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E-Book

DAMALS HEUTE

AutorDiane Keaton
Verlagbtb
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783641068189
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Ungewöhnliche Erinnerungen einer ungewöhnlichen Frau
GANZ PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN VON DIANE KEATON. Ein Buch, so berührend, witzig und ungewöhnlich wie seine Autorin. Diane Keatons Erinnerungen erzählen die Geschichte eines gewöhnlichen Mädchens, das sich zu einer außergewöhnlichen Frau entwickelt - nicht zuletzt dank der prägenden Beziehung zur Mutter Dorothy Hall, die in ihren späten Jahren an Alzheimer erkrankt und ihr Leben in 85 Tagebüchern festhielt. Die Autobiographie der Oscar-prämierten Schauspielerin Keaton ist deshalb sowohl zutiefst persönlich als auch universell: Sie gibt Einblick in die einzigartigen Träume und Sehnsüchte von einer Mutter und ihrer Tochter, die sich manchmal decken und manchmal nicht. Ungewöhnliche Erinnerungen einer ungewöhnlichen Frau: unaufgeregt, offen, selbstkritisch.

Diane Keaton hat in einigen der bemerkenswertesten Kinofilme der letzten vierzig Jahre mitgespielt, wie zum Beispiel in der Paten-Trilogie, in Der Stadtneurotiker, Manhattan, Reds, Baby Boom - Eine schöne Bescherung, Der Club der Teufelinnen und Was das Herz begehrt. Unter ihren vielen Auszeichnungen sind mehrere Golden Globes und ein Oscar. Keaton lebt mit ihrer Tochter und ihrem Sohn in Los Angeles.

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Leseprobe

NACHDENKEN

Mom hatte ein Faible für Sprichwörter, Zitate, Mottos. Dauernd klebten an der Küchenwand kleine Erinnerungszettel. Zum Beispiel mit dem Wort NACHDENKEN. Ich fand ein mit Reißzwecken befestigtes NACHDENKEN auf einer Pinnwand in ihrer Dunkelkammer. Ich sah eins mit Tesa festgeklebt auf einer Stiftdose, die sie mit einer Collage verziert hatte. Ich fand sogar ein kurzes Merkblatt mit dem Titel
NACHDENKEN auf ihrem Nachttisch. Mom gefiel es, NACHZUDENKEN. In einem Notizbuch hielt sie fest: Ich lese gerade Sogar Cowgirls kriegen mal Blues von Tom Robbins. Der Abschnitt über die Ehe stimmt mit den Bemühungen der Frauen nach Erfüllung überein. Ich schreibe das hier auf, um später darüber NACHZUDENKEN … Sie rundete ihren Eintrag mit einem Robbins-Zitat ab: »… und für die meisten armen, dummen, hirngewaschenen Frauen ist die Ehe der Gipfel des Erlebens. Für Männer ist die Ehe eine Frage effizienter Logistik: hier hat er alles, Essen, Bett, Wäsche, Fernsehen … Nachwuchs und kreatürliche Bedürfnisse ordentlich unter einem Dach. … Für eine Frau dagegen ist die Ehe Kapitulation. Die Ehe, das ist, wenn ein Mädchen den Kampf aufgibt … und fortan die wirklich interessanten und wichtigen Aktionen ihrem Ehemann überlässt, der sich vertraglich verpflichtet hat, ›für sie zu sorgen‹ … Frauen leben statistisch länger als Männer, weil sie eigentlich gar nicht gelebt haben.«

Mom liebte es, über das Leben NACHZUDENKEN, vor allem über ihre Erfahrungen als Frau. Und sie schrieb auch gerne darüber.

Mitte der Siebziger, auf Besuch zu Hause, entwickelte ich gerade in Mutters Dunkelkammer ein paar Fotos, die ich von Atlantic City gemacht hatte, als ich etwas entdeckte, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es war so etwas wie, tja, ein Skizzenbuch. Auf dem Umschlag befand sich eine Collage, die sie aus Familienfotos zusammengestellt hatte, untermalt mit den Worten Der Weg ist das Ziel. Ich nahm es in die Hand und blätterte die Seiten schnell durch. Obwohl sich darin einige aus Schnappschüssen und Zeitungsausschnitten angefertigte Collagen befanden, gab es hauptsächlich seitenweise Text.

