen Gehalte sind in den Tabellen im Anhang zu den jeweiligen Systemen enthalten. Die verwendeten Geräte zur Temperierung der Proben werden in Kapitel 4.1 näher beschrieben. Die Gleichgewichte und auch die entsprechenden Bodenkörper wurden dabei nach einer bzw. vier Wochen überprüft.
Dieses System wurde in der Literatur[43, 51, 174, 176, 294-297] bereits mehrfach untersucht. Die Eiskurve des Systems wurde von Jones[43, 51] untersucht, wobei im Vergleich seiner beiden Veröffentlichungen geringe Abweichungen auftreten. Malquori[176, 294] untersuchte die Eis- und die Hydratkurve bis hin zu tiefen Temperaturen und fand als feste Phase ausschließlich AlCl3 ∙ 6 H2O vor. Er führte thermische Analysen bis zu Konzentrationen von 30 Masse% durch und gab auf der Hydratseite oberhalb von 0 °C isotherme Punkte an. Ein eutektischer Punkt wird jedoch nicht explizit genannt. Es existieren in der Literatur weitere isotherm bestimmte Punkte oberhalb vom 0 °C auf der Hydratkurve[174, 295-297], wobei dort bei allen Veröffentlichungen ebenfalls AlCl3 ∙ 6 H2O als stabile Phase angegeben wird. Aus dem falsch gekrümmten Kurvenverlauf der Messwerte von Malquori[176, 294] im Bereich des Salzhydrats unterhalb von 0 °C kann jedoch angenommen werden, dass es sich hierbei nicht um das Hexahydrat des Aluminiumchlorids handelt, sondern hier ein höheres Hydrat vorliegt.
Abbildung 19: Phasendiagramm des Systems AlCl3 – H2O mit eigenen Daten (schwarz) und Literaturdaten (rot[43, 51], blau[176, 294], grün[296], orange [297] und lila[295]); Verbindungslinien und die peritektische Linie wurden per Hand eingezeichnet.
Die Ergebnisse der thermischen Analyse dieser Arbeit bestätigen den von Malquori[176, 294] angegeben Verlauf ab einer Temperatur von -25 °C und stimmen auch mit allen angegebenen isothermen Messwerten anderer Autoren überein (Abbildung 19). Eine detaillierte Auflistung der experimentell bestimmten Daten dieser Arbeit ist in Tabelle B 1 einzusehen. Unterhalb der Temperatur von -25 °C knickt die hier erhaltene Kurve ab und flacht ab. Es konnte gezeigt werden, dass unterhalb einer Temperatur von ca. -15 °C ein Pentedecahydrat die Gleichgewichtsphase in diesem System darstellt und das angegebene Hexahydrat nur metastabil vorliegen kann. Die Bestätigung dieser Aussage gelang durch gezielte Kristallisation und Selektion von Einkristallen für die Strukturanalyse. Die Kristallstruktur des neu erhaltenen Pentadecahydrats wird in Abschnitt 4.3.1 weiter beschrieben. Entsprechend ergibt sich damit auch eine höhere eutektische Temperatur von -51,6 " 0,3 °C. Über eine isotherme Lagerung der Proben AlCl3-4 und 5 bei einer Temperatur von -50 °C für zwei Wochen und anschließende nasschemische Analyse des Cl--Gehaltes (Kapitel 8.5.10) wurde eine eutektische Zusammensetzung zu 23,1 Masse% ermittelt. Oberhalb von -15 °C bildet sich wie von Malquori[176, 294] beschrieben das Hexahydrat als Gleichgewichtsphase. Dies wurde ebenfalls durch eine gezielte Kristallisation und Selektion von Einkristallen bestätigt. Die entsprechende Kristallstruktur dazu ist in der Literatur[298] bereits bekannt, sodass hier nur die Gitterparameter nochmals bestimmt wurden. Die peritektische Temperatur dazu kann nur genähert angegeben werden, da keine auswertbaren thermischen Effekte für in diesem Temperaturbereich erhalten werden konnten.
Für dieses System lagen in der Literatur nur Daten für die Liquiduskurven auf der Eis-Seite von Biltz[61] durch thermische Analyse vor. Zur Beschreibung des Kurvenverlaufes auf der Salzhydratseite existieren keinerlei Daten. Panfilow[299] beschreibt lediglich die Präparation von zwei Hydraten und gibt die Zusammensetzung nach einer nasschemischen Analyse mit AlBr3 ∙ 6 H2O und AlBr3 ∙ 15 H2O an. Er gibt ebenfalls einen inkongruenten Schmelzpunkt von -7 °C des Pentadecahydrats an. Im Rahmen dieser Arbeit wurde das Phasendiagramm dieses binären Systems erstmals bis zu einer Temperatur von 15 °C bestimmt (Abbildung 20 und Daten in Tabelle B 2). Die Ergebnisse zeigen einen etwas steileren Abfall als dies durch Biltz[61] beschrieben wurde. Durch gezielte Kristallisation und Selektion von Einkristallen konnte bei Temperaturen unterhalb einer ermittelten peritektischen Temperatur von -7,1 °C das von Panfilow[299] beschriebene Pentadecahydrat als Gleichgewichtsphase erhalten werden. Die entsprechende Kristallstruktur wird in Abschnitt 4.3.2 näher beschrieben. Der angegebene Schmelzpunkt stimmt ebenfalls mit der erhaltenen peritektischen Temperatur überein. Bei höheren Temperaturen konnte durch die Selektion von Einkristallen über Kristallstrukturanalyse die Existenz des Nonahydrats nachgewiesen werden. Diese Kristallstruktur ist in Abschnitt 4.3.3 dargestellt. Die Abweichung zum angegebenen Hexahydrat kommt möglicherweise durch die von Panfilow[299] angewendete Trocknung der Kristalle über Schwefelsäure zustande....