Hatte einen produktiven Tag im Hunter’s Bookstore. Wir haben die Kunstbuchabteilung neu sortiert und viele interessante Bände entdeckt, die nach hinten gerutscht waren. Ich bin jetzt seit zwei Wochen angestellt. Ich verdiene 3 Dollar und fünfunddreißig Cent in der Stunde. Heute wurde mir die Gesamtsumme von 89 Dollar ausbezahlt.

Das hier war keins von Moms typischen Sammelalben mit den üblichen Servietten aus der Clifton’s Cafeteria, alten Schwarz-Weiß-Fotografien und meinen alles andere als spannenden Zeugnissen. Das hier war ein Tagebuch.

In einem Eintrag, datiert auf den 2. August 1976, hieß es: ACHTUNG, DIESE SEITE HAT’S IN SICH! Für das hier, lieber zukünftiger Leser, brauchst du Mut. Ich rede über alles, was mir durch den Kopf geht. Ich bin wütend. Dieser Supermarkt – Jack – Schimpfwörter, die er mir entgegengeschleudert hat – NICHTS davon vergessen, und genau das ist zweifellos das Hauptproblem – »Du verdammter Scheißkerl« – alles so gesagt – alles so empfunden. Gott, für wen hält er sich bloß?

Danke, das reichte. Das hier war ungefiltert, zu ungefiltert. Ich wollte keine Details über das Leben meiner Mutter und meines Vaters wissen, die meine Vorstellung von ihrer Liebe zunichte machten. Ich legte das Tagebuch wieder hin, verließ die Dunkelkammer und schlug kein einziges ihrer weiteren fünfundachtzig Tagebücher auf, bis sie etwa dreißig Jahre später starb. Und natürlich, egal wie sehr ich mich anstrengte, die Existenz der Tagebücher zu leugnen, sah ich sie wider Willen auf den Bücherregalen oder unter dem Telefon, oder aber sie starrten mich direkt aus einer Küchenschublade heraus an. Einmal sah ich mir gerade Moms neu erworbenes Buch von Georgia O’Keeffe, One Hundred Flowers an, das auf dem Couchtisch lag, nur um darunter ein Tagebuch mit dem Titel »Wer behauptet, du hättest keine Chance?« zu entdecken. Es wirkte so, als hätten sie sich insgeheim miteinander verschworen und flüsterten mir zu: »Los, Diane, nimm uns in die Hand! Nimm uns in die Hand!« Vergesst es! Unter gar keinen Umständen würde ich diese Erfahrung noch einmal durchleben. Aber ich war beeindruckt von Moms Beharrlichkeit. Wie konnte sie so ganz ohne Leser schreiben, noch nicht mal einen aus der eigenen Familie? Sie hat’s einfach getan.

Sie schrieb darüber, wie es war, mit vierzig wieder zur Schule zu gehen. Sie schrieb über ihre Erfahrungen als Lehrerin. Sie schrieb über jede streunende Katze, die sie rettete. Als ihre Schwester Marti Hautkrebs bekam und fast ihre ganze Nase verlor, schrieb sie auch darüber. Sie beschrieb, wie frustrierend das Älterwerden war. Als Dad 1990 krank wurde, wütete ihr Tagebuch, wie ungerecht dieser Krebs sei, der sein Gehirn angriff. Die Dokumentation seines Sterbens erwies sich als Moms ausdrucksstärkster Bericht. Jacks Pflege schien es ihr zu ermöglichen, ihn auf eine Art zu lieben, die ihr wiederum half, zu der Person zu werden, die sie immer hatte sein wollen.

Heute habe ich versucht, Jack zum Essen zu bewegen. Aber er konnte nicht. Nach einer Weile nahm ich meine Brille ab. Ich lehnte meinen Kopf dicht an seinen, und ich sagte ihm, ich flüsterte ihm zu, dass ich ihn vermisse. Ich begann zu weinen. Ich wollte nicht, dass er es sieht, also drehte ich den Kopf zur Seite. Und mit dem letzten bisschen Kraft, das noch in seinem verfluchten Körper steckte, holte Jack ein Taschentuch aus meiner Tasche, und dann, langsam, wie alles, was er tat, langsam, ganz langsam, blickte er mich aus seinen durchdringenden blauen Augen an und tupfte mir die Tränen aus dem Gesicht. »Wir schaffen das, Dorothy.«

Er schaffte es nicht. Zum Schluss kümmerte Mom sich um Dad genau so, wie sie sich um Randy, Robin, Dorrie und mich gekümmert hatte – unser ganzes Leben lang. Aber wer stand ihr zur Seite, als sie mit zittriger Handschrift festhielt: Juni 1993. Heute ist der Tag, an dem ich erfuhr, dass ich am Anfang der Alzheimer-Erkrankung stehe. Erschreckend. Und so begann ein fünfzehn Jahre dauernder Kampf gegen den Gedächtnisschwund.

Sie behielt das Schreiben bei. Als sie keine ganzen Absätze mehr verfassen konnte, schrieb sie Sätze nieder wie Würden wir uns gegenseitig weniger wehtun, wenn wir uns mehr berührten? und Ehre dich selbst. Oder auch kurze Fragen und Feststellungen im Sinne von Schnell. Welches Datum ist heute? Oder seltsame Dinge wie Mein Kopf dreht ab. Als sie keine Sätze mehr schreiben konnte, notierte sie Wörter: MIETE. ANRUF. BLUMEN. AUTO. Und sogar ihr Lieblingswort: NACHDENKEN. Als sie keine Wörter mehr hatte, schrieb sie Zahlen auf, bis sie überhaupt nicht mehr schreiben konnte.

Dorothy Deanne Keaton wurde 1921 in Winfield, Kansas, geboren. Ihre Eltern, Beulah und Roy, landeten in Kalifornien, bevor sie drei Jahre alt war. Sie stammten aus dem Herzen Amerikas und waren auf der Suche nach dem großen Traum, mit dem sie auf den Hügeln von Pasadena strandeten. Mom spielte Klavier und sang in einem Trio ihrer High-School, das sich »Two Dots and a Dash« nannte. Sie war sechzehn, als ihr Vater sich auf und davon machte und es Beulah und ihren drei Töchtern überließ, sich alleine durchzuschlagen. Die späten Dreißigerjahre waren eine schwere Zeit für die Keaton-Frauen. Beulah, die noch keinen einzigen Tag in ihrem Leben gearbeitet hatte, musste eine Anstellung finden. Dorothy verabschiedete sich von ihren College-Träumen, damit sie im Haushalt helfen konnte, bis Beulah endlich eine Stelle als Hausmeisterin bekam.

Ich besitze ein Foto der sechzehnjährigen Dorothy, auf dem sie neben ihrem Vater, Roy Keaton, steht. Warum hat er seine Lieblingstochter verlassen, sein Ebenbild? Warum? Wie konnte er in dem Wissen davonfahren, dass es ihr das Herz brechen würde?

Alles wurde anders, als Dorothy auf einem Basketballplatz am Los Angeles Pacific College in Highland Park Jack Hall kennenlernte. Mom erinnerte sich liebend gerne daran, wie dieser gut aussehende schwarzhaarige junge Mann mit den blauen Augen vorbeikam, um ihre Schwester Martha zu treffen, aber eigentlich nur Augen für sie hatte. Sie lachte dann und sagte: »Es war Liebe auf den ersten Blick.« Und so muss es gewesen sein, denn bereits kurz danach heirateten sie heimlich in Las Vegas im Stardust Hotel.

Mutter hat mir nie von ihren eigenen Träumen erzählt, es gab allerdings Andeutungen. Sie war Vorsitzende der Parent-Teacher-Association und des Arroya Vista Ladies Club. Sie arbeitete als Lehrerin in der Sonntagsschule unserer Free Methodist Church. Sie nahm an jedem Preisausschreiben auf der Rückseite jeder Cornflakes-Schachtel teil. Sie liebte Spielshows. Unsere Lieblingssendung war Queen for a Day mit Jack Bailey als Showmaster, der jede einzelne Folge, an fünf Tagen der Woche, mit den Worten »Wollen Sie KÖNIGINFÜREINENTAG … sein?« begann. Das Spiel ging so: Bailey befragte vier Frauen, und diejenige, die es am schwersten hatte – gemessen am Applausometer des Publikums –, wurde zur »Königin für einen Tag« gekrönt. Zu den Marschklängen von »Pomp and Circumstance« hüllte er die Siegerin in einen lilafarbenen Samtumhang, der am Kragen mit weißen Zobeln verziert war, setzte...

